Für was steht die SPD?

Sozialdemokratie: 150 Jahre deutsche Sozialdemokratie. Und die Gegenwart? Mehr Fragen als Antworten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Rückblick ist nicht alles

Vor ein paar Tagen haben die deutschen Sozialdemokraten (SPD) den 150. Geburtstag ihrer Partei gefeiert. Dies ist, wie in solchen Fällen, die beste Gelegenheit, so eine Art Schulterklopfparty zu veranstalten.

Was war das für ein Jahr oder eine Epoche zur Zeit der Gründung im Jahre 1863? Das Deutschland im heutigen Sinne gab es nicht, aber dafür der unnatürlich expandierte Deutsche Bund. Von Demokratie war keine Spur, aber dafür die Industrialisierung mit aller Härte zuschlagend. In diesem Umfeld entstand Jahrzehnte später der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, aus dem durch Zusammenschluss mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei die Sozialdemokratische Partei Deutschlands entstand.

Die SPD eine Notwendigkeit? Aus Sicht der Gründerjahre und den folgenden Jahrzehnten ganz bestimmt, denn wer sonst hätte sich gegen die unwürdige Arbeitswelt richten sollen? Die Reichen interessierte es nicht und die herrschenden Politiker ebenfalls nicht. Der Rückblick in die Geschichte ist jedoch nicht alles, auch wenn sie vieles erklärt.

Skepsis ist angebracht

Die Gegenwart ist weitaus aufschlussreicher, denn spätestens dann stellt sich die Frage, was aus der SPD von damals geworden ist. Nach offizieller Darstellung sei die SPD seit 150 Jahren das Rückgrat der deutschen Demokratie, so Sigmar Gabriel bei seiner Festrede. Aus seiner Sicht mag das stimmen, aber aus aussenstehender Sicht ist eine gehörige Portion Skepsis angebracht.

http://www.librivita.ch/cartoons/150-jahre-450.jpg

Wo steht die SPD heute?

Eine Demokratie lebt vom Volk, das in Deutschland laut Grundgesetz der Souverän ist. Insofern wäre die SPD ein Rückgrat oder wenigstens eine Stütze der Demokratie, wenn sie das täte, was dem Volkssouverän zugutekäme. Doch die heutige Praxis sieht anders aus, denn für die SPD - übrigens für andere Parteien auch - ist der Volkssouverän nur dann wichtig, wenn Wahlen anstehen, wie der von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen hüpfende Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) zeigt.

Mehr Fragen als Antworten

Ansonsten folgt die SPD ihren eigenen Gesetzmässigkeiten: Sie nicken im Parlament Banken- und Eurorettungen in mehrstelliger Milliardenhöhe ab, stimmen Kriegseinsätzen der Bundeswehr zu und feiern immer noch ihre Urheberschaft der arbeitnehmerfeindlichen "Agenda 2010". Dies sind nur ein paar wenige Beispiele. Hat die SPD je den Souverän befragt? Hat sie nicht, denn die herrschende Parteimoral ist wichtiger als die Bedürfnisse der Bürger.

Françoise Hollande, Sozialist und französischer Präsident, der der SPD beim Feiern half, sagte: "Drei Worte, drei Werte, drei Kämpfe stehen für die deutsche Sozialdemokratie: Demokratie, Fortschritt und Realismus." Die Formulierung ist nicht schlecht. Darüber muss die SPD diskutieren und sich darüber im Klaren werden, wo sie innerhalb der Demokratie, des Fortschritts und Realismus steht. Parteiideologische Antworten sind allerdings uninteressant, weil es sonst nur um eine Deutungshoheit geht.

Die SPD hat zurzeit politische Ambitionen. Jedenfalls tut sie so. Sie will im Idealfall mit einer Koalition wieder an die Macht kommen. Vielleicht sind es auch nur noch Träumereien, um die Zeit der parteilichen Selbstfindung zu überbrücken. Die SPD steht in der Beweisschuld: Vertritt die Partei noch soziale Ziele? Ist sie überhaupt noch eine Arbeitnehmerpartei? Ist die Partei unabhängig von der wirtschaftlichen Lobby-Arbeit? Kann sie ihren neoliberalen Anstrich entfernen? Ist die SPD noch eine Volkspartei? Und die vorläufig letzte Frage: Ist die SPD zukunftstauglich?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden