Willkommen zwischen den Zeitenwänden, 4.22

Das Logbuch geht weiter: „Long may you run“ ...

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

… ist ein alter Song von Neil Young, den er mit seinem Weggefährten Stephen Stills 1976 aufgenommen hat und der mir gelegentlich durch den Kopf geht. Ganz besonders in diesen Tagen, da das Bundesgesundheitsministerium das Corona-Mysterium um eine ominöse Blindekuh-Kampagne erweitert: „Wer kann mir sagen, welche aktuellen Erkenntnisse es zu LONG COVID gibt?“ steht auf Großflächenwänden zu lesen. LONG COVID ist nicht nur versal, sondern auch in besonders großen Lettern gedruckt. Ich frage mich, welcher „Call-to-action“ damit bezweckt werden soll – kann oder will denn überhaupt jemand etwas Verbindliches auf diese Frage antworten? Wurden nicht drei Jahre lang alle, die etwas möglicherweise Erhellendes zur Gesamtsituation beitragen wollten, diskreditiert und mundtot gemacht? Nach offizieller Lesart, die der Plebs nur allzu schnell und dankbar übernommen hatte, konnten Long Covid doch lediglich die Ungeimpften bekommen. Also Subjekte, die als asoziale Volksschädlinge ausgegrenzt wurden, die viele gerne in Isolationslagern gesehen hätten und die im Verständnis nicht weniger für alle finanziellen Folgeschäden der „Lockdowns“ hätten aufkommen sollen. Schließlich war es deren Pandemie – basta!

Ach, daran will sich niemand mehr erinnern? War das alles nur ein Albtraum und jetzt wachen wir in einem neuen Leben auf, in dem wir zurück in die Grundschule geschickt werden? Denn an genau die erinnert das unbedarft daherkommende „Wer weiß was?“ Die Headlinestruktur bedient sich einer Rhetorik, die wir aus unseren ersten Schuljahren kennen: Alle dürfen durch Vorwissen glänzen oder einfach munter drauflosraten. Der Lehrer ist dabei nicht involviert, denn er ist es, der fragt. Es geht um einen kollektiven Lernprozess, bei dem alle Kinder im Nebel herumstochern dürfen. Doch – auch das haben wir damals in der Schule gelernt und wurde uns in der Corona-Zeit wieder regelrecht „eingebläut“: bitte beim Stochern nicht auf das Falsche stoßen! Was ist das eigentlich für ein „Reset“-Versuch, der uns erwachsene Adressaten auf das Niveau von „Volksschule“ (welch passender Begriff das doch war!) zurückstuft? Und warum wird das große Covid-Ratespiel überhaupt künstlich verlängert – jetzt, da doch niemand mehr etwas von dem ganzen Ungemach wissen will? Meint man, auf diese Kampagne hin melden sich scharenweise Leute beim Gesundheitsministerium, denen man dann erzählen kann, dass sie gar kein Long Covid haben – oder dass sie es deshalb haben, weil sie ungeimpft sind? Ich halte es da eher mit dem Spruch meiner Oma: Wer einmal lügt ...

Zu allem Überfluss ist auf dem Plakat, das ich hier näher unter die Lupe nehme, eine junge Frau zu sehen, die eher nach afrikanischstämmiger Medizinstudentin als nach Märchenonkel mit Seitenscheitel und Fliege aussieht. Darf diese junge Frau überhaupt etwas sagen – wird ihr die Kompetenz zugebilligt, etwas zu sagen? Und wenn ja, was darf sie sagen? Dass man nicht zum eigenen Arzt des Vertrauens gehen soll, weil die Regierung jegliche Informationshohheit behalten will, ist in sich natürlich schlüssig – doch sieht diese junge Frau wie eine Regierungsvertreterin aus? Das „man(n)“ (und vermehrt auch „frau“) gerne zu einer solch attraktiven jungen Ärztin gehen würde, erscheint dagegen absolut schlüssig. Werbung ist keine Aufklärung, auch wenn sie so daherkommt.

Abschließendes Highlight dieses Großflächenmeisterwerkes bildet die in Claim-Form aufbaute Unterzeile „Antworten. Erkenntnisse. Hilfe.“ In Anbetracht dessen, was wir in den letzten Jahren erleben mussten, stellt dieser Abbinder in meinen Augen ein besonders übles Nachtreten dar – wobei mir insbesondere die Reihenfolge, nach der „Antworten“ vor „Erkenntnissen“ kommen, verdächtig erscheint. Für mich müsste die Reihenfolge genau umgekehrt sein, denn ich habe mir in den finsteren Zeiten gewünscht, dass den von Corona Betroffenen zuerst Hilfe angeboten wird, man im Folgenden durch sorgfältige Evaluierung zu Erkenntnissen gelangt und zu guter Letzt fundierte Antworten gegeben werden. All das ist ausgeblieben – bis heute. Leider ist auch nicht zu erwarten, dass die dramatischen Fehler, die bewusst oder unbewusst begangen wurden, jemals rückhaltlos aufgearbeitet und veröffentlicht werden.

So bleibt es – nicht zum ersten Mal – bei einer Kampagne, die den finanzierenden Steuerzahlern nicht nur nichts bringen dürfte (schon gar keine Entschädigungen), sondern die auch jegliche verwertbare Aussage vermissen lässt. Die einzige Antwort, die ich auf dem Mega-Poster entdecken kann, ist eine hinzugefügte Marker-Notiz auf der blütenweißen Hohheitsbanderole des ruhmreichen schwarzrotgelben Ministeriums: „Das ist die Impfung“. Stilistisch unkorrekt, denn ohne Bezug zum restlichen Text, vermittelt diese anonyme Botschaft zumindest, was Narrenhände im Lande mitunter so denken.

Jetzt, da aufgrund fehlender und fehlerhaft ermittelter Fallzahlen mehr und mehr verschwimmt, wie viele Menschen eigentlich durch Corona, beziehungsweise mit Corona an etwas anderem oder durch eine Corona-Impfung getötet wurden, und wie viele Menschen Corona erst im Zuge einer Impfung bekommen haben, sodass sie geschädigt oder getötet wurden – nicht mitgerechnet die vielen nach und nach bekannt werdenden Suizide – kommt mir das alles wie ein riesiges Kettenrätsel vor, das künstlich verlängert wird: „Long long may you run, Long Covid ...“

Sehr viel besser als die Erinnerung, was wirklich war, funktioniert bei vielen hingegen die Erinnerung an Leute, die Unbequemes und Kritisches gesagt haben. Was diese Leute genau gesagt haben, daran erinnert man sich nicht so genau. Doch dass diese Menschen weiterhin aus der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben sollten – besonders gut in der sogenannten „Kultur“ zu beobachten – davon sind nicht wenige felsenfest überzeugt. „Long may you run, Ressentiment!“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von