Einheizen am Lagerfeuer

Wahltag in Österreich An die Stelle der ungeliebten großen Koalition könnte ein Dreier-Bündnis treten

Im Rückblick war der Bruch der großen Koalition in Österreich Anfang Juli durch die ÖVP möglicherweise alles andere als eine taktische Meisterleistung. Die Konservativen glaubten, nicht abwarten zu können, wie sich der SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer noch zwei weitere Jahre demontiert. Das könnte eine klassische Fehleinschätzung gewesen sein. Denn von dem Befreiungsschlag der ÖVP hat vor allem die SPÖ profitiert. Die Sozialdemokraten handelten schnell und kürten einen ganz neuen Spitzenkandidaten. Mit dem ungeliebten Gusenbauer hätte sie keine Wahl mehr gewonnen. Der neue Kanzlerkandidat, Infrastrukturminister Werner Faymann, suggerierte Unverbrauchtheit und soziales Engagement. Mit einem Fünf-Punkte-Programm und dem Beistand diverser Boulevardmedien hat Faymann die ÖVP in den vergangenen Wochen in die Defensive gedrängt.

Die konservative Volkspartei wird sich am 28. September schwer tun, den ersten Platz von den Sozialdemokraten zurückzuerobern. "Es geht um alles", behauptet deren Spitzenkandidat Wilhelm Molterer. In Wahrheit geht es lediglich um ihn. Sollte es ihm nicht gelingen, die SPÖ doch noch zu schlagen, wird er gehen müssen. Interne Kritiker bringen schon die Alternativen ins Spiel - Agrarminister Josef Pröll, den Neffen des mächtigen niederösterreichischen Landeshauptmannes Erwin Pröll.

Es wird für beide Großparteien ordentliche Watschen geben, die Frage ist nur, wen es schlimmer treffen wird. Der zurückliegende Wahlkampf vermittelte den irreführenden Eindruck, als hätte es gar keine große Koalition gegeben. Die Parteiapparate blühten regelrecht auf, als sie aufeinander losgelassen wurden. Sie heizten einander ein, sie beschimpften sich so, dass man glauben sollte, ihre Protagonisten könnten sich demnächst nicht einmal mehr die Hand geben. Dass ein Schauspiel gegeben wurde, war so offensichtlich wie dessen Notwendigkeit. Tatsächlich wird man voraussichtlich schon in einigen Monaten erneut feststellen, dass es um gar nicht viel ging und die Dramatisierung täuschte. SPÖ und ÖVP inszenierten Gegensätze, die es zwischen ihnen kaum gibt. Eben auseinander gebrochen, wird die große Koalition nach dem Votum wiederauferstehen, wenn auch etwas dezimiert. Es könnte gar mit einer Zweier-Koalition vorbei sein, denn allerorten wird vor dem 28. September über eine Dreier-Allianz spekuliert. Das Liberale Forum (LF), das 1999 aus dem Parlament geflogen und 2006 gar nicht angetreten ist, versucht sich konsequent als möglicher dritter Partner ins Spiel und damit in den Nationalrat zu bringen. Um den Parlaments­einzug kämpft auch Fritz Dinkhaus, ein der ÖVP entlaufener Poltergeist. Dem war bei der letzten Tiroler Landtagswahl mit 18 Prozent gar der Platz zwei beschieden.

Gewinner dieser Wahl werden vermutlich die getrennt marschierenden Rechtspopulisten sein. Zusammengerechnet dürften Heinz-Christian Strache von der Freiheitlichen Partei (FPÖ) und Jörg Haider (Bündnis Zukunft Österreich/BZÖ), ein beachtliches Ergebnis erreichen. Es könnte sogar an das Ergebnis heranreichen, dass die geeinten Freiheitlichen 1999 erzielten - damals waren sie nahe an die 30-Prozent-Grenze geklettert.

Nicht sonderlich gut aufgestellt wirken einmal mehr die Grünen. Jahrlang geißelte man sie für vermeintliche Radikalismen, unterstellte ihnen alles Unmögliche. Jetzt, da die Domestizierung vollendet ist und sie unbedingt, ja beinahe bedingungslos in die Regierung drängen, bleibt ihnen der Vorwurf nicht erspart, dass sie eine Langweiler-Partei ohne Konturen sind. Man hält ihnen nun ausgerechnet vor, dass sie so ­­­bieder geworden seien wie ihr langjähriger Chef, der Wirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen, immer schon gewesen ist. Die Grünen werden deshalb bei der Wahl wohl zu den Verlierern zählen.

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