In einer Familie, die ihre Millionen mit bunten Illustrierten oder Heften über Strickmode verdient, ist Frieder Burda ein Rebell. Ende der sechziger Jahre kaufte er auf der Documenta ein Schlitzbild, eine vaginal aufgeschlitzte Leinwand von Lucio Fontana, einfach um sich vom stockkonservativen Vater abzugrenzen. Noch heute ist es dem Sammler wichtig, dass man seinen Vornamen vor den Familiennamen setzt - er, der Zweitgeborene, wollte etwas anders machen, und er baute jetzt auch selbst sein Museum, während andere Sammler beim Staat die Hand aufhalten.
20 Millionen Euro hat die "Frieder Burda Stiftung" für den von dem New Yorker Architekten Richard Meier konzipierten Bau in Baden-Baden berappt; Stadt und Land stellten das Grundstück an der noblen Lichtentaler Allee, mitten im Park, in bester Lage (und das kostet ja auch etwas).Weiß und kubisch steht das Gebäude nun neben der neoklassizistischen Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, mit der es durch eine gläserne Brücke verbunden ist. Das ist durchaus symbolisch gemeint: beide Institutionen, staatliches Museum und private Sammlung, wollen kooperieren und einander ergänzen.
Der Entwurf von Richard Meier nimmt die klassizistische Vorgabe von nebenan auf und führt sie funktionalistisch weiter, auf gleicher Gebäudehöhe, mit grellweißen Flächen, vielfach gebrochenen Glasfronten und Lamellen zur Tageslicht-Regulation, mit vielen vertikalen Durchblicken und Ausschnitten auch innerhalb des Museums, das in seinem zentralen Raum kathedralenartig hoch ist und den Besucher mit Brücken und sanft ansteigenden Rampen durch die Räume gleiten lässt.
Mit diesem Konzept, mit seinem Bekenntnis zum Licht und zur Transparenz hat Richard Meier nicht nur Innenräume konstruiert, in denen die Bilder wunderbar wirken können; er hat natürlich auch selbst ein Kunstwerk geschaffen, das in seiner ostentativen, funktionalen Schönheit und Schlichtheit Menschen möglichst aller Kulturen und Bildungs-Standards ansprechen soll.
Durch die vielen Fensterflächen blickt man auf den herbstlichen Park, in dem reiche ältere Damen ihre Pudel spazieren führen; drinnen hängen die wesentlichen Maler der deutschen Nachkriegsmoderne, Baselitz, Richter, Polke, und das in ganzen Ensembles. Die Sammlung Frieder Burdas spiegelt auch die Geschichte der Bundesrepublik. Paradigmatisch vielleicht die frühen Arbeiten von Gerhard Richter, etwa das nach einem Foto gemalte Party-Bild von 1962, auf dem die Figuren des Showmasters Vico Torriani und seiner Gute-Laune-Miezen aufgeschnitten, mit hervorquellender roter Farbe befleckt und die Wunden dann wieder vernäht wurden. So kämpfte man damals gegen den Adenauer-Staat, und der Millionärs-Sohn Frieder Burda war später seltsam angezogen von diesen Malern.
Der späte Gerhard Richter taucht im Hauptschiff des Museums dann in anderer Funktion auf, als Malerfürst mit riesigen Formaten, mit diesen wilden, expressiven Farblandschaften. Das sind die stärksten Bilder: Polkes Pixel, Raster und Tapetenmuster, hinter denen die Menschen mystisch verschwinden; die Kopf stehenden Figurationen des DDR-Emigranten Georg Baselitz; Richters Farbmantschereien.
Der Nachteil seiner Art des Sammelns wird von Frieder Burda gar nicht verschwiegen: er kauft nicht systematisch, wie ein staatliches Museum, sondern nur die Bilder, zu denen er einen emotionalen Zugang findet. Die Methode hat also ihre Mucken: wichtige deutsche Künstler fehlen, am meisten vermisst man Beuys. Die amerikanische Nachkriegsmoderne ist dann mit Rothko, Pollock und Clifford Still prominent vertreten, allerdings mit nur wenigen und nicht unbedingt herausragenden Arbeiten. Der späte Picasso, lange verfemt, wird von Frieder Burda vehement in Szene gesetzt; die verdrehten Gesichter und Körper ineinander geschraubter Paaren nehmen fast ein ganzes Stockwerk ein.
Jenseits der gläsernen Verbindungsbrücke, in der Staatlichen Kunsthalle, gibt es ein großes antimilitaristisches "Zyklopen"-Triptychon des linken Pathetikers Markus Lüpertz und viele kleine Kabinette - im wichtigsten nimmt uns der Über-Maler Arnulf Rainer mit auf einen Kreuzweg, zu einer schwarzen Messe. Auch die alte Kunsthalle ist also derzeit mit Exponaten von Burda bestückt - auch mit schwächeren Arbeiten: ob der surreale amerikanische Pop-Humorist William Copley oder Eberhard Havekost und Alex Katz mit ihren klinisch leeren Landschaften wirklich wichtige Positionen vertreten, scheint eher zweifelhaft.
Natürlich ist das Museum Burda eine Bereicherung für die oberrheinische Region - allerdings: die wirklich herausragenden, die noch besseren Bilder der Epoche sind in den staatlichen Museen zu sehen. Burdas Sammlung ist eine wichtige Ergänzung, doch sie kann für sich allein keinen Überblick verschaffen. Es lohnt sich also, in all dem Medien-Jubel über das selbstlose bürgerschaftliche Engagement des kritischen Millionärs-Sohns kurz innezuhalten und die Sache zu überdenken.
Natürlich, das Geld für Frieder Burdas kulturelle Unternehmungen kommt aus ideologisch seltsamen, aber ansonsten sauberen Quellen, aus einem Illustrierten-Imperium - das ist anders als bei der Sammlung Flick. Und Frieder Burda stellt keine Forderungen: er gibt, weil er andere teilhaben lassen und sich selbst ein bisschen verewigen möchte.
Aber brauchte Baden-Baden unbedingt dieses Museum? Die Wahl des Standorts ergab sich vor allem durch die Nähe zur Villa Burda. Baden-Baden, die Stadt der Schönen und Reichen, der Witwen und Goldkettchenträger, gilt nicht unbedingt als Mekka der klassischen Moderne. Und auf dem Feld der Gegenwarts-Avantgarde sorgt bereits die Staatliche Kunsthalle mit Ausstellungen und Symposien immer wieder für Furore. Hätten also politische (und nicht persönliche) Erwägungen eine Rolle gespielt, man hätte das Museum anderswo gebaut - vielleicht im viel größeren, studentischen Freiburg, wo die Moderne noch kein wirkliches Zuhause hat. Und ist es nicht so, dass das gerade erst etablierte Sammlermuseum im Karlsruher ZKM durch den Abzug der Burda-Bilder ausblutet? Auch die Sammler Weishaupt und Fröhlich haben ihre Bilder mittlerweile dort abgezogen, und ZKM-Video-Chef Peter Weibel riss sich den freiwerdenden Platz dankend unter den Nagel.
Von einem übergreifenden kulturpolitischen Konzept der baden-württembergischen Landesregierung kann also keine Rede sein: sie nimmt, was gerade kommt. Freundlicherweise kommt nun das Burda-Museum. Aber es trägt viel zur Vernebelung der wahren Lage bei. Die Ankaufspolitik Burdas wird von ihm allein bestimmt, von seinen Vorlieben, von privaten Beratern; kein kunsthistorisch kompetentes Gremium etwa der Staatsgalerie wacht darüber. Immerhin finanziert Burda auch den Betrieb seines Museums selbst. Das ist ehrenhaft. Aber es ist nicht Politik, sondern ein Lotteriespiel, wenn jetzt jede größere Stadt auf einen potenten Sammler hoffen soll, der sich ähnlich anständig benimmt wie Frieder Burda. Und der doch nur seine Lieblingsbilder aufhängt.
Burda will mit der nebenan liegenden Staatlichen Kunsthalle gemeinsame Ausstellungen veranstalten: als erstes plant er eine Beckmann-Schau - denn auch er selbst hat einige von seinem Vater geerbte Expressionisten in der Sammlung, und Beckmann hat diverse Bilder in Baden-Baden gemalt. Offenbar ist das der neue Weg: Privatiers und Staat schwer verliebt und Hand in Hand. Aber auch die baden-württembergische Landespolitik sollte wissen, dass Sammler unberechenbare Wesen sind. Und dass das systematische Sammeln von Kulturgütern Aufgabe der öffentlichen Hand bleibt. Derzeit ist die Stuttgarter Staatsgalerie, was den Ankaufs-Etat betrifft, arm wie eine Kirchenmaus - es kaufen die Sammler. Langfristig kann das nichts Gutes bedeuten.
Und so wollen wir den großherzigen Museumsbau des Frieder Burda loben, loben, loben. Er ist eine gute Tat. Aber: ein Modell für die Zukunft ist er nicht.
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