Willkommen zwischen den Zeitenwänden, 5.07

Das Logbuch geht weiter: Der Tag des Baumes

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Diese Woche, am Donnerstag, findet der “Tage des Baumes” statt. Dass es so etwas gibt, habe ich erst dieses Jahr erfahren – und das auch nur, weil wir in Hannover so viele unserer grünbraunen Freunde jüngst an einen völlig überflüssigen Schnellstraßenausbau (im Stadtgebiet!) verloren haben und es nahe liegt, dass wir nicht nur die Sinnlosigkeit des Massakers selbst weiter thematisieren, sondern auch versuchen, weitere Rodungen zu verhindern. Interessanterweise wurde dieser “Feiertag” schon früher in Hannover begangen. Seit wann, weiß ich ebensowenig, wie ich den Grund für das Datum 25. April kenne. Aber wer weiß schon, warum der “Internationale Frauentag” auf dem 8. März liegt? Und weil wir an einem Donnerstag nicht so viele Interessierte zu unserer Aktion erwarten können, zumal für die Kids, die wir mobilisieren wollen, der 25. April der sogenannte “Zukunftstag” ist (welche Zukunft auch immer, Hauptsache schulfrei), weichen wir auf den Sonntag, den 28. April aus. Den Jugendlichen, die dann in der Tat kommen, werde ich mich weiter unten kurz widmen. Bei dieser Numerik drängt sich dummerweise ein weiterer, äußerst schicksalhafter Termin auf: 28 – 8 = 20, und das im April. Na, was war da? Ein Tag, den eigentlich niemand mehr feiern sollte, und der einem doch immer wieder aufstößt. Dazu rief dieser Tage ein Literaturmagazin ein interessantes Thema auf, dass sich mir nur teilweise erschließen will: Gesucht werden Texte und andere künstlerische Beiträge, die bis zum 30. April eingereicht werden sollen und sich mit der Frage beschäftigen, was am 24. 04. 2024 ist, war oder gewesen sein wird. Offensichtlich ist auch hier die Numerik wichtiger als der Tag selbst.

Beim Tag des Baumes mache ich mit – zu dem Autorenaufruf dagegen fällt mir nichts Rechtes ein – außer vielleicht “Heiligabend im Frühjahr”. Doch da ich bei dem sehr intellektuellen Magazin schon einmal mit einer Glosse durchgefallen bin, versuche ich es erst gar nicht. So bleibe ich auf den 25. April fixiert, der übrigens auch der Geburtstag einer lieben alten Freundin ist, den ich dieses Jahr wegen des Baumtages dummerweise völlig vergesse. Schande über mich!

Nun kurz noch zu den Kids und der Zukunft: Als wir dann am Sonntag unsere Veranstaltung machen (die eher einem Senioren-Ausflug ähnelt), treffen wir in der Tat einen Trupp Jugendlicher, der wie ein Klassenausflug mit Bierkiste aussieht. Die Chefpredigerin unserer Baumliebhabergruppe nimmt sie zwar für ein paar Minuten mit ihrem Vortrag in Beschlag, doch wie sich auch später bestätigt, interessieren sich die Leute nicht im Geringsten für Landschaftsschutz – solange ein Baum da ist, gegen den man nach dem Biertrinken (“public drinking”) pissen kann (“public pissing”), ist doch “alles gut”. Nur “public photographing”, das mögen sie so gar nicht – nicht einmal von hinten oder aus der Distanz wollen die jungen Leute im Bild festgehalten werden, obwohl sie sich in einem öffentlichen Raum bewegen. Und sie haben eine komische Logik bezüglich Veröffentlichungen: Im Netz wird gepostet und konsumiert, was das Zeug hält – gerne auch mal gefolgt von Shitstorm, Mobbing und anderem Psychoterror – und hier draußen in der “realen Welt” wird man als Fotografierender nicht einmal gefragt, wer man sei und wofür man seine Fotos mache, sondern es wird sofort das Löschen gefordert. Interessant auch: Die Gruppe hat das Aufnehmen meiner drei Bilderchen, auf denen niemand der Leute einen Fokus bildet, geschweige denn in Großaufnahme zu erkennen ist, gar nicht wirklich registriert – erst ein Mädchen weist die Anderen darauf hin. Aber nun gut, jede Kultur schafft ihre Ambivalenzen und Latenzen selbst – und wenn permanent neu angeheizte Angstzustände, begleitet von einer eingebildeten Nutz- und Zukunftslosigkeit der eigenen Person bei gleichzeitiger Zunahme narzisstischer Neigungen unter jungen Menschen heute gang und gäbe sind, dann ist das eben so – und ich bin heilfroh, aus diesem Alter raus zu sein.

Den Höhepunkt des Tages bildet die Umsetzung einer Bildidee, die mir vor einigen Wochen kam: Auf den Baumstümpfen, die wie Mahn- und Warnmale der gnadenlosen Rodungsmacht gegen jede Form von Widerstand stehengelassen wurden, postieren sich Menschen. Um zu symbolisieren, dass hier ein Lebewesen stand, das jetzt fehlt, und um zu demonstrieren, dass wir Menschen eigentlich nach den Bäumen kamen, sozusagen aus ihren Wurzeln und ihrem Schutz herauswachsen konnten, nachdem wir, genau genommen unsere Vorfahren, das Wasser verlassen hatten. Leider ist die Baumstumpfbesetzung überwiegend Ü50 und besteht nicht, wie von uns geplant, aus Kindern. Die interessieren sich für “Freitage für die Zukunft” und “Zukunftstage”, solange die angesagt sind. Wo Zukunft wirklich entsteht, davon haben sie keinen Schimmer, fürchte ich – und sicher fehlen ihnen auch die Lehrer, das zu vermitteln. So bleibt ausgerechnet der “Tag des Baumes” eine Veranstaltung, die so kinderarm wie nur irgend vorstellbar bleibt. Der “Regions-Entdeckertag” findet in Hannover übrigens ausschließlich in der Innenstadt statt.

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