2012 --eine fiktive Geschichte

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2012 erleben wir den definitiven Weltuntergang, wenn wir denn daran glauben, was uns so manche Propheten glauben machen wollen. Manche berufen sich dabei auf die Maya, die diesen Weltuntergang schon lange vorher gesagt haben. Nun wissen wir, dass die Maya einen 4000-jährigen Kalender hatten, und dass 2012 ein neuer viertausendjähriger Zyklus beginnt, und dass eine Berufung auf eine längst untergegangene indianische Hochkultur historisch nicht korrekt ist.

Nun erleben wir aber auch seit 2011 schon eine Welle von Protesten, begonnen mit dem arabischen Frühling, weitergehend mit der Occupybewegung und den Protesten in Moskau. Dazu kommen Greenpeace, Amnesty International, Terre des Homes und andere altbekannte Akteure. Jeder protestiert gegen irgendetwas, nur warum eigentlich? Was bringt es in den letzten Monaten der Welt?

Unterstellen wir einmal, dass die endgültige Apokalypse der Menschheitsgeschichte wirklich in wenigen Monaten bevor steht. Sollte der Homo Sapiens dann nicht noch eine Party feiern, noch mal so richtig die Sau rauslassen? Und jeder darf feiern, wie er möchte, ohne Hemmungen und die Sorge, moralisch unanständig zu sein.

Die Militärs dürfen noch einmal so richtig Krieg spielen. Der Luftraum über dem Persischen Golf wird für die zivile Luftfahrt gesperrt, hier kämpfen amerikanische und iranische Piloten gegeneinander, und die Israelis mischen fleißig mit. Die Meerenge von Hormuz wird ebenfalls blockiert, natürlich von der Marine der bösen Mullahs, die den USA und den Europäern das Öl wegnehmen wollen. Ohne Öl kein Krieg, das ist alles Teil der militärischen Party. Und die Kreuzfahrtschiffe liegen weit genug entfernt vor Anker, bei der Buchung gibt es Infrarot-Ferngläser gratis dazu, um auch Nachts die Kampfhandlungen in voller Schönheit betrachten zu können. Es lebe unsere voyeristische Ader.

Amnesty International bereitet allen freigelassenen Gefangenen einen triumphalen Empfang und erfährt dabei, was im allgemeinen Freudentaumel untergeht, dass sie nur 27% aller geheimen Lager kannten. Egal, in Guantanamo werden jetzt zehntausende von Hühnern gehalten, weil für die weltweiten Parties viel Fleisch gebraucht wird. Dass vor den Legebatterien einige Veganer protestieren, weil die Legehennen von der Party ausgeschlossen werden, nimmt kaum jemand zur Kenntnis.

Die Occupy Bewegung nimmt sich den Januar 1990 in der DDR zum Vorbild und stürmt die Banken, weil sie die Bilanzen sehen wollen. Lehman Brothers war gar nicht pleite, sie haben nur hunderte Millionen nach Frankfurt/Main transferiert, um die Deutsche Bank davor zu bewahren, dass deren Chef Ackermann als Versager da steht, weil er seine proklamierten Ziele nicht erreicht. Die Investmentbanker überweisen weltweit den vor dem Ruin stehenden Häuslebauern Geld auf die Konten und erlassen ihnen ihre Schulden.

Auch die Griechen erhalten ihren Schuldenschnitt von 120 %, und haben auf einmal wieder Geld, um ihrerseits den Italienern zu einem ausgeglichenen Saldo zu verhelfen.

Die Arbeitslosigkeit geht weltweit rapide zurück, weil ein Gewerbe aufblüht, dass ein gewisser Herr Schmidt aus Hannover begründet hat, das Party veranstalten. Jeder, der etwas auf sich hält, veranstaltet eine Party und lädt jeder Menge wichtige Leute ein. So kommen selbst Personen zu Ehren, die früher als Persona non grata galten, weil der Bedarf an A-Z Klasse Promis rasant ansteigt.

Alle Staaten öffnen ihre geheimen Notfallreserven an Öl und Gas, an Verpflegung und Getränken, und das Fürstenhaus von Turn und Taxis sowie das Haus der Welfen spendieren die edlen Weine aus ihren Kellern.

Putin wird in Personalunion Regierungschef und Präsident von Russland und verfügt, dass alle Atomwaffen mit sofortiger Wirkung unbrauchbar gemacht werden. Seinem Beispiel folgen die Engländer, Franzosen, Amerikaner und Chinesen, selbst die Israelis lassen Inspektoren der IAEA in ihre Negev-Wüste und schrauben die Zünder aus ihren Raketen..

Die USA funktionieren ihre Flugzeugträger zu Touristenattraktion um und jeder, egal ob zahlungsfähig oder nicht, darf mal mit einem Kampfjet einen kleinen Rundflug unternehmen und auf Deck wieder landen. Im Weißen Haus regiert eine Troika aus Obama, Gingrich und Romney und Abends sitzen die drei Herren bei lockeren Skatrunden zusammen.

Die Welt ist eine einzige Party, jeder feiert mit jedem und lädt jeden ein.

Nur eine Frage bleibt noch unbeantwortet, wie sieht der Weltuntergang eigentlich aus? Erleben wir ein riesiges Feuerwerk und die Erde ist das letzte Knallbonbon? Oder wirft uns eine riesige, noch nie erlebte Sonneneruption aus der Umlaufbahn und wir erleben auf unserer letzten Reise quer durch die Galaxie noch mehr Parties?

Egal, für die Beantwortung dieser Frage haben wir ja noch einige Monate Zeit. Vorrausgesetzt, dass die selbst ernannten Propheten dieses Mal Recht haben. Und wenn nicht, so leben wir einfach wie immer weiter, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis er kommt, ob mit oder ohne Prophet. Nur für die letzte Party haben wir dann nicht mehr so viel Zeit.

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Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann