Oettingers Räuspern

Europäische Union: Ein Glück, Günther Oettinger lebt noch. Das Amt des EU-Kommissars für Energie hat ihn noch nicht verschlungen. Europa ein Sanierungsfall?

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„Cleverle“ hat das Wort

Manche Politiker, wenn unbrauchbar geworden, verschwinden ins Nirvana. Nicht immer. Plötzlich kreuzen sie irgendwo wieder auf – in lukrativen Positionen der Wirtschaft oder in Ämtern der Europäischen Union. Ein Beispiel von vielen ist Günther Oettinger, der einst in Baden-Württemberg das Weite suchte und dann als EU-Kommissar für Energie auf Vorschlag der „grossen Amiga“ Angela Merkel wieder auftauchte. Hie und da hört man von Oettinger.

Und was meint das „Cleverle“ alias Oettinger, von dem die ARD Tagesschau berichtet?: Manche Staaten in der EU seien unregierbar. Fürs Oettingers Stammbuch: Nicht Staaten sind regierbar oder unregierbar, sondern seine Regierenden können oder können nicht regieren. Frankreich sei auf Notwendigkeiten null vorbereitet, so der Kommissar vom Dienst. Und in Richtung Bundesrepublik sendet er Signale, dass Deutschland wegen falscher Prioritäten Wettbewerb und Agenda 2010 verspiele. Kurz um: Die Europäische Union sei ein Sanierungsfall. Erhellendes bietet Oettinger sonst nicht, ausser dass er das Credo der deutschen Christdemokraten wiederkaut.

Mit oder ohne Bürger?

Europa ist mehr als ein Sanierungsfall, weil die Grundfesten der Europäischen Union nicht stimmen. Aussenpolitisch ist die EU eine Nullnummer, wirtschafts- und finanzpolitisch hat die EU nichts zu bieten und gesellschaftspolitisch hat die EU wenig zu sagen. Gerade Letzteres ist bedenklich, weil sich die EU von der Gesellschaft, oder besser gesagt von ihren Bürgern, weitestgehend entfernt hat. Die Politik streitet das natürlich ab, aber angesichts der politischen Unfähigkeit, ihren Bürgern die EU plausibel zu erklären, ist dies nicht verwunderlich. Zudem gibt es keine europäische Verfassung, dafür aber einen mehrfach gebrochenen Lissaboner Vertrag.

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Ist die EU noch zu retten?

Vielleicht wollen europäische Politiker ihre Bürger nicht, weil anstelle der europäischen Grundidee ein marktkonformes Europa treten soll. Wenn es nicht bereits vollzogen ist. Darin sind höchstenfalls Human Ressources, sprich Produktionsfaktoren massgebend. Aber jetzt kommt der kritische Punkt: Das, was momentan innerhalb der EU läuft, schadet der Demokratie, weil die EU so handelt, als wenn keine Bürger existieren würden. Ein marktkonformes Europa wie auch Merkels marktgerechte Demokratie brauchen keine Demokraten nach Vorstellungen der Bürger, denn Märkte, Finanzen und Wirtschaft funktionieren autoritär, antidemokratisch, hierarchisch und mitunter diktatorisch. So sieht das politische Europa aus. Für Bürger unbrauchbar, wenn man von der Freizügigkeit und wenigen anderen Vorteilen absieht.

Die EU ist ein Sanierungsfall, aber nicht wegen der Inhalte, die Günther Oettinger aufführt. Was soll eine Europäische Union, die keine von Bürgern verabschiedete Verfassung auf die Reihe bringt? Welche Berechtigung soll die EU haben, wenn sie durch Bürger- und Regionalferne glänzt? Was nützt Europa, wenn es nur dem Markt dient und nicht den Bürgern? Für was eine Europäische Union, die sich nicht erklären kann?

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