Kanzlermehrheit futsch und wer unterschreibt dieses Gesetz?

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Gestern hat der Bundestag das nächste Hilfspaket für Griechenland verabschiedet. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten stimmte dafür. Doch kann die Kanzlerin nicht zufrieden sein, hat ihre Regierung doch die politisch wichtige Kanzlermehrheit verfehlt. Nur mit den Stimmen von SPD und Grünen wurde die erforderliche Mehrheit erreicht.
In der namentlichen Abstimmung hatte es 4 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung von FDP-Abgeordneten gegeben. In der wesentlich größeren CDU/CSU-Fraktion wurden 13 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen gezählt. Es war das erste Mal bei einer wichtigen Euro-Abstimmung, dass die Koalition auf die Hilfe der Opposition angewiesen war.
Daraus nun zu schließen, dass Neuwahlen nicht mehr zu vermeiden sind, ist der falsche Schluss. Allerdings zeigt der gestrige Tag die zunehmende Erosion innerhalb der Regierung und der sie tragenden Fraktionen auf. Wenn der Bundesinnenminister entgegen der offiziellen Linie die Griechen offen auffordert, die Eurozone zu verlassen, so ist das ein sehr deutliches Signal.
Allerdings haben auch Parlamentarier von SPD und Grünen mit Nein gestimmt, weil sie dieses Hilfspaket schon vom Ansatz her für falsch halten.
Die gestrige Abstimmung zeigt auch, dass in der Regierung unterschiedliche Auffassungen bestehen, wie den Griechen zu helfen ist. Wenn es eine Schlussfolgerung aus dieser Abstimmung gibt, dann die, dass dieser Denkprozess, und zwar ausserhalb parteitaktischen Geplänkels, fortgesetzt werden muss. Abgeordnete der Regierung, die mit Nein gestimmt haben, wollen Merkel nicht stürzen. Sie folgen nur dem Imperativ der freien Mandatsausübung und ihrem eigenen Gewissen. Und das ist der zweite Schluss, der daraus zu ziehen ist. Es gibt in Sachfragen, die den deutschen Steuerzahler Milliarden kosten, auch noch Parlametarier der Koalition, die sich nicht als Stimmvieh verstehen, sondern ihre eigene Meinung artikulieren und so auch abstimmen. Und darüber können wir uns freuen.

Übrigens, die einzige Fraktion, die geschlossen dagegen gestimmt hat, war die Linke. Und sie brachte einen wichtigen Punkt auf die Tagesordnung. Dieses Gesetz muss vom Bundespräsidenten unterschrieben werden. Weil die Zeit drängt, wird dies der amtierende Schlossherr im Bellevue erledigen. Dieser heisst Seehofer und ist Vorsitzender einer Regierungspartei. Hier sind zu recht Interessenkollisionen zu befürchten, so dass die Linke eine unabhängige juristische Prüfung dieses Gesetzes einfordert.

Es bleibt aber auch nach der gestrigen Bundestagsdebatte, dass der deutsche Steuerzahler mit inzwischen 100 Milliarden Euro für eine Griechenlandhilfe belastet wird, die den Griechen effektiv nichts bringt.

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Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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