Robert Enke, Markus Miller und was ändert sich in der Gesellschaft?

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Wer erinnert sich noch an Robert Enke? Ja, der Fußballstar, Nationaltorhüter und erfolgreich mit Hannover 96. Und, der kranke Mann, der sich nicht offenbaren konnte in einer Welt der Erfolgreichen, in der Schwäche nicht erwünscht ist. Der Mann, der keinen anderen Ausweg als den Freitod für sich sah.

Gestern wurde bekannt, dass der Reservetorwart von Hannover 96, Markus Miller, sich in eine bayerische Privatklinik einweisen lässt. Seine Symptome – mentale Erschöpfungszustände und beginnendes Bornout. Wieder ein Torwart, wieder von dem niedersächsischen Traditionsverein, mag mancher jetzt denken.Und doch sind dies die einzigen Parallelen zu Robert Enke. Miller hat sich offenbart, erst seinem Trainer gegenüber, danach der Öffentlichkeit. Er geht offen damit um, dass er dem Leistungsdruck im Profifußball im Moment nicht gewachsen ist und eine Auszeit braucht. Er versteckt sich nicht, nicht vor sich selber, nicht vor seiner Umwelt. Nach mehr als 100 Bundesligaspielen für den Karlsruher SC, nach Jahren harten Leistungssports erkennt er die Signale seines Körpers und nimmt sie ernst. Und doch braucht es auch heute noch Mut, diesen Schritt zu gehen.Bemerkenswert ist die Reaktion seines Klubs, der auf die Verpflichtung eines neuen Torwartes verzichtet und Miller seinen Platz freihalten wird, so lange, wie dieser bis zur endgültigen Genesung benötigt.

Ich kann mich an die Diskussionen, auch im Freitag, nach Enke`s Freitod noch erinnern. Dass sich etwas ändern muss, dass auch prominente Sportler sich offenbaren dürfen, wenn sie psychisch erkrankt sind. Mehr als 40.000 Zuschauer waren in der AWD-Arena anwesend, als Enke zu Grabe getragen wurde, das Fernsehen übertrug live. Eine öffentliche Diskussion begann, fast schien es, als würde es nun leichter für Betroffene, sich zu offenbaren. Und doch war es ein Strohfeuer, wie entfacht, so wieder erloschen.

Und heute traut sich ein Torwart, offen mit seinem Bornout umzugehen. Also doch alles in bester Ordnung?

Leider nein. Für einen Spieler in Hannover mag es leichter sein, diesen Schritt zu gehen, immerhin ist Enke dort nicht vergessen. Die öffentliche Akzeptanz für psychisch Erkrankte aber ist in Deutschlandimmer noch gering. Dass die Zahl psychisch Erkrankter in den letzten Jahren gestiegen ist, dass inzwischen ein Zusammenhang zwischen dem anwachsenden beruflichen Leistungsdruck und psychischen Krankheiten nachgewiesen ist, all das wird von der breiten Öffentlichkeit immer noch nicht wahrgenommen.

Dabei wäre es für die Betroffenen hilfreich, wenn sie offen über ihr Leiden sprechen könnten.Es würde ihnen helfen, damit besser umzugehen, so wie Markus Miller, dessen Klub ihn sofort unterstützt hat. Damit hat er nach Meinung von Experten gute Chancen, diese psychischen Anspannungen dauerhaft zu überwinden und zu alter Leistungsstärke zurück zu finden.

Das trifft aber nicht nur auf den Profifußballer zu, sondern auf jeden Arbeitnehmer. Wünschenswert wäre diese Art des verständnisvollen Entgegenkommens, wie es Mirko Slomka und die anderen Verantwortlichen des Fußballklubs praktizieren, für jeden Betroffenen.

Robert Enke hat die Tür einen kleinen Spalt geöffnet und dafür sein Leben gegeben. Markus Miller stößt sie ein Stück weiter auf.Es bleibt die Hoffnung, dass auch außerhalb des Fußballplatzes die Erkenntnis wächst, dass psychische Erkrankungen zwar nicht sichtbar, aber manchmal viel schwerwiegender sind als eine Erkältung oder ein Knochenbruch.

Dann hätte sich auch der Mut Markus Millers, die Öffentlichkeit ohne Hemmungen über seine Erkrankung zu informieren, wirklich gelohnt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann