Willkommen zwischen den Zeitenwänden, 4.25

Das Logbuch geht weiter: Truckland Germany

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Es gibt einen Film von Steven Spielberg, in dem ein LKW einen PKW verfolgt. Einfach so, ohne wirklich ernsthaften Grund, doch offensichtlich mit dem Ziel, den PKW-Fahrer samt Fahrzeug zu eliminieren. Den Truck-Fahrer bekommt man nicht ein einziges Mal zu sehen, folgerichtig muss er der Böse sein. Letztendlich wird „Das Duell“ zwischen den ungleichen Fahrzeugen vom Guten, dem PKW-Fahrer, zu eigenen Gunsten entschieden. Dieser Mensch ist der Hauptdarsteller – hilflos, verzweifelt und gleichwohl tapfer in seinem Kampf gegen den scheinbar übermächtigen Gegner, dessen Identität das Dunkel der unbeleuchteten Fahrerkabine bis zum Filmende nicht preisgibt. Vom Film „Der weiße Hai“ wird behauptet, dass er unser Bild vom Haifischdasein nachhaltig geprägt habe – ein Bild, in dem der Böse riesengroß und eine reine Killermaschine ist, die nicht einmal vor Booten haltmacht. Verhält es sich mit „Das Duell“ womöglich ähnlich? Oder gibt es den Plot überhaupt nur, weil Spielberg Angst vor großen Autos hat? Unbestritten dürfte sein: Ein LKW eignet sich besser als monströse und gefährliche Maschine als ein normales Auto.

Im Straßenverkehr erreicht man als Kleinwagenfahrer mit seinem Kopf kaum die Reifenhöhe des Trucks – alleine das ist furchteinflößend. Dazu schlenkern und schwanken diese klobigen Gefährte mit ihrer atemberaubenden Höhe auf nassen Straßen, bei Überholmanövern und in baustellenbedingten Fahrbahnverengungen derart provokativ hin und her, dass man sich Ihnen besser nicht nähert. Doch gerade das ist kaum noch möglich ...

… denn unsere Straßen sind überfüllt von LKWs. Neben „D“, sieht man auf den Kennzeichen besonders häufig „PL“, „CZ“ und „NL“ – Länder, die uns einrahmen. Wieviel der transportierten Güter aus oder für Deutschland sind, weiß ich nicht, doch dass wir ein Transitland sind, verrät schon der Blick auf die Europakarte. Wer die motorisierten Ungetüme fahrend nicht mag, muss sie auch stehend nicht lieben: Mittlerweile lungern sie auf Rastplätzen quer über komplette PKW-Parktaschenreihen gestreckt herum oder versperren bereits die Einfahrt, sodass einem nichts anderes übrigbleibt, als im Rückwärtsgang auf die Hochgeschwindigkeitsfahrbahn zurückzustoßen und sein Glück auf dem nächsten Rastplatz zu versuchen – wenn man den lebend erreicht. Immer häufiger blockieren die Trucks ganze Autobahnabschnitte. Und wenn man in einen Stau gerät, kann man häufig nicht mal sehen, ob man eine mögliche Abfahrt nun gerade verpasst, weil der Blick nach rechts komplett versperrt ist. Mir ist es sogar schon passiert, dass mich zwei LKWs in die Zange nehmen, weil sich einer von beiden durch mich gestört fühlte – also „Das Duell“ in der Sandwichversion. Wie wir seit Kris Kristofferson oder spätestens den „Trucker Babes“ ja wissen, sind diese Leute immer per Funk miteinander verbunden. Über die tödliche Gefahr, die von ihren Geräten ausgeht, machen sich einige der teils übermüdeten und teils durch jahrelange Tort(o)uren anbestumpften Fahrer anscheinend keine Gedanken.

Sollte man einmal vergessen, dass die zum Teil auch stehend permanent durchtuckernden Dieselmonster einer verfehlten und profitorientierten Verkehrspolitik entspringen, und sie für „Feinde“ halten, ist das also durchaus menschlich. Wie vorausschauend war die Politik doch, als sie vor einigen Jahrzehnten den Güterverkehr auf die Straßen verlegte, Güterbahnhöfe zu Erlebnis- und Konsumräumen umfunktionierte und dafür sorgte, dass sich unsere Autobahnen im Dauerausbesserungszustand befinden – wenn sie nicht gerade für einen prognostizierten Verkehrszuwachs erweitert werden, der jeglichem gesunden Menschenverstand widerspricht.

Doch nicht genug damit: Deutschland geht mit dem „Megaliner“ in die Gegenoffensive für seine verstopften Straßen – 44 Tonnen Lebendgewicht auf 25 Metern. Die Schweizer fürchten die erste erfolgreiche Invasion der Teutonen seit ihrem Rütlischwur und sämtliche radfahrenden Schulkinder und City-Biker sollten auf der Hut sein: Dieses balkenartige Ungeheuer schafft locker „Sieben auf einen Streich“. Die Gründe, LKWs und LKW-Fahrer zu hassen, werden also nicht weniger.

Wenn ich gelegentlich jedoch Zeuge werde, wie ein unrasierter, verknitterter Fahrer in Joggingklamotten sich in Faultiermanier aus seiner Kabine abseilt, überkommt mich das pure Mitleid: Lokführer wirken zufriedener und gesünder.

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