Unheiliger Vater

Polarisierer Wer so einen Papst hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Benedikt XIV. spaltet, anstatt zu versöhnen. Plädoyer eines engagierten Katholiken für einen anderen Papst

Joseph Ratzinger, der "Wir-sind-Deutschland"-Papst, kommt zu Besuch in sein Heimatland. Schaut man auf die Homepage der reise-veranstaltenden Bistümer, so sind die großen Gottesdienste mit dem Papst ausgebucht. Neugier bei vielen Katholiken - und nicht nur denen -, den Papst einmal von Nahem zu sehen; zumindest auf die Distanz zum Altarraum hin. Aber genau da liegt auch ein Problem.

"Er sollte öfter nach Deutschland kommen, damit er erfährt, wie Menschen hier leben und glauben", schreibt die ökumenische Initiative Homosexuelle und Kirche zum Besuch Ratzingers. Denn genau das weiß der Papst nicht. Er weiß es weder von den Katholiken unseres Landes noch irgendeines Landes sonst. "Ein Mann wie er ist nicht dafür geschaffen, eine Gemeinschaft von mehr als einer Milliarde Menschen zu leiten, zu koordinieren und mit Leben zu erfüllen. Er schafft es nicht, den Lehrer sein zu lassen und sich ganz als Hirte zu begreifen", sagte im vergangenen Jahr der Befreiungstheologe Leonardo Boff in der Süddeutschen Zeitung über den Theologieprofessor und Papst Ratzinger.

Für engagierte Katholiken ist der Papst lange schon nicht mehr der Nabel ihres Glaubens. Damit ließe sich als Katholik auch leben. "Wo Gott ist, da ist Zukunft" - so lautet das Motto der Papstreise. Benedikt XVI. aber tut alles, um die Zukunft der katholischen Kirche mit Elan und Eifer vor die Wand zu fahren: nicht-katholischen Christen spricht er die Stellung als Kirche ab, zu Muslimen, Homosexuellen, Frauen reißt er tiefe Gräben auf. Er spaltet, statt zu einen. Damit lässt sich nun nicht leben als Katholik.

Benedikt XVI. zementiert die autoritäre und patriarchale Struktur der katholischen Kirche, anstatt endlich den lauten Rufen der Basis zu folgen und Laien mehr Einfluss zu geben, Frauen am Leben der Kirche zu beteiligen, auch nicht-zölibatär lebende Priester zuzulassen. Die brennenden Fragen der katholischen Basiskirche kann und will Ratzinger nicht beantworten.

Den eigenen Anspruch verfehlt

Er setzt auf Restauration. Das 1. Vatikanum rangiert ihm vor dem 2., er stärkt die Rolle des Papstes und kämpft verbissen gegen die Befreiungstheologie. Doch gerade die ist es, die auch in unserem Land in der engagierten Basiskirche lebendig ist. Mit ihrem Engagement für Arme und Unterdrückte, für Minderheiten, für die Bewahrung der Schöpfung des Planeten. Alles Werte, die urchristlich sind.

Ach ja, die Werte. "Cooperatores veritatis", so lautete Joseph Ratzingers Wahlspruch, als er 1977 zum Bischof geweiht wurde und den er auch als Papst zum Wahlspruch machte: "Mitarbeiter der Wahrheit". Wie wenig war Benedikt XVI. in der Lage, diesem, seinem eigenen Anspruch treu zu bleiben, als in der katholischen Kirche die vielen Missbrauchsfälle offenkundig wurden. Seine Taktik war die des Leugnens und Verschleierns. Wer heute in seiner katholischen Heimatgemeinde lebt, der erfährt die Folgen: ein Vertrauensverlust in die Priester, Eltern, die Angst haben, ihre Kinder in Erstkommunion und katholischer Jugendarbeit einem Priester anzuvertrauen.

In den Gemeinden, dort wo engagierte katholische Christen mitarbeiten und gestalten, hat die "Autorität" des Papstes längst jegliches Gewicht verloren. Die aktive katholische Basis lebt Ökumene erfolgreich. Ohne die Frauen in Laiendiensten wäre viele Angebote der Gemeinde ebenso wenig möglich wie viele Aufgaben in Gottesdiensten. Alles in Ordnung also in der Gemeindepraxis ohne den Papst? Nein, so einfach ist das dann doch nicht. Joseph Ratzinger treibt die Angst vor dem eigenen Machtverlust um. Sein katholisches Selbstverständnis ist zutiefst reaktionär. Das erfordert immer wieder ein "Trotz Alledem" der Basis. In Zeiten, in denen Katholiken ihrer Kirche den Rücken kehren, ist das ein falscher Weg. Und schon gar nicht ein Weg in die Zukunft.

Eine Papstreise, die in der publicity-trächtigen Show verharrt, statt einen Aufbruch anzustoßen, schadet der Kirche nur. Viel schlimmer aber: sie ist ein Schlag ins Gesicht all' der berechtigten Forderungen und Hoffnungen der Gläubigen. Die Katholiken, und beileibe nicht nur sie, brauchen einen Papst, der die Ideen der Befreiungstheologie von Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit fördert. Und wir brauchen einen Papst, der weltweit der Ökumene den Weg bereitet, einer Ökumene, die wirklich „Gemeinschaft aller“ ist und niemanden ausschließt.

Bernd Zielmann ist aktiver Katholik und freier Journalist. Er war mehrere Jahre im Leitungsteam der Initiative "Kirche von Unten" und bis vor kurzem Mitglied des Vorstands im Bund Religiöser SozialistInnen.

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