Gauck und die Bürgerrechte früher und heute

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Am 18. März wird Joachim Gauck als 11. Präsident der Bundesrepublik Deutschland im ersten Wahlgang gewählt werden.

Doch ein Konsenskandidat ist er nicht, weder aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, schon gar nicht aller Parteien, die Vertreter in die Bundesversammlung entsenden.

Das ist nicht ihm anzulasten, dass die Linke nicht an den sogenannten Konsensgesprächen teilnahm, war ein bewusster Affront der Regierungskoalition und der Kanzlerin Merkel persönlich.

Doch wäre es falsch, das Nachdenken der Linken über eine eigene Kandidatin als Schmollen aus der beleidigten Ecke zu werten. Immerhin gibt es gewichtige Gründe für die Linke, Gauck abzulehnen.

Dieser lebt von seinem Image als ehemaliger Bürgerrechtler eines ehemals existierenden, schon lange untergegangenen Staates. Seine Verdienste liegen in der Vergangenheit. Wenn er die Occupy Bewegung als albern bezeichnet und davon ausgeht, dass sie bald abebben wird, so zeigt er seine heutige Einstellung sehr deutlich. Von einem Bürgerrechtler ist hier nichts mehr zu erleben. Immerhin sind die Occupy Bewegung und die Bürgerrechtler der Ex-DDR, im weiteren Sinne, durchaus miteinander zu vergleichen. Beide wollen eine Änderung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse hin zu mehr Gerechtigkeit. Hier offenbart Gauck seine nur in der Vergangenheit verhaftete Denkweise.

Ein zweiter Punkt. Dass Gauck die Vorratsdatenspeicherung nicht konsequent ablehnt, weist ihn ebenfalls nicht als heutigen Bürgerrechtler aus. Immerhin ist die Archivierung von Millionen personenbezogener Daten ein signifikanter Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte. Der Bürgerrechtler Gauck nimmt diesen Eingriff heute als gegeben hin.

Es hatte eine deutliche Symbolik, das Bild auf der Pressekonferenz. Gauck saß eingerahmt zwischen den Chefs der ihn tragenden Parteien. Es war alles genau arrangiert, links von ihm die Vorsitzenden von SPD und Grünen, rechts von ihm die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP. Es symbolierte den Zustand, der Realität ist, Gauck als der Kandidat des politischen Establishments. Und er fühlt sich wohl in dieser Rolle, in der Rolle des Hofierten.

Die Bundesversammlung wird ihn wählen, doch eine Legitimation das Volkes hat er, bei aller Zustimmung, damit nicht. Das reale politische Kräfteverhältnis spiegelt sich in diesem Gremium nicht wieder, die FDP ist beispielsweise, gemessen an ihrer momentanen Zustimmung in der Bevölkerung, deutlich überrepräsentiert. Dass mit den zwei Vertretern der Piraten eine neue politische Kraft vertreten ist, die mehr Zustimmung als die Liberalen haben, ist ein weiterer Beleg dafür. Diese Diskrepanz zwischen der realen politischen Zustimmunng und einer von Wahlen abhängigen Zusammensetzung eines quasi Wahlmännergremiums ist nur ein weiteres Argument für eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk.

Joachim Gauck erwähnt den 18. März als den Tag der ersten freien Wahlen in der DDR, als einen Tag, auf den er 50 Jahre warten musste. Nur der Vollständigkeit halber, am 18. März 1848 griffen preussische Truppen die Märzrevolutionäre in Berlin an. Diese wollten auch nichts anderes als eine Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse. Neben dem Gedenken an die freien Volkskammerwahlen erinnert der "Platz des 18. März" vor dem Brandenburger Tor auch an dieses historische Dartum.

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Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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