DDR-Ministerpräsident Hans Modrow (l.) und seine Stellvertreterin Christa Luft, 1989
Foto: Imago Images/photothek
Vier Tage nach dem Fall der Mauer wurde Hans Modrow zum vorletzten DDR-Ministerpräsidenten gewählt. Zur Wirtschaftsministerin ernannte er die Ökonomin und Rektorin der Hochschule für Ökonomie „Bruno Leuschner“, Christa Luft. Ihr fiel die Aufgabe zu, das umzusetzen, was Modrow in seiner Regierungserklärung so angekündigt hatte: „Nicht Planung ohne Markt, nicht Marktwirtschaft statt Planwirtschaft. Das Leben verweist uns auf ein sozialistisches Wirtschaftssystem, in dem Planung und Markt ... verbunden sind.“ Der folgende Text geht zurück auf einen Redebeitrag von Christa Luft, den sie im März 2019 im Rahmen eines Erzählsalons von Rohnstock Biografien gehalten hat.
„Als die Modrow-Regierung am 17. November 1989 ins
r 1989 ins Amt kam, war es eine ihrer vordringlichsten Aufgaben, ein Wirtschafts-Reformkonzept zu entwickeln.Denn die Wirtschaft der DDR litt unter Problemen, die bekannt waren, die aber immer nicht angegangen worden waren und nun uns auf die Füße fielen. In Stichworten: Nicht die Planung war das Problem, sondern die zentralistische Direktivplanung mit hunderten von Kennziffern, Bilanzanteilen und Koeffizienten, die die Initiative gelähmt hat. Dann die mangelnde Eigenverantwortung der Kombinate, unter denen sie sehr gelitten haben. Die bekannten Investitionsmängel. Ein starres Preissystem, das eher die Verschwendung beförderte als die Effizienz. Ein Leistungsprinzip, das eher dem Namen nach existierte als dass es real war.Dazu noch vieles anderes mehr, ich will das nicht im Einzelnen ausführen, aber eins ist noch wichtig: Die Wirtschaft der DDR litt daran, dass 1972 unter Günter Mittag die noch existierenden privaten und halbstaatlichen kleinen und mittleren Betriebe enteignet und eingebunden wurden in die großen Kombinate. Das hat unglaublich viel Produktivität, Motivation, Innovationsbegeisterung gekostet.Das war der Hintergrund. Die Modrow-Regierung begann dann sofort mit einem Reformprogramm, nach langer Diskussion – ich sage das hier in zwei Minuten, aber das Ganze hat mitunter Nächte gedauert, weil es ja zu großen Auseinandersetzungen gekommen ist. Am Ende haben wir als Ziel benannt: Wir wollen eine soziale und ökologisch orientierte Marktwirtschaft entwickeln, bei Beibehaltung von Staatseigentum in den Schlüsselbereichen, aber bei Förderung anderer Eigentumsformen, genossenschaftlichen Eigentums, kommunalen Eigentums und auch privaten Eigentums.Dazu wurde sehr schnell die Gewerbefreiheit vorbereitet, damit privates kleines Eigentum von unten entstehen konnte. Dann wurden die 1972 enteigneten kleinen Betriebe zurückgegeben, wenn die Eigentümer oder deren Erben das wollten. Und es wurde ein Joint-Venture-Gesetz auf dem Weg gebracht und beschlossen.Dieses Reformprogramm wurde natürlich vor allem zusammen mit Vertretern der Industrie erarbeitet: Wir haben eine Generaldirektorenkonferenz im Dezember 1989 abgehalten, da ging es hoch her, keine Frage. Allen konnte nicht schnell genug gehen, was die Modrow-Regierung auf den Weg brachte. Das war verständlich, aber man darf nicht vergessen, dass wir ja insgesamt nur dreieinhalb Monate im Amt waren.Die Generaldirektoren der Kombinate und Volkseigenen Betriebe waren selbstverständlich eingebunden, haben ihre Kritik angebracht, ihre Vorschläge. Abschließend wurde das Reformkonzept Ende Januar am Runden Tisch debattiert, da gab es hitzige Debatten, aber es ist am Ende akzeptiert worden, genauso in der Volkskammer.Aus mehreren Gründen wurden die von der Modrow-Regierung angedachten Reformen allerdings dann urplötzlich obsolet, weitestgehend jedenfalls. Das lag erstens daran, dass Modrow sich mit dem Runden Tisch geeinigt hatte, dass die Volkskammerwahlen, die ursprünglich für Mai 1990 angesetzt waren, auf den 18. März vorgezogen wurden, um die politische Stabilität zu erhalten, meiner Meinung nach eine vernünftige Sache. Aber damit war klar, dass nach den Wahlen die politische Konstellation des Landes eine andere sein würde als die, an der wir noch beteiligt waren. Zweitens kündigte Kohl an – im Übrigen nicht, indem die Modrow-Regierung vorher informiert worden wäre, wir haben es erfahren, wie alle anderen auch –, dass er der DDR-Bevölkerung anbietet, die D-Mark als Zahlungsmittel zeitnah zu übernehmen.Schließlich wurden wir als Modrow-Regierung nach Bonn eingeladen, am 13. und 14. Februar 1990. Wenn ich meine Erinnerung schildere, läuft mir es immer noch kalt über den Rücken. Das Modrow-Kabinett stand da vor dem Kanzleramt fein säuberlich aufgereiht, da hatten alle Mienen, als gingen wir zu einer Trauerfeier. Und drinnen lief das dann auch genauso eisig ab. Am Ende dieses Gespräch in Bonn ging es nur noch darum, ob es einen Beitritt der DDR oder einen Anschluss geben würde. So war das, was wir vorhatten, obsolet geworden.“Placeholder authorbio-1
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