Willkommen zwischen den Zeitenwänden, 4.21

Das Logbuch geht weiter: Die Magie des Misserfolgs

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Noch bevor im Fußball die Herrensaison wieder begonnen hat, wollten die Damen uns das Sommerloch mit einem Titel „versüßen“ – denn alles andere liegt mittlerweile unter unserem Anspruch. Ein fatalerweise weit verbreitetes Denkmuster: Wenn wir Deutschen in einer Sportart erst einmal einen Titel geholt haben, dann erwarten wir das fürderhin immer wieder. Wer hätte angesichts eines solchen Glaubenssatzes schon prophezeien mögen, dass es ein „Versalzen“ werden könnte?

Etwas dubios wurde es bereits vor einiger Zeit, als die Bundestrainerin Teil eines ansonsten rein männlich besetzten TV-Kommentatoren-Gremiums wurde, um in derselben Macho-Fußballsprache wie ihre Kollegen die Spiele der Herren zu analysieren – und gerne auch zu verreißen. Mögen wir anlässlich dieser Runden noch gedacht haben, „jetzt soll endlich auch mal eine Frau sagen, wie es mit der dahinsiechenden Männerkickerei wieder aufwärts gehen kann“ (wobei Voss-Tecklenburg nicht sehr viel Frau ausstrahlt), und auch die Niederlage im WM-Textspiel gegen Sambia noch als Ausrutscher eingeschätzt haben, werden wir diese Woche mit einer unangenehmen Wahrheit historischen Ausmaßes konfrontiert: Die Frauen sind wirklich da angekommen, wo die Männer schon seit einigen Jahren sind – nämlich bei den Losern. Erstmalig ist man in der Gruppenphase einer Endrunde ausgeschieden, zu allem Übel (wieder) gegen eine asiatische Mannschaft. Autsch! Blicken wir mal kurz zurück, um den Weg in diese Katastrophe zumindest grob zu umreißen.

Jahrelang gehörte Deutschland im Frauenfußball zu den Favoritinnen und man teilte sich die Titel mit Ländern wie Schweden, die im Europäischen Frauenfußball voranmarschiert waren. Sie Damen konnten befreit aufspielen, weil sich kaum jemand um sie kümmerte. In jener glorreichen Zeit, die ungefähr zwanzig Jahre zurückliegt, interessierten sich im Wesentlichen Frauenversteher, Misanthropen und modern eingestellte Fußball-Insider für die weibliche Version des Nationalsports Nummer Eins. Konsumierende Frauen hingegen entdeckten in der deutlichen Mehrzahl gerade zu jener Zeit eine neue Form der Zweisamkeit, indem sie ihre Männer zu den „Public-Viewings“ der Herren begleiteten – als historischer Meilenstein kann hier das sogenannte „Sommermärchen“ des Jahres 2006 angesehen werden.

Im Folgenden – analog zum Niedergang ihrer Männer – tauchten die Brasilianerinnen auf, der Frauenfußball wurde bunter und der Titelgewinn schwieriger. Auf nationaler Ebene wurden die Ost-Pionierinnen von Turbine Potsdam mehr und mehr von den etablierten Großinvestoren Wolfsburg und München verdrängt und – ebenfalls analog zu den Männern – wurde eine „Champions-League“ etabliert. Wo mehr Geld ins Spiel kommt, wird auch die PR forciert, und mittlerweile wird auch die samstägliche Sportschau durch ein Damenspiel verschönert – womit dem deutschen Frauenfußball immerhin die gleiche Aufmerksamkeit wie der britischen „Premier League“ zuteil wird. Die freilich bleibt männlich. Dass man auch in Sachen Anmaßung und Überheblichkeit den männlichen Kollegen in nichts mehr nachsteht, zeigte sich in aller Deutlichkeit anlässlich der EM-Finalniederlage gegen (ausgerechnet!) Dänemark, die auf alles mögliche geschoben wurde, nur nicht auf eigene Fehler.

Mit dem breitwandig zelebrierten Vorrundenaus 2023 haben es die Fußball-Damen endgültig geschafft: Versagen wird zum Fest. So, wie ein Jogi Löw weiland nach seinem peinlichen WM-Aus im offenen Cabrio durch Freiburg rauschte und den Medien in fast gönnerhaftem Tonfall eröffnete, er würde dem DFB weiterhin „zur Verfügung stehen“, verkündet nun eine Martina Voss-Tecklenburg auf sämtlichen LED-Großbildschirmen der Republik, dass sie weitermachen werde. Doch warum dürfen die beiden das so einfach? Warum dürfen die – und das ist auch in der Politik zur erschreckenden Normaliät geworden, welche offensichtliche und vermeidbare Fehler machen, sich selbst in Amt und Würden bestätigen?

Ohne Frage haben wir in Deutschland mittlerweile eine „Lizenz für Flöten“, die es auch für Medienleute gibt. Als ebenso peinliches Beispiel wie das Ausscheiden selbst kann das Fehlverhalten einer TV-Moderatorin angesehen werden, die mit ihrer Selbstinszenierung jegliches Dschungelcamp-Niveau zu unterbieten wusste. Ohne offiziellen Auftrag ihres Arbeitgebers reiste sie privat zur Frauen-WM, präsentierte sich in einem faschingsartigen Fransen-Outfit, das Kritiker der „kulturellen Aneignung“ in Entrüstung versetzt haben dürfte, und „twitterte“ irgendeinen persönlichen Müll an ihre Follower. Natürlich kam sie damit – als mittlerweile leidlich bekannte Fußball-Kommentatorin – auch in andere Medienkanäle. Das Clevere an dieser Vorgehensweise ist eine sehr simple Erkenntnis: Sei in den sozialen Medien, und du kommst auch ins Fernsehen – sei im Fernsehen, und die sozialen Medien nehmen dich gar nicht wahr.

Intelligenz? Stilbewusstsein? Anstand? What the fuck is this? Es gilt die Losung „be good, be bad, just be!“

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