Sterben in Würde-auch Todkranken nicht verwehren

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Die palliativmedizinischen Stationen der Krankenhäuser sind die letzte Station vor dem Tod. Viele der dortigen Patienten erhalten hohe Dosen Schmerzmittel wie Morphium, um ihre Schmerzen zu lindern. Sowohl sie als auch dass medizinische Personal wissen, dass das Leben so nur um kurze Zeit verlängert wird.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, so heißt es immer. Wie steht es aber mit der Würde dieser schwerstkranken Menschen? Sie wissen, dass ihre Krankheiten unheilbar sind und sie sterben werden. Wer hat das Recht, diesen Menschen vorzuschreiben, dass sie auf den Tod wie auf eine Erlösung zu warten haben? Es gehört zu der unantastbaren Würde, dass jeder Mensch in einer solchen für ihn qualvollen Situation über sein Lebensende selbst entscheiden darf. Und wenn er für sich die Entscheidung trifft, dass er mit Hilfe des behandelnden Arztes sterben möchte, also aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchte, um sein Leiden zu beenden, so hat keiner das Recht, ihm dies zu verwehren.

Die 9. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichtes hat nun entschieden, dass " die Ärztekammer kein uneingeschränktes Verbot der Überlassung todbringender Medikamente an Sterbewillige gegenüber einem Arzt aussprechen könne.“ (AZ: VG 9 K 63.09).
Der Arzt Uwe-Christian Arnold hatte sein Recht auf Sterbehilfe eingeklagt und jetzt einen ersten juristischen Erfolg erzielt. Der Berliner Anwalt Dieter Graefe hat das Urteil bereits begrüßt. Er ist der juristische Beistand des deutschen Ablegers des Sterbehilfevereins "Dignitas".
"Mit dem Urteil haben wir den Fuß in der Tür, das generelle Suizidhilfe-Verbot in Deutschland zu kippen, so sagte er.
Andere Experten sind da skeptischer. Dr. Thomas Jehser, Oberarzt Palliativmedizin im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, spricht aber aus, was die meisten denken: „Die Beihilfe zum Suizid ist keine ärztliche Aufgabe. Als Arzt bin ich dem Leben verpflichtet“.
Ich bin sehr skeptisch, ob der Gesetzgeber überhaupt genaue Regeln und Fristen festlegt. Das ist fast ausgeschlossen“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Gottfried Ludewig.

Der juristische Streit wird also weiter gehen. Doch bleibt darüber hinaus die Frage, ob das immer noch bestehende Verbot der aktiven Sterbehilfe in Deutschland noch zeitgemäß ist und vor allem, mit welchen Argumenten es noch gestützt werden kann. Dass Ärzte dem Leben verpflichtet sind, steht außer Frage. Doch schwerstkranke Patienten sind dem Tod geweiht, aller ärztlichen Kunst zum Trotz. Das wissen auch die Mediziner. Was also spricht dagegen, wenn diese Menschen für sich entscheiden, dass sie ihr Leiden nicht noch verlängern wollen? In Würde aus dem Leben scheiden, auch Todkranke haben ein Recht darauf.
Wer ihnen dieses Recht, egal mit welcher Begründung, nimmt, verurteilt sie zu einem qualvollen Dahinsiechen. Manche dämmern einige Tage, ohne dass sie noch bei klarem Bewusstsein sind, unter dem Einfluss starker schmerzhemmender Mittel, nur noch dahin, ehe sie endlich erlöst werden.
Mit menschlicher Würde hat dies nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.

Wie der "Berliner Kurier" auf seiner Webseite berichtet, fordern auch die Politiker Iris Spranger, Alice Ströver, Stefan Liebich, der Arzt Dr. Michael de Ridder sowie die Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ates die Sterbehilfe.

http://www.berliner-kurier.de/polizei-prozesse/nach-dem-urteil-kippt--jetzt-das-sterbehilfe-verbot-,7169126,14644256.html

Die öffentliche Meinung ist bei diesem Thema, und das ist verständlich, gespalten. Doch wer sich in die Situation der betroffenen Kranken hineinfühlen kann, wird deren Wunsch nach einer Beendigung ihres Leidens vielleicht besser verstehen.
Und wird hoffentlich auch diesen Menschen ein selbstbestimmtes Sterben in Würde nicht weiter verwehren.

Zuerst veröffentlicht unter

mann-im-netz.blogspot.com

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Geschrieben von

rolf netzmann

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