Der Staat tut wenig

SCHWEIZ Prävention ohne Einschluß von Afrikanerinnen

Nachdem bekannt geworden war, daß englische Ärzte auf Wunsch afrikanischer Klienten deren Töchter »medizinisch einwandfrei« verstümmelten, veröffentlichte die Ethische Kommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften 1983 eine Erklärung, ÄrztInnen sollten keine Mädchenbeschneidungen vornehmen. 1989 bildete sich am Institut für Ethnologie der Universität Bern eine studentische Arbeitsgruppe Frauenbeschneidung, die eine 1992 publizierte Umfrage bei Schweizer GynäkologInnen vornahm.

In seiner Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage erklärte der Bundesrat 1993, daß jede Form von fgm nach Art. 122 StGB den »Tatbestand der vorsätzlichen schweren Körperverletzung« erfülle, und daß der Schutz der körperlichen Unversehrtheit »eines der höchsten Rechtsgüter unserer Rechtsordnung« sei.

Der Bundesrat erklärte sich bereit, »Möglichkeiten für eine zielgruppenorientierte Information innerhalb der Schweiz zu prüfen«. Der Staat entwickelte jedoch nicht einmal Broschüren für Einreisende. Sie über die Strafbarkeit von fgm in der Schweiz zu informieren, geböte schon die Fairneß. Es wurde auch bis heute nicht ernsthaft versucht, Afrikanerinnen für die Aufklärungsarbeit zu gewinnen und entsprechend zu bezahlen. Lediglich die Medien, insbesondere das Fernsehen, versuchten, die wichtigste Zielgruppe -afrikanische Eltern kleiner Mädchen - direkt zu erreichen.

Auf staatlicher Seite geschah wenig: Die breitgestreuten offiziellen Publikationsorgane des Bundesamtes für Gesundheitswesen (BAG) und des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) veröffentlichten zwei kurze Artikel der Aktivistinnen der studentischen Arbeitsgruppe, die sich unterdessen den Namen »antagem« (Anthropologists against Genital Mutilation) zugelegt hatte, und das BAG bezahlte die französische Übersetzung zweier Informationsbroschüren, die von »antagem« in Eigeninitiative produziert und finanziert worden waren.

»Antagem« hatte sich zur inoffiziellen Beratungsstelle entwickelt, betrieb ein Informationstelefon, verschickte Broschüren, stellte Referentinnen für Informations- und Fortbildungsveranstaltungen. Trotz geringer Mittel konnte die Gruppe relativ viele potentiell mit fgm konfrontierte Mitarbeiter des Gesundheits- oder Asylbereichs erreichen. Die gesamte Aufklärung hängt vom Engagement der weitgehend ehrenamtlich tätigen »antagem«-Frauen ab, die als »Wanderpredigerinnen« durch die Schweiz reisen, denen aber Zeit und Personal für direkte Präventionsgespräche mit afrikanischen Eltern fehlen.

Die Präventionsarbeit erhält neuerdings Rückenwind durch die Diskussion über »frauenspezifische« Asylgründe. Auf eine parlamentarische Anfrage des Nationalrats Jean Ziegler, bei drohender Beschneidung »wie in Frankreich« Asyl zu geben, sprach sich der Bundesrat 1997 für »Nicht-Rückführung« aus, argumentierte aber defensiv, daß auch Frankreich nicht den Flüchtlingsstatus, sondern die »Aufnahme aus humanitären Gründen« gewährt habe. Das Parlament hat inzwischen »frauenspezifische« Asylgründe, darunter drohende Beschneidung, in den Entwurf für ein neues Asylgesetz aufgenommen. Die Volksabstimmung steht noch bevor.




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