„Eigentümer verstecken sich gern“

Interview Wie der Immobilienmarkt für Geldwäsche genutzt wird, weiß der Public-Policy-Experte Christoph Trautvetter
Ausgabe 38/2018
„Eigentümer verstecken sich gern“

Illustration: der Freitag, Material: Golero, KristianSeptimiusKrogh + Rosshelen/Istock

der Freitag: Herr Trautvetter, Briefkastenfirmen genießen inzwischen einen äußerst zweifelhaften Ruf. Täuscht der Eindruck, oder müssen sich auch Mieter zunehmend mit diesem Geschäftsmodell auseinandersetzen?

Christoph Trautvetter: Das ist auch mein Eindruck. Ob der stimmt, können wir allerdings nicht feststellen, weil es in Deutschland wenige Informationen über die endgültigen Eigentümer von Immobilien gibt. Im Grundbuch stehen oft Objektgesellschaften, die wahren Eigentümer erscheinen dann oftmals erst drei oder vier Ebenen später.

Warum suchen Hausbesitzer Anonymität?

Anonymität ist ein wichtiges Verkaufsargument im internationalen Finanzmarkt. Verteidiger führen oft an, es gebe legitime private Gründe. Doch wichtiger sind wahrscheinlich andere: etwa weil man zu Hause keine Steuern zahlen will oder weil das Geld aus illegalen Quellen stammt, also gewaschenes Geld aus der organisierten Kriminalität oder aus Steuerhinterziehung ist. Das schlägt sich äquivalent im Immobilienmarkt nieder. Immobilien machen international die Hälfte des Vermögens aus. Wer also sein Geld waschen oder Steuern hinterziehen will, möchte einen Teil davon definitiv auch im Immobilienmarkt anlegen.

Zur Person

Christoph Trautvetter befasst sich mit Steuervermeidern und Profiteuren von illegitimen Finanzströmen im Immobiliensektor. Derzeit arbeitet er unter anderem an dem Projekt „Wem gehört Berlin?“, bei dem er die Eigentümerstrukturen Berliner Mietwohnungen offenlegen will

Tatsächlich wird der Zusammenhang zwischen Geldwäsche und dem Immobiliensektor zunehmend thematisiert.

Das Geldwäschevolumen in Deutschland wird auf etwa 100 Milliarden Euro geschätzt, die Geldumsätze im Immobiliensektor liegen bei 237,5 Milliarden Euro. Immobilien sind deswegen für Geldwäsche interessant, weil es ein großer Markt ist. Wenn es viele legale Transaktionen gibt, dann ist es einfach, illegale Transaktionen zu verstecken. Zudem ist der Immobilienmarkt sehr intransparent, und es ist möglich, große Bargeld-Transaktionen durchzuführen. Man kann immer noch mit einem Geldkoffer Immobilien kaufen und fällt dabei nicht auf. Normalerweise wird das Geld aber in mehreren Stufen über ausländische Banken gewaschen.

Wie kann es sein, dass das unbemerkt bleibt?

Sowohl Notare als auch der Makler müssen melden, wenn sie einen Geldwäsche-Verdacht haben. Das machen sie nur nicht. Warum das so ist, versuchen wir gerade herauszufinden. Ein möglicher Grund ist: Sie wissen gar nicht, dass sie es anzeigen müssen. Deswegen müssten sie besser informiert und geschult werden. Eine andere Möglichkeit ist, dass ein paar schwarze Schafe bewusst verdächtige Transaktionen durchführen, ohne sie zu melden. Dann müsste die Überwachung verbessert werden. Häufig kommt das Geld aber auch schon gewaschen als Banküberweisung an – auch europäische Banken beteiligen sich in großem Umfang an der Geldwäsche, die Überwachung funktioniert nur sehr schlecht.

Ist die Geldwäsche ein großes Problem für die Mieter?

Über die Auswirkungen gibt es Studien, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Eine Studie aus London besagt, dass der Einfluss ausländischer Investoren auf die Verfügbarkeit von Wohnraum eher gering ist. Auf der anderen Seite zeigt eine Untersuchung in Miami die Bedeutung von Anonymität. Dort wurde Anfang 2016 eine Transparenzpflicht eingeführt. Die entsprechenden Immobilienkäufe gingen umgehend um 95 Prozent zurück. Daran sieht man, dass die Anonymität eine der wichtigsten Kaufbedingungen für die Villa in Miami ist. Ich würde trotzdem sagen, dass die Geldwäsche für Berliner Mietpreise nicht der entscheidende Faktor ist.

Bei exorbitant steigenden Mieten denkt man vor allem an Investmentfonds. Auch da geht es zuweilen anonym zu.

Richtig. Neben dem Geldwäscher, der direkt oder über einen Strohmann in Immobilien investiert, ermöglichen Investmentfonds ihren Investoren ebenfalls Anonymität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung.

Wie läuft diese Steuerhinterziehung ab?

Im einfachsten Fall heißt Steuerhinterziehung: Eine Privatperson investiert über ausländische Konten und Investmentvehikel und informiert die Steuerbehörde zu Hause nicht darüber. Das kann ein Deutscher sein, der in einen Investmentfonds auf den Cayman Islands oder Jersey investiert. Dieser Investmentfonds kauft dann in Deutschland Immobilien und schüttet hohe Dividenden an den Eigentümer aus. In der richtigen Kombination helfen eine Vielzahl von Geheimnisoasen, Banken, Anwälten, Investmentmanagern und Beratern dabei, anonym zu bleiben.

Und wie sieht es mit der Steuervermeidung aus?

Auch hier kommt es auf die richtige Kombination an. Ein klassisches Beispiel: Ein Investmentfonds von den Cayman Islands investiert in eine Luxemburger Gesellschaft. Die investiert in eine deutsche Gesellschaft, die in deutsche Immobilien investiert. Die deutsche Gesellschaft überweist die Gewinne an die Luxemburger Gesellschaft. Aufgrund von EU-Regularien werden in Deutschland keine Steuern auf die Ausschüttungen fällig. Die sollten theoretisch in Luxemburg erhoben werden. Luxemburg jedoch hat ein ähnliches Abkommen mit den Cayman Islands, und dort werden die Unternehmensgewinne mit null Prozent besteuert.

Was bedeutet das für die internationalen Steuergesetze?

Im eben dargestellten Beispiel besteuern weder Deutschland noch Luxemburg noch die Cayman Islands noch das Heimatland des endgültigen Eigentümers. In der Realität sind es ganz besonders die Reichsten, die auf diesem Wege keine Steuern zahlen. Um das zu unterbinden, müsste man das ganze System angehen. Im Falle von Luxemburg würde das bedeuten, EU-Recht zu hinterfragen. Das ist nicht unmöglich. Deutschland ist da derzeit aber noch zu zögerlich.

Inwiefern haben Mieter unter diesen Konstrukten zu leiden?

Die Anonymität, die mit diesen Modellen oftmals einhergeht, sorgt dafür, dass es keine Verbindung zwischen Mieter und Vermieter gibt. Der eigentliche Investor ist so weit entfernt, dass der Mieter nicht einmal weiß, bei wem er sich beschweren muss. Das hat auch finanzielle Folgen. Ich vermute, dass Mieterhöhungen, aggressives Vertreiben und Profitstreben um jeden Preis bei Investoren, die weiter entfernt und anonymer sind, stärker ausgeprägt sind.

Bleibt die Frage danach, was man dagegen tun kann. In Großbritannien ist geplant, dass Immobilieninvestoren ihre Eigentümerstrukturen offenlegen müssen. Kann das helfen?

Es hätte einen großen systematischen Effekt. Die Anonymität zu beseitigen, würde insgesamt in Deutschland und weltweit zu merklich höheren Steuereinnahmen führen und auch dafür sorgen, dass die Vermögensverteilung transparenter und in der Folge gerechter werden würde. Für die Mietpreise am wichtigsten sind aber eine wirklich funktionierende Mietpreisbremse und ein guter Mieterschutz. In Deutschland haben Mieter vergleichsweise starke Rechte. Sie für die Renditeforderungen der Investoren aufzuweichen, würde etwas Wesentliches in unserer Gesellschaft opfern. Die derzeitigen Immobilienkaufpreise sind aber mit den Mieterrechten oft nicht vereinbar. Würde man konsequent das Ansteigen der Mieten verhindern, würde das auch die Umverteilung von unten nach oben stoppen.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts.

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