Misery Cordia

Costa Concordia Warum letzter sein, wenn man doch als erster von Bord gehen kann!

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Misery Cordia

Foto: FILIPPO MONTEFORTE/AFP/Getty Images

Wie ein Kapitän die Gesetze des Neoliberalismus derart verinnerlicht, dass er die jahrhundertealten Regeln der Schifffahrt außer Kraft setzt

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Die Letzten werden die Ersten sein, heisst es so schön in der Bibel. Derart zivilisiertes Verhalten gibt es wohl nur noch im Himmelreich. Hier auf Erden sollte es besser heißen: Selbstdarsteller, Wichtigtuer, Starke und Mächtige zuerst. Wenn das Schiff sinkt, Kapitän ganz nach vorn. SOS, Ahoi.

Sommer, Sonne, Hitze, Mittelmeer. Die Fähre randvoll mit Badetouristen ist auf dem Weg zu den großartigen Stränden der italienischen Insel Giglio. Bei Ankunft im Hafen gilt die Aufmerksamkeit nun nicht mehr den Stränden, dafür aber einer anderen Art des Badengehens: Wie ein gestrandeter Wal liegt das Schiffswrack der Costa Concordia noch genau dort, wo es in der größten Havarie der modernen Schifffahrtsgeschichte vor 18 Monaten auflief. Das ungeschriebene Gesetz – "der Kapitän geht als letzter von Bord" – wurde hier im Januar 2012 spektakulär außer Kraft gesetzt.

Nachdem er unerlaubt vom Kurs abgewichen und zu nah an die Insel gefahren war – um Freunden zuzuwinken, wie es heißt – hatte der Kapitän Francesco Schettino das Schiff einfach schon während der Evakuierung als einer der ersten verlassen. Dann setzte er sich in eine Bar am Ufer, um von dort aus die Rettungsaktion zu beobachten. Als die Reederei ihm einige Stunden später befahl wieder an Bord zu gehen lehnte er dankend ab. Seine Anwesenheit sei bei der Rettungsaktion "nicht notwendig".

Das Boot war auf dem Riff wenige Meter vor der Insel aufgelaufen, hatte Leck geschlagen und wurde manövrierunfähig. Mit einer 180-Grad-Drehung kam das Kreuzfahrtschiff wenig später auf dem Riff vor dem Hafen zum Stillstand. Nachdem der Kapitän das sinkende Schiff ohne Funkspruch verlassen hatte informierten die Passagiere selbst die Hafenbehörde, um Hilfe bei der Evakuierung zu organisieren.

Es kamen mehr als 30 Menschen ums Leben. Wobei das wahrscheinlich noch großes Glück war, denn wäre das Schiff nur wenige Meter weiter in die bis zu 100 Meter abfallenden Gewässer geschlittert hätte des Kapitäns Winkvergnügen wahrscheinlich noch erheblich mehr Menschenleben gekostet.

Mit ein wenig Schaudern fotografieren nun die Touristen das rostende, sich seit mehr als einem Jahr im größten und teuersten Bergungsunternehmen befindende Schiffswrack vor Ort. Englische, australische, amerikanische und holländische Bergungsspezialisten der Firma Titan Salvage werden in Teams den ganzen Tag lang im 30 Minuten Takt vom Schiffswrack zu ihren Verpflegungspausen im Hafen gefahren. Auf die Frage ob es noch gefährlich sei, antworten sie ganz offen, "not anymore. In the beginning it was though". Wann sie denn fertig seien oder an was sie da draussen arbeiteten? "Not allowed to tell, mate". Aber, dass sie ihre Familien vermissen, erzählen sie. Ganz besonders ihre kleinen Kinder. Einige von ihnen waren seit Monaten nicht zuhause. Was sie verdienen, wollten wir wissen. "That depends on the job you do, when it's risky you get more money."

Sommer, Sonne, Abenteuer. Jetzt überlege ich, dass ich eigentlich Lust hätte Salvagespezialist zu werden. Wäre das nicht der perfekte Job? Man kommt rum, darf unmögliche Situationen lösen, auf traumhaften Inseln auf Kosten der Firma mehrfach am Tag lecker essen und verdient auch noch eine menge Kohle.

Der Prozess gegen den "Dolce Vita" - Kapitän beginnt heute.

Schettinos Verteidiger bieten Gericht Deal an

http://www.sueddeutsche.de/panorama/costa-concordia-prozess-schettinos-verteidiger-bieten-gericht-deal-an-1.1723531


"Costa Concordia"-Prozess: Schettinos Anwälte wollen Deal zu Strafmaß
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/costa-concordia-prozess-schettinos-anwaelte-wollen-deal-zu-strafmass-a-911606.html

Titan Salvage on 60 Minutes

http://www.titansalvage.com/News-and-Media/Press-Releases/Watch-as-60-Minutes-Goes-Inside-Costa-Concordia-Salvage-Effort

Trial of captain resumes after liner disaster in Italy
http://www.newsdaily.com/world/4f440ba38f9b521f0d6c78b2bddbb588/trial-of-captain-resumes-after-liner-disaster-in-italy

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

silvio spottiswoode

»Ohne Griechenland kann man Europa umbenennen, etwa in Horst.« (Nils Minkmar)

silvio spottiswoode

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