Schönrechnen – Gedanken zur Geldpolitik in einer Welt mit Grenzen

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Die Hauptversammlung der Deutschen Bank findet heute nicht in den 'grün'-renovierten Zwillingstürmen Soll & Haben statt, sondern passenderweise, in der Frankfurter Festhalle.

Angereist zu den Feierlichkeiten sind u. a. Streubombenopfer, der von der Deutschen Bank üppig finanzierten Rüstungsfirmen. (FR 25.05.11)
Zwei Jahre nach der Bankenkrise ist alles beim alten. Die Gewinne werden weiter privatisiert, die Verluste trägt die Allgemeinheit und Renditen steigen mit 25%, wieder auf Vor-Krisen-Niveau. Die Kehrseite sind leere öffentliche Kassen. Gespart wird überall, an Bildungs- und Sozialausgaben, in Schulen und Hochschulen, aber auch an integrativen Fortbildungs- und Umschulungsmassnahmen.

Diese traumhaften Renditen von 25% bekommt aber natürlich nicht der brave Riestersparer. Er/Sie kann sich schon glücklich schätzen, wenn seine/ihre Ersparnisse mit der Inflationsrate Schritt halten. Während die grossen Versicherungskonzerne und Banken sich mit den Gebühren der intrasparenten Riesterverträge auf Kosten des Staats und der Sparer "Reingewinne" von über 20% erschleichen. Ganz entgegen der wohlgemeinten Absichten von Regierungsseite, die in kaum überraschender Ohnmacht, zum wiederholten Mal, nicht in der Lage war einfache, einheitliche Regelungen zu schaffen. (Quelle ZDF, Frontal 21)

Da verblüfft es dann auch nicht, dass die beste Idee seit langem, die Finanztransaktionssteuer jetzt offiziell vom Tisch ist. (pressrelations)

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Geld allein kann irgendwie aber nicht das Thema sein. Denn bei Geld geht es niemals nur um das Tauschmedium an sich, sondern immer und vorrangig um Macht. Machtausübung, individuelle Interessen und deren Auswirkungen im gesellschaftlichen Raum. Geld als Medium ist, öfter als nicht, ein besonders präziser Indikator für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und als solches immer ein interessantes Thema für nähere soziologische Betrachtung.

In einer Welt mit begrenztem Raum
und erschöpflichen Ressourcen herrscht paradoxerweise ein auf Zins und Zinseszins beruhendes, sich exponentiell steigerndes System des Geldes. Konsum und Kredit sind die Eckpfeiler dieser Geldvermehrung, die nach mathematischer Berechnung zwangsweise zu der Verarmung eines stetig anwachsenden Teils der Bevölkerung führen muss. Mit der ernüchternden Konsequenz, dass sich immer grössere Summen des Kapitals in den Händen einer immer kleineren Anzahl an Individuen konzentrieren. Schade ist auch zu sehen wie sinnvolle Initiativen alternative Kreisläufe bzw. Zahlungsmittel einzuführen, um vorhandene Arbeitskraft zu nutzen, immer wieder prompt ausgebremst werden.

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Mit den 'richtigen' Zahlen lässt sich alles schön rechnen. Zahlen haben immer aber auch mit Erhebungskriterien, Interpretationen und Emotionen zu tun. Transparenz ist eben oft gerade nicht oberstes Gebot. Warum wurden 2007 beispielsweise die Abgeordneten Diäten um haarsträubende 9,4% erhöht wo alle anderen maximal 2,6% mehr bekamen und doch angeblich im Euroraum nur eine Inflationsrate von unter 2 % herrscht? Waren die armen Abgeordneten derart klamm, dass sie eine Rendite von über 7,6% tatsächlich benötigten? Oder wussten die was, das wir nicht wissen?

Bürger haben heute weniger in der Tasche als noch vor 10 Jahren? Liegt das ausschliesslich an den gefallenen Reallöhnen? Oder ist die Inflationsrate vielleicht einfach doch höher? Und die Banken wissen sie das? Sagen aber nichts, da sie ja unterm Strich nicht so ganz wenig mit der Differenz zwischen den niedrigen Haben-Zinsen und der tatsächlichen Inflationsrate verdienen? Warum gibt es eigentlich keine verlässlichen Zahlen? Vor allem, wieso werden scheinbar wahllos hochpreisige Ressourcen wie Benzin oder Grundnahrungsmittel einfach aus der Statistik rausgerechnet?

Von Griechenland wird scheinheilig behauptet sie hätten "über ihre Verhältnisse gelebt", aber warum wird nicht endlich der rsenspekulation gegen ganze Wirschaftsräume Einhalt geboten? Wer glaubt denn noch, dass nach Griechenland, Portugal und Irland mit dem für enige sehr lukrativen Geschäft plötzlich Schluss sein wird? Italiens Kreditwürdigkeit wurde diese Woche von der amerikanischen Ratingagentur "Standard and Poors" herabgestuft. Aber warum sollte S&P irgendein Interesse an einem starken Euro haben?

Alle der drei grossen Ratingagenturen sind am Erhalt des Dollars als weltweitem Zahlungsmittel interessiert. Die Ratingagenturen bilden ein MONOPOL aus komerziellen Firmen, 2 davon sind in den USA beheimatet:

  • i) MOODY'S – das mehrheitlich Goldman Sachs, Warren Buffet und seiner Firma Berkeshire Holding gehört, und als zweites global agierendes Ratingunternehmen das oben erwähnte
  • ii) STANDARD & POORS (S&P) – Teil des amerikanischen McGrawHill Medien-Konzerns, und über die Familie McGraw eng verbandelt mit der amerikanischen Regierung unter Bush. Dann gibts noch
  • iii) Fitch (UK) von denen man allerdings kaum was hoert.

Warum gibt es eigentlich keine unabhängige (europäische) Ratingagentur? Auch stellt sich die Frage wozu die EU in ihrem Rettungsschirm den IWF braucht, der ja bekanntlich nicht gerade für Euro stärkende Strategien steht?

Wo führt das hin? Gibt es eigentlich irgendwo einen realistischen Plan wie der Deutsche Staat – bei einer Staatsverschuldung von 83% des Bruttoinlandsprodukts (Stand 2010), oder 1.998,8 Milliarden Euro, 24.450 Euro je Einwohner (ja, auch die HartzIV-Empfänger tauchen hier positiv auf) – wie sie die Schulden plus Zinsen (!) jemals zurückzahlen will, ohne das Land dabei komplett lahm zulegen? (staatsverschuldung.de)

Und fast sogar noch spannender ist die Frage ob irgend jemand noch ernsthaft daran glaubt, dass die USA ihre Schulden von $1.342 "trillion" Dollar bei einer Staatsverschuldung von 95% des BIP jemals zurück zahlen werden. (Da bräuchten sie schon einige Jahrhunderte um nur die Zinsen zu tilgen.) Ein Schelm wer auf den Gedanken kommt Tilgung sei bei einer derartigen Grössenordnung gar nicht mehr möglich. Und was dann? Was bedeutet das fuer ein Finanzsystem, das sich um den Dollar dreht? Es ist und bleibt irre spannend ...

"Schluss mit der Perfektion. Entwickeln wir uns und lassen die Dinge einfach laufen." (Fight Club)

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Geschrieben von

silvio spottiswoode

»Ohne Griechenland kann man Europa umbenennen, etwa in Horst.« (Nils Minkmar)

silvio spottiswoode