Treffen sich drei Könige ...

Ritual der Woche Für gewöhnlich herrscht rund um Neujahr Nachrichtenflaute. Deshalb tagen die kleinen Parteien und inszenieren sich als Rebellen. Leider funkt dieses Jahr einer dazwischen

Es gibt Tage im Jahr, die mythologisch mehrfach aufgeladen sind. Der sechste Januar ist so ein Tag. Liturgisch gesehen wird – sowohl bei Katholiken als auch bei Protestanten – die Erscheinung des Herren gefeiert. Im Volksmund sprechen wir vom „Dreikönigstag“. Also von jenem Tag, an dem die Weisen aus dem Morgenland, Caspar, Melchior und Balthasar, vom Stern Betlehems geführt, das Kind im Stall als Jesus erkannten und es mit Gold, Weihrauch und Myrrhe beschenkten.

Auch auf der politischen Agenda ist der Dreikönigstag längst zum Ritual geworden. Vielleicht, weil er günstig lag: weit genug entfernt von Neujahr und – einst! – früh genug, um die Nachrichtenflaute Anfang des Jahres zu nutzen, um neue Themen zu setzen. Der sechste Januar ist daher traditionell der Tag der kleinen Parteien.

Zum ersten Mal haben sich die Vertreter der Demokratischen Volkspartei von Julius Haußmann, Karl Mayer und Ludwig Pfau am 6. Januar 1866 zur Landesvertretertagung in Stuttgart getroffen – sie wollten liberale Gedanken unter das Volk bringen und die Strukturen ihrer Partei ausbauen. Dieses Treffen greift die FDP als legitime Erbin in Stuttgart auf, um die Basis nach einem kleinen Parteitag durch Reden zu motivieren.

Verkünden, nicht handeln

Auch das Treffen der CSU-Spitze in Wildbad Kreuth hat eine turbulente Tradition: 1976 hatte die Hanns-Seidl-Stiftung das idyllische Bad in der Nähe des Tegernsees, das zuvor als Kurhaus und später als Ziel für die Kinderlandverschickung der Nazis diente, zum ersten Mal angemietet. Bereits auf der ersten Klausurtagung kam es zum Eklat. Damals beschloss die CSU die Trennung von der CDU-Fraktion im Bundestag. Ein Affront, der nur wenige Tage später zurückgenommen wurde.

Solche Provokationen gehören zum Ritual des politischen Dreikönigstages: Die Vertreter der kleinen Parteien treten an, um möglichst laut, möglichst kontrovers und möglichst selbstbewusst ihre Positionen zu verkünden. Sie grenzen sich von ihren Schwestern- und Koalitionsparteien ab und arbeiten an einem eigenen Image. Stets werden populäre Positionen und Themen vorgelegt, mit denen die großen Parteien in Zugzwang geraten – einige Tage später lenken die kleinen Parteien wieder ein. Es bleibt ein inszenierter Aufstand, bei dem es weniger um die politischen Ziele als um den Schein der politischen Eigenständigkeit geht. Der Tag der Heiligen Drei Könige ist in der Politik der Tag der Verkündung ohne Konsequenz. Einmal im Jahr erscheinen die Diener als Herren, um dann wieder in die realpolitische Liturgie einzuschwenken.

Horst Seehofer half schon unter Franz Josef Strauß – heute richtet er die Polit-Messe selbst aus. Er kennt ihre Regeln aus dem Eff-Eff. Schon im Vorfeld hat er Merkels Rentenpläne auf die Tagesordnung gehoben und – etwas weniger spektakulär – ein mögliches NPD-Verbot. Das Ritual hat seinen geplanten Verlauf genommen: Die Opposition stimmte Seehofer zu, die bayerischen Wähler bekamen das Gefühl, verstanden zu werden, die CDU tobte. Dass Seehofer die Rente mit 68 einst selbst beschlossen hat, und dass die Koalition in Wahrheit keine Anstalten macht, ihr Vorhaben zu ändern, macht nichts. Auch nicht, dass Seehofer genau weiß, dass es in diesen Zeiten kein Gold zu verschenken gibt, dass er höchstens Weihrauch versprühen kann. Alles was zählt, ist die Formulierung des populären Willens und das Glaubensbekenntnis der Sozialpolitik. Es geht ums verbale Image.

Westerwelle als eifernder Star

Ausgerechnet das droht der FDP dieses Jahr das Dreikönigs-Ritual zu verhageln. Vor lauter Beschäftigung mit sich selbst haben die Liberalen es verpasst, provokante Themen zu setzen, mit denen sie die Wähler motivieren und sich von der CDU absetzen können. Aber nach dem Hotel-Steuer-Skandal und der Euro-Mitgliederbefragung will die FDP zeigen, dass sie mitregieren kann, statt zu provozieren. Dabei war seit jeher das „Dagegen“ die Hauptbotschaft des Dreikönigstreffens. Niemand verkörperte sie so enthusiastisch wie Guido Westerwelle.

Er war eine Starbesetzung als eifernder Parteivorsitzender. Er hat am sechsten Januar leidenschaftlich Freund und Feind beschimpft und sich selbst als Heiland von allen anderen Parteikönigen huldigen lassen. Aber Westerwelle ist abgesägt und als Außenminister und Holiday-Diplomat verstummt. Das neue Dreigestirn der FDP ist heillos zerstritten.

Fraktionschef Rainer Brüderle wurde prophylaktisch verboten, im Dreikönigsstall der FDP zu beten. Die Angst seiner Parteikameraden war zu groß, dass er den anderen den Glanz stiehlt. Ausgerechnet Brüderle! Nachdem Christian Lindner taktische Führerflucht beging, muss Patrick Döring erst zeigen, was er anbetet, und von Philipp Rösler erwartet keiner mehr, als Heiland aufzutreten. Seiner Demontage wird so oder so kaum noch etwas im Wege stehen. 5.000 Mitglieder hat die FDP im letzten Jahr verloren. Die Wahlen in Schleswig-Holstein drohen im Debakel zu enden. Landeschef Wolfgang Kubicki bittet die Parteiführung öffentlich, von salbungsvoller Bundeshilfe im Wahlkampf abzusehen. Brüderle verschiebt unterdessen seine verhinderte Rede vom Dreikönigstag lieber in Oliver Welkes Heute-Show, in der er wenigstens eine Weißweinschorle bekommt.

Die FDP, die sich neu erfinden will, begeht einen ihrer größten Fehler. Statt wenigstens das Ritual des Dreikönigstages zu retten, lässt sie sich nun auch noch von Horst Seehofer und seiner Renten-Debatte die Polit-Show stehlen.

Unter dem Namen Dreikönigstreffen versteht man historisch das Treffen von Friedrich I., August dem Starken und Friedrich IV., die 1709 gemeinsam gegen Schweden in den Krieg ziehen wollten. Auch sie konnten das Morgenland nicht retten. Am Ende standen nur ausschweifende Festlichkeiten im Schloss Caputh, ohne dass etwas dabei rauskam. Zumindest dieses Ritual wird sich bei CSU und FDP weiter halten.

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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