Rauchen als Zeichen

Im Kino George Clooneys Hymne auf die Fernsehkultur der fünfziger Jahre "Good Night and Good Luck"

Es war eine Spur echte Enttäuschung zu erkennen, als George Clooney im März bei der Oscar-Verleihung die Auszeichnung für die beste Nebenrolle (für seinen Part in Syriana) entgegennahm. "Das heißt, ich werde den für die beste Regie wohl nicht kriegen", sprach er verhalten ins Mikrofon. Und mit einem ironischen Seufzer imaginierte er, was fortan in Nachrufen auf ihn stünde: Kinderarzt einer Hit-Fernsehserie, 1997 mal der "sexiest man alive" gewesen, 2006 einen Oscar für die beste Nebenrolle erhalten ... Die vermeintliche Kläglichkeit dieser Aufzählung war ein Witz - weil sie zum Teil stimmt. In den auflagenstarken Presse-Produkten wird Clooney nach wie vor als Frauenheld und als "letzter" Hollywoodstar gefeiert, der etwas vom Glamour eines Cary Grant in heutige Zeiten rettet: smart, gutaussehend, sehr amerikanisch. Es ist ein Image mit viel Äußerlichkeit und wenig Inhalt. Dabei - Good Night and Good Luck hat das endgültig an den Tag gebracht - ist George Clooney inzwischen vor allem hinter den Kulissen zu einer der einflussreichsten Hollywoodgrößen geworden. Er macht wahr, wovon andere nur reden: konsequent setzt er seinen Mainstream-Appeal dafür ein, unabhängig zu agieren, als Produzent, Schauspieler und Regisseur, und als wäre das nicht schon genug, engagiert er sich auch noch politisch.

Mit diesem politischen Engagement hat es mehr auf sich, als der Anti-McCarthy-Film Good Night and Good Luck, bei dem Clooney Regie führte, am Drehbuch mitarbeitete und in eine Nebenrolle zu sehen ist, auf den ersten Blick verrät. Schließlich verlangt es keinen besonderen Mut, heute im Abstand von 50 Jahren die bereits mehrfach entlarvten Machenschaften des berüchtigten Senators anzuzeigen, beziehungsweise diejenigen zu feiern, die das damals taten. Good Night an Good Luck erzählt die so einfach wie wahre Geschichte des CBS-Fernsehmoderators Edward R. Murrow, der 1956 die Methoden McCarthys in seiner Sendung zum Thema machte und damit am "Sturz" des Senators wesentlichen Anteil hatte.

Tatsächlich war Murrow nicht der erste, der öffentlich McCarthy kritisierte, und schon deshalb nicht ganz so mutig, wie ihn der Film darstellt. Wie heute meist auch, sprang das Fernsehen auf einen Zug auf, der bereits ins Rollen gebracht worden war. Der damals noch voll akzeptierten Leitmediumsrolle der Zeitungen erweist der Film übrigens eine schöne Referenz, wenn er Murrow und seine Leute nach ihrer ersten Sendung in der Bar zeigt: Zu vorgerückter Stunde wird jemand geschickt, die "Morgenzeitungen" zu holen. Stolz lesen sich die Fernsehredakteure gegenseitig aus den Rezensionen vor. So etwas wäre heute ganz unvorstellbar.

In Good Night and Good Luck geht es weniger um Glorifizierung als um Stil. Im ausgeprägten Stil des Films nämlich zeigt sich ein eigener Plan: Schwarz-Weiß ist der Film nicht nur, um die Originalaufnahmen von damals nahtloser einbinden zu können, in seinen glamourösen Kontrasten feiert Clooneys Film weniger seine Helden als vielmehr eine Epoche und eine bestimmte Kultur. Das eigentlich Überraschende daran: es handelt sich um die amerikanische Erwachsenenkultur der fünfziger Jahre.

Denn Good Night and Good Luck ist kein "Dokudrama", das reale Geschichte nachinszeniert. Die strenge Arbeitskleidung der Protagonisten mit ihren weißen Hemden und dunklen Hosen, ihre Kunstfertigkeit im Smalltalk, ihre Ernsthaftigkeit, das alles steht für ein professionelles Ethos, das man heute allgemein vermisst. Jazz in seiner sophisticated Variante - Dianne Reeves fungiert als eine Art Intermezzo - gibt den Rhythmus vor. Die meist statischen Einstellungen sind dem Fernsehstil von damals nachempfunden, dessen Kameras noch wenig beweglich waren. Desto raffinierter ist die Montage, die eine große Vorliebe für Halbprofile zeigt.

Fast die gesamte Handlung spielt im CBS-Gebäude. In der Reihe von Arbeitssituationen porträtiert der Ensemblefilm - David Strathairn als Murrow ragt zwar heraus, doch bis in die kleinste Nebenrolle sieht man hier Schauspieler mit großer Leidenschaft ihr Bestes geben - einen Beruf, in dem Schlagfertigkeit und Ironie als Tugenden gelten. Die gezeigte Problematik des unabhängigen Nachrichtenmachens ist aktueller denn je: Wie ausgeglichen kann eine politische Sendung sein? Heißt Ausgeglichenheit, dass man der Wahrheit und ihrem Gegenteil, der Lüge den gleichen Platz einräumen muss? Beim Anklagen der Verhältnisse, in denen die Geldgeber der Medien über deren Inhalte bestimmen, macht es sich der Film trotzdem nicht allzu leicht. Frank Langellas Porträt des CBS-Chefs William S. Paley gehört zu den schönsten Stellen des Films: Er zeigt ihn als illusionslosen Menschen, der versucht, nach Prinzipien und weniger nach Eitelkeiten zu handeln.

Paley unterscheidet sich dabei kaum von seinen Angestellten, auch wenn er unliebsame Entscheidungen im Sinne seiner Sponsoren trifft. Und Good Night and Good Luck feiert weniger das politische Engagement seiner Figuren als tatsächlich ihre "Prinzipien": Understatement und Zurückhaltung, mithin eine Raffinesse und Coolness, die - ganz anders als das, was man heute darunter versteht - sich vor Intellektualität nicht fürchtet.

Ungewöhnlich ist der Film auch wegen einer scheinbaren Banalität: Es wird geraucht, was das Zeug hält. Riesige Aschenbecher füllen das CBS-Gebäude von damals; Rauchschwaden verhüllen in Redaktionssitzungen die Gesichter; Nachrichtensprecher ziehen vor laufender Kamera an ihren Zigaretten. Mit so viel Hingabe ist die Schönheit des Rauchens inszeniert, dass es sich dabei um ein Zeichen handeln muss. Man kann es als Affront gegen den großen Konsens des heutigen Hollywoodkinos verstehen - gegen die Selbst-Verpflichtung auf "Harmlosigkeit".

Erst beim zweiten Sehen - und dazu sei geraten, schon allein wegen der geschliffenen Dialoge, in denen großzügig Pointen verschenkt werden - fällt übrigens das Besondere der Anfangssequenz auf: Zu Jazzmusik werden Menschen in Clubs und Restaurants gezeigt. Was beim ersten Sehen noch als Einstimmung in Mode und Frisuren der Fünfziger funktionierte, offenbart in der Wiederholung eine weitere Nuance: Man sieht nämlich ausschließlich erwachsene, fast müsste man sagen "ältere" Menschen, darunter besonders viele Frauen. Es ist, als ob Clooney absichtsvoll jener Kultur ein nostalgisches Denkmal setzt, in der noch nicht ausschließlich der Geschmack der 16-Jährigen vergöttert wurde.


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