Eine wehrhafte Demokratie braucht keinen Verfassungsschutz

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Die Erkenntnis, dass Geheimdienste das Licht der Öffentlichkeit scheuen, ist so alt wie die Geheimdienste selbst. Die Erfüllunng der ihnen vom Staat übertragenen, oder der von ihnen aufgrund ihres Auftrages selbst definierten Aufgaben lässt sie im Dunklen arbeiten. Dass sie für die Erfüllung geheimster Missionen auch einmal die eigenen Mitarbeiter opfern, ist ebenfalls nicht neu. Wenn einmal etwas schiefgeht, ist auch schnell ein Bauernopfer gefunden.

Der Skandal um den VS aber, der Deutschland erschüttert, hat eine ganz eigene, neue Dimension. Zwar hatte der langjährige FBI Chef Hoover über viele Kongessabgeordnete und Senatoren, selbst über Präsidenten geheime Dossiers erstellen lassen, um diese Politiker in seinem Sinne beeinflussen zu können, doch liegt der Fall in Deutschland anders. Die Aussage des VS-Präsidenten Fromm, dass seine Behörde dem Deutschen Bundestag keine Auskünfte geben wird, welche Abgeordnete wann, wo und mit welchen Mitteln überwacht wurden, bedeutet eine Machtprobe zwischen dem höchsten deutschen Parlament und dem Inlandsgeheimdienst. Es bedeutet einen Affront und eine Missachtung des Parlamentes.

Dass Geheimdienste Geld, viel Geld benötigen, liegt auf der Hand. Über die Verwendung staatlicher Mittel entscheidet aber das Parlament. Das Budgetrecht ist seine schärfste Waffe gegenüber der Regierung. Dass nun, und das dürfte ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik sein, ein Geheimdienst die Abgeordneten überwacht, die, wie der Linke Steffen Bockhahn, im Vertrauensausschuss oder wie der Linke Wolfgang Nescovic in der Parlamentarischen Kontrollkommission sitzen, stellt die Verhältnisse auf den Kopf. Der Vertrauensausschuss des Deutschen Bundestags entscheidet eben auch über die Finanzmittel des Verfassungsschutzes, die PKK soll diesen kontrollieren. Hier überwacht aber nun die Exekutive VS die Legislative Bundestag.

Doch dahinter steckt noch etwas viel Gefährlicheres für unsere Demokratie. Wenn eine Bundesbehörde mehr als 21 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch nicht verinnerlicht hat, dass die Linkspartei ein integraler Bestandteil des deutschen Parteiensystems ist, so steckt diese Bundesbehörde immer noch in den Denkschablonen der 80-er Jahre. Das bedeutet aber inneren Unfrieden und damit eine Gefahr für die Demokratie. Die Linke wird hier mit geheimdienstlichen Mitteln ausgebremst und kriminalisiert. Ihre Wähler und Anhänger werden gewarnt, diese Partei ist gefährlich. Wer aber hat dem Kölner Amt den Auftrag gegeben, indirekt den Wählerwillen zu manipulieren?

Die Aussage des SPD-Chefs trifft es sehr genau. "Haben die nichts anderes zu tun?", soll Sigmar Gabriel geäussert haben. Ja, haben die nichts anderes zu tun? Kommt die Gefahr für unsere Demokratie nicht von rechten Terroristen wie der Zwickauer Zelle, von der NPD und sächsischen Kameradschaften, die unsere Verfassung nahezu täglich mit Füssen treten?

Die einzig richtige Schlussfolgerung aus diesem Skandal wäre die Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der 16 Landesämter.Dieser Skandal zeigt nämlich auch noch etwas. Geheimdienste führen immer auch ein Eigenleben und sind von der Politik nicht kontollierbar, sie waren es nie. Eine wehrhafte Demokratie sollte aus einer Zivilgesellschaft bestehen, die gegen Rechte mobil macht, wo immer sie auftreten. Deshalb gehört die Extremismusklausel abgeschafft. Sie sollte über eine Justiz verfügen, die alle Mittel gegen rechte Straftaten schnell und konsequent anwendet. Sie sollte Polizei und Meldeämter haben, die verhindern, dass Menschen im Untergrund leben können, um Morde zu begehen. Und sie sollte Abgeordnete haben, die eine freie Mandatsausübung nur an einem messen lassen, den Wünschen und Ansprüchen ihrer Wähler.

Einen Geheimdienst wie den VS braucht eine wehrhafte Demokratie dagegen nicht.

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Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann