So eine sommerliche Stadtbahnfahrt ist lustig. Mit Rolf und Fritz und Jens und Jörg und wie sie alle heißen. Wohin des Wegs? Cherchez la femme! Habt ihr euch überlegt, was ihr zahlen wollt? Öh, wieso, nee. Es gilt Eintritt nach freiem Ermessen, auf Spendenbasis sozusagen. Wollt ihr nun Frauenfußball fördern? Oder was? Na, schaun mer mal. Warten wirs ab. Wie sie spielen. Was sie abliefern. Die Damen! Höhö! Jede zweite Fußballerin ist lesbisch. Hab ich mir sagen lassen. Habt ihr das gewusst? Och. Ja? Boah ey, das wusst ich nicht. Ich bin ja vielleicht naiv! Gibts da auch Spielerfrauen? Sind die ebenfalls alle blond? Ja, meine Liebe, notier das! Aber wahrscheinlich musst du was dichten. Denn wo wir hinfahrn, da wirds nicht wirklich interessant! Sagt mal, gibts eigentlich schwule Fußballer? Nee. Im Chor, gedehnt. Stellt euch vor! Neinnein! Da herrscht ab-so-lu-tes Heterodiktat. Einhellig. Das dazu. Jemand grinst.
Die Sonne brennt nicht schlecht. Macht nichts. Die Leute strömen. Vor dem Karl-Liebknecht-Stadion, um das Kassenhäuschen, drängt sich die Menge. Ist auch nicht Nichts. Bundesliga-Endspiel. Finale der Frauen. Ganz eng wirds heute für die Lokalmatadorinnen. Die Potsdamer Turbinen, kein unbeschriebenes Blatt, nein. Leider ewige zweite Kraft. Das nervt. Das zehrt. Gegen den "FC Bayern München des Frauenfußballs": 1. FFC Frankfurt. Schwachsinnige "Kicker"-Formulierung! Erstmalige Live-Übertragung in zwei regionalen Sendern. Hui hui! Überrascht anerkennende Pfiffe. Frauen spielen nicht unbedingt besser, aber anders. Na, sage mal. Drei Minuten in der Sportschau, möglicherweise, raunt man sich am Bratwurststand zu. Penibles Studium des Programmhefts noch vor dem ersten Bier: Lass mal sehn! Welche sieht denn nu lesbisch aus? Die da oben rechts? Oder die dritte von unten? Schieben, Treppe hoch zu den Rängen. Position einnehmen hinter den orangerostigen Absperrungen. Eins A sechziger-Jahre-Atmo. Jetzt, nachdem alle ihr erstes Getränk in der Hand haben, ist Zeit, sich umzusehen. Es füllt sich. Aber hallo! Oben ziehen graue Wolken mit Tempo über einen noch blauen Himmel. In allen vier Ecken die geklappten Flutlichtmasten. Damit das Weltkulturerbe immer schön zu sehen ist. Sieht aus wie die geköpfte Hydra. Ein Omen für die Turbinen? Unten auf dem sattgrünen Rasen, aber tipptopp gepflegt, meine Herren, neidische Blicke der Freizeitkicker, tummeln sich die Spielerinnen. Laufen sich die Mädels ein. Machen sich warm. Für wenn simmer denn? Weiß oder blau? Klarer Fall, mümmelt ein Mann in kurzen Hosen hinter seiner Bratwurst. Für die Weißen natürlich. War da nicht ein deutlich erkennbar hessischer Dialektalanflug? Blau sind die Turbinen, du Dödel.
Musike dröhnt. Die Stimmung steigt. Was für Musik? Igitt. Whitney Houston. Puh. Aber, trösten wir uns. Bei den Männern ists noch schlimmer. Knittlingen grüßt Turbine. Der Rasen leert sich. Der Lärmpegel steigt. Satzfetzen mittendurch, versteh nich, wieso die den Beinlich so ham verhungern lassen; wie findse, sonst immer Pokalspiel, heute Frauenfußball? Ha, von den könnt ihr euch noch ne Scheibe abschneiden.
Beim Einlauf knallt erst mal die Sonne auf die Köpfe. Jetzt gehts lohos! Und abspielen, Mädel! Wo bleibt die Deckung? Habt ihr das gesehn? Oooh. Ein Stöhnen läuft durch die Ränge. Das tut weh! Und Achtung, verstolpert, huuu, Angerer hält. Unsre Nadine! Die Kleene is jut is die. Ey, Nummer Sechs, Omilade, Schokolade, ran ran ran. Spielüberblick, bestens, die Experten nicken anerkennend. Aber die Frankfurterinnen sind reifer. Stehen hinten sicherer. Sind in den entscheidenden Momenten abgeklärter. Was pfeift die Unparteiische? Oh no! Will die denn? Nachspielzeit? Vier Finger hoch? Solln dit? Die Mädels brauchen ne Teepause! Geschlauche! Gehampel. Frau Günthner, pfeif ab!
Mancher schmeckt das Bier nicht. Aber weiter gehts. Und da ist wieder keine vorn. Ist die blind. Aua. Watn Gekicke. Rein, rein, machn doch rein. Och. An den Kopf gefasst. Schlicht schlecht. Die sind emt noch nich soweit. Nachspielzeit. Die Turbinen drehen noch mal mächtig auf. Und da, Wimbersky, ein Schrei, schießt und Tooor! Die Arme hochgerissen. Alles springt und brüllt und da, die Fahne flattert. Abseits! Ein Stöhnen bricht durch die Reihen. Die Torschützin im Siegessprung noch, knickt ein, stürzt wie gefällt am rechten Pfosten ab. Schluss. Aus. Vorbei. Grelle Pfiffe, keinen hält es auf den Rängen. Runter auf den Platz. Ein kleiner Junge rennt ins Tor. Sein gelbes BVB-Trikot bläht sich im Wind. Er wirft sich auf den Tennisball, den jemand schießt. Er begräbt ihn unter sich. Er hält ihn hoch, siegesgewiss. Kein Auge hat er für das jammervolle Stillleben. Am Pfosten leidet Wimbersky. Umringt von Fans. Fassungslos erstarrte Mienen. Eine streichelt ihr die blauen Stutzen. So isses nu mal mit dem Fußball. Is schwer.
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