Was zeichnet einen Verfassungsfeind aus?

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Auf Spiegel Online ist sie offen für jeden lesbar, die Liste der 27 vom VS überwachten Bundestagsabgeordneten der Linkspartei. Einer von ihnen ist Roland Claus.

Claus war in den 90-er Jahren Landesvorsitzender der PDS in Sachsen-Anhalt und massgeblich daran beteiligt, seinen Landesverband und die Landtagsfraktion auf den Kurs einer Tolerierung einer SPD-Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Höppner zu bringen. Er sagte später, dass ihm durchaus bewusst war, dass sein Eintreten für diesen Kurs der Öffnung auch sein eigenes politisches Ende hätte bedeuten können. Nicht nur in seinem Landesverband, auch in der Gesamtpartei herrschte damals die Meinung, dass die PDS nur eine reine Oppositionsrolle in den Parlamenten einnehmen sollte. Eine auch nur indirekte Regierungsbeteiligung galt als Tabubruch.

Claus öffnete mit der erfolgreichen Tolerierung nicht nur für die PDS neue Türen. Er wies auch den Weg für neue Koalitionsmöglichkeiten in den neuen Bundesländern und verankerte die PDS fester im politischen System als je ein linker Politiker vor ihm. Er kann damit als Wegbereiter direkter Regierungsbeteiligung der PDS 1998 in Mecklenburg-Vorpommern und 2002 in Berlin bezeichnet werden.

Wo also ist Claus ein Verfassungsfeind?

Der Verfassungsschutz sollte auch ein mal bedenken, dass die PDS seit 1990 eine stabilisierende Rolle in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik erfüllt. Sie bindet bis heute ihre Mitglieder, Anhänger und Wähler in das politische System ein, so wie dies für die GRÜNEN seit ihrer Gründung und ihrem Wirken im parlamentarischen System und für die PIRATEN seit ihrem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus ebenfalls gilt.

Dem Politiker Claus Verfassungsfeindlichkeit zu unterstellen, ist absurd. Dass er als Abgeordneter der Linkspartei auch andere Ansichten als die jeweilen Regierungsparteien vertritt, stimmt.

Nur gehört Pluralität der politischen Ansichten eben auch in ein parlamentarisches politisches System. Und Roland Claus hat bewiesen, dass er weiter denkt und auch handelt und damit eben nicht ein Verfassungsfeind, sondern ein die Verfassung achtender , aber in seinem politischen Denken undogmatischer und weltoffener Politiker ist.

Die Einschätzung des VS, ihn wegen Verfassungsfeindlichkeit beobachten zu lassen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Ansichten und Denkweisen der Kölner Behörde.

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Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann