Ohne Scham

Im Kino "Die Fälscher" von Stefan Ruzowitzky

Überraschenderweise, denn man wähnt sich eigentlich in einem "KZ-Film", beginnt Die Fälscher mit Szenen in einem Casino am Mittelmeer. Dort schwelgt Karl Markovics als Sally Sorowitsch in einem Luxus, der einem irgendwie unangebracht erscheint. Und das weniger wegen des zeitgeschichtlichen "Ernsts der Stunde" als vielmehr wegen der vielen kleinen verhohlenen Gesten, die nahe legen, dass dieser Sorowitsch sich die zahlreichen Geldbündel in seinem abgeschabten Koffer nicht ganz legal beschafft hat. Irgendwann jedoch sieht man die eintätowierte Nummer auf seinem Arm und fühlt sich augenblicklich nachsichtig gestimmt. Ganz ähnlich wie die schöne Dame von Welt, die ihm gut gelaunt aufs Zimmer folgt. Doch bald fühlt sie sich von seiner Unzugänglichkeit zurückgewiesen. Den Zuschauer aber fesselt gerade das: In Karl Markovics´ stolzer Miene spiegelt sich eine verwirrende Mischung aus Trotz und Schmerz, aus Anspannung und Müdigkeit. Es ist das Gesicht eines Menschen, der unter großen Anstrengungen überlebt hat - und dem nun das Weiterleben die letzte Kraft raubt. Später im Film, der die Vorgeschichte zu diesem Ende hin erzählt, ist aus seinem Mund der Satz zu hören: "Ich will den Nazis nicht den Gefallen tun, dass ich mich schäm´, wenn ich überleb´."

Der Begriff KZ-Film klingt pietätlos, aber man muss sich auch nichts vormachen: Wie bei anderen Genres glaubt man ganz gut zu wissen, was einen erwartet. Sadistische Nazis. Unfassbares Leid. Nicht viel Farbe im Bild. Eher winterliche Temperaturen. Und kein gutes Ende. Stefan Ruzowitzky gelingt es jedoch, die üblichen Schreckens-Klischees zu vermeiden und trotzdem den Schrecken nicht zu verkleinern. Dabei erzählt er die heikle und wahre Geschichte des "Unternehmen Bernhard", der von den Nazis im KZ Sachsenhausen eingerichteten Fälscherwerkstatt, in der Pfund und Dollar gedruckt werden sollten, um die Wirtschaft der Kriegsgegner zu schwächen. Heikel ist die Geschichte, weil sie unter privilegierten KZ-Insassen spielt. Sorowitsch und seine Crew liegen auf mit weißen Laken bespannten Matratzen und dürfen in der "Freizeit" Tischtennis spielen. Jenseits des Bretterzauns, der ihre "kleinen" Freiheiten begrenzt, hören sie ständig die Schreie, die Schüsse und das ständige Fußtrappeln derer, die zu Tode gequält werden.

Die Fälscher beruht auf den Erinnerungen von Adolf Burger. Im Film wird er von August Diehl verkörpert und bildet so etwas wie den besten Feind von Karl Markovics´ Sorowitsch. Dieser wird zuerst als Fälscherkönig im Berlin der dreißiger Jahre vorgestellt. Ein Berliner Polizist, gespielt von Devid Striesow als das Klischee des schlauen Kriminellen-Kumpels, legt ihm das Handwerk just in der Nacht, in der er eigentlich Berlin verlassen wollte. Im Anschluss an die Verhaftung entlarvt ihn eine Sequenz zusammengeschnittener Szenen aus diversen Konzentrationslagern als skrupellosen Opportunisten, der für ein Stück Kuchen jedem Nazi einen Gefallen erweist. Dann schließlich bringt ihn sein "guter Ruf" in die Fälscherwerkstatt nach Sachsenhausen, wo er auf eine eigenartige Gruppe von Insassen trifft. Die Männer entstammen den verschiedensten Schichten, Regionen und Berufen. Die einen fühlen sich zutiefst gedemütigt dadurch, von den Nazis auch noch zu illegalen Handlungen gezwungen zu werden, den anderen verschafft gerade dieser Aspekt des Illegitimen eine gewisse Genugtuung. Ruzowitzky lässt einige mit deutlicher Dialekt-Färbung sprechen und macht damit den Prozess des "Aus Deutschen wurden Juden" rückgängig. Auch stoßen die verschiedensten Moralbegriffe hier aufeinander: Der Eine will politisch handeln, der Andere nur überleben.

Letzteres klingt wieder nach einem Klischee. Aber die privilegierte Stellung der Fälscher-Crew räumt dem Regisseur das Privileg ein, seine Charaktere einmal nicht als Opfer, sondern in ungewohnt starker Weise aufspielen zu lassen. Einigermaßen wohlgenährt und durchaus selbstbewusst, denn der Erfolg der Fälscher-Aktion hängt schließlich von ihnen ab, streiten sie um das gemeinsame Vorgehen. Burger (August Diehl) beginnt die Fälschung des Dollars zu sabotieren; er will den Nazis nicht zum Sieg verhelfen. Zilinski (Andreas Schmidt) hat Angst, die Sabotage könnte ihnen allen bald den Kopf kosten; er will Burger verraten. Sorowitsch aber hält sich eisern an seine Ganovenehre, die besagt, dass man um keinen Preis der Welt einen Kumpel verrät. So ist es die Ganovenehre, der einige am Ende ihr Leben verdanken. Und Sorowitsch holt die "ordentliche" Moral am Spieltisch im Casino nach.


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