Wer sich auf ein Blind Date mit Cornelia Schleime einläßt, sollte sich warm anziehen: Wahrscheinlich kommt ihm ein Häschen im rosa Ballkleid entgegen. So sieht jedenfalls das 2007 entstandene Bild aus, das der Ausstellung den Titel gibt: Blind Date mit einem seltsamen Mensch-Tier-Wesen, einer Mischung aus Mädchen und Bunny und Osterhase - oder sollte sich der Beuys-Hase neu verkleidet haben?
Natürlich ist die wirkliche, die Künstlerin Cornelia Schleime ganz anders, aber das ironische Spiel mit den Identitäten zieht sich durch die Ausstellung - Bilder von Nonnen und vom Papst, von Jagdhunden und Liebespaaren, was zum Teufel soll das? Die Motive der Bilder wirken unendlich banal von Weitem, aber wer näher herangeht, der sieht auf einmal: Diese Gesichter sind wie Landschaften, schrundige Schultern, zerrissene Backen, verätzte Stirnen, expressive Farbüberlagerungen, Materialschlachten, die sich in einem mühevollen, körperlichen Akt des Malens ereignet haben.
Sehr oft war Cornelia Schleime in Museen noch nicht zu sehen, aber ihre Vorgeschichte als DDR-Punk und große Unangepasste - und ihr (von der Kritik viel besprochener) Liebes-Stasi-Roman Weit fort - lassen das Publikumsinteresse sprunghaft ansteigen. Schleime hat keinerlei Nähe zu den symbolisch aufgeladenen Modetendenzen figurativer Malerei; für sie ist das Authentische, der Zusammenhang von Leben, Arbeiten, Kunst und auch Sexualität entscheidend. Schleime arbeitet aber nicht autobiographisch, wie man zunächst meinen könnte, sondern geht immer Umwege. Als ihr Vater starb, malte sie statt seiner den sterbenden Papst - einmal melancholisch, ein trauriges Gebirge von Gesicht, einmal ironisch: Der Oberhirte spreizt zwei Finger wie eine Brille vor sein Gesicht und blickt offenbar nicht recht durch. Titel: ich sehe was, was ihr nicht seht. Sehr katholisch ist das nicht.
Die weitaus leichter und flüssiger wirkenden Aquarelle zeigen dann surreale Traumgespinste: Mutationen, Metamorphosen. Aus einem Froschleib wächst ein Kopf, man sieht kopulierende Tiere, Käfer, Pflanzen. Was bei den Aquarellen direkt aus dem Unbewussten zu kommen scheint, ist in den Ölbildern harte Kompositionsarbeit. Und mit den Tieren ist das so eine Sache: Cornelia Schleime war Pferdepflegerin, jetzt ist sie Kunstprofessorin. Das soll erst mal einer nachmachen.
"Frauen sind zu maximal für den Minimalismus", sagt Herr Weishaupt. Herr Weishaupt ist ein Sammler, der gerade in Ulm ein Weishaupt-Museum gebaut hat, und Elke Krystufek fragt nun Herrn Weishaupt, ob es demnächst eine Weishäuptinnen-Sammlung geben könne und ob sie da eine Chance habe. Wohl eher nicht. Pech für Herrn Weishaupt, dass das nun alles im Ulmer Museum an der Wand aufgeschrieben ist; Künstlerhände beschmieren Tisch und Wände.
Elke Krystufek ist eine sehr gute Malerin, die Museen nicht bespielt, sondern besetzt. Die manisch Selbstportraits malt (die wie eine bunte Wunde sind) und die Ränder dann vollschreibt mit ihren Wiener Sarkasmen, voller Selbstironie und manchmal voller Verzweiflung. Krystufek hat mit 18 angefangen, bei Arnulf Rainer zu studieren, der für seine Übermalungen der Kopien anderer Bilder berühmt ist. Jetzt ist Krystufek 38, und ihre Ausstellungen eignen sich die gesamte Kunstgeschichte aus weiblicher Sicht an. Die Ulmer Museumsdirektorin Brigitte Reinhard hat ihr Haus in einem Anfall von Wagemut Frau Krystufek anvertraut. Die verbrachte zwei Nächte im Museum und umspielte die Werke von Maria Lassnig, Nancy Spero, Eva Hesse, Candida Höfer, Kiki Smith mit ihren Texten. Dabei finden sich so erstaunliche Erkenntnisse wie die, dass vor allem kleine Männer an den Penisneid glauben, Frauen sich aber doch den Penis aussuchen können, den sie gerade haben wollten und also nicht neidisch seien. Daneben hängen mittelalterliche Bildnisse ehrwürdiger Zunftmeister und die Überschriften vergangener Ausstellungen, die Krystufek einfach weiterschreibt. Wer hätte gedacht, dass aus dem Label Madonna und femme fatale einmal Mohammed et les hommes fatales werden könnte?
Die Comtesse de Castiglione, zeitweise Geliebte Napoleons III., hat sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts über einen Zeitraum von 40 Jahren von dem Hoffotografen Pierre-Louis Pierson portraitieren lassen - in höchst unterschiedlichen Rollen und Kostümierungen. Von der Alkoholikerin bis zur Kurtisane, von der Trauernden bis zur dolchtragenden Rächerin inszeniert sich dort eine Person, die sich über ihre wahre Identität, wenn es die gegeben haben sollte, offenbar unklar war.
Dass gerade die Fotografie (schon in ihrer Frühphase) zum Medium weiblicher Selbstvergewisserung wurde, hat seine Gründe. Frauen waren an den Kunstakademien nicht zugelassen, und mit der technischem Apparatur ließ sich vergleichsweise unaufwendig und zeitsparend eine Vielzahl von Selbstentwürfen produzieren. Die Kuratorin Inka Graeve Ingelmann hat diesen Prozess der Identitätserkundung und Selbstinszenierung in der Münchner Pinakothek der Moderne nachgezeichnet - nicht systematisch, sondern anhand von ausgewählten Positionen aus 150 Jahren Fotografiegeschichte.
Die Ausstellung hat einen dezent feministischen Unterton, und in der Tat spielt der Titel Female Trouble ja auf Judith Butlers Gender Trouble an, also auf eine Theoriemeinung, die Geschlecht nur noch als vielfach zusammengesetztes gesellschaftliches Konstrukt begreift. Die Schau ist allerdings ein Beweis dafür, dass der Körper nicht nur ein Text ist, der gelesen werden kann, sondern vor allem ein Subjekt, das leidet. Die surrealistischen Inszenierungen von Weiblichkeit aus den zwanziger Jahren, als zum ersten Mal die lesbische Liebe in den Blick kommt, zeigen die Verpuppung der Frau in Konventionen oder die Verfremdung einzelner Körperteile - etwa der Brüste als Kugeln vor einem Spiegel bei Florence Henri.
Der unbestimmte Ausbruchswunsch aus bürgerlichen Konventionen, der Ende des 19. Jahrhundert in den Bildern der englischen Lady Clementina Hawarden noch mit Spiegelungen und offenen Fenstern instrumentiert ist, wird zunehmend sexualisiert, je näher man der Frauenbewegung und der Gegenwart kommt - bisweilen in verzweifelt masochistischen Inszenierungen. Man sieht zum Beispiel die selbstverstümmelnden Körperquetschungen und -fragmentierungen der 1985 gestorbenen Kubanerin Ana Mendieta. Die Schau stellt aber auch eher unbekannte Positionen vor: Die virtuosen Schwarzweißbilder der 1981 sehr jung durch Selbstmord gestorbenen Francesca Woodman, die sich selbst nackt in Abbruchhäusern inszeniert hat, könnte man als eine Geschichte des Verschwindens lesen.
Es gibt in dieser Münchner Ausstellung nur Außenseiter - die geächtete lesbische Liebe, die ins Bizarre gezogenen Schwulen-Posen des Jürgen Klauke, Nan Goldins Transvestiten, die ruppigen, maskulinen Allüren der Sarah Lucas. In den Videos entsorgt Mathilde ter Heijne ihr Alter Ego schmerzerfüllt in einen Fluss, und Monica Bonvicinis Filmsequenzen raunen dunkel von Frauen, die schießen. Dass man das weibliche Aufbegehren auch überleben kann, zeigt der Fall des Peter Weibel: 1968 wurde er von Valie Export als Hund an der Leine durch die Stadt Linz geführt, heute ist er Direktor des Karlsruher ZKM. Immerhin.
Cornelia Schleime: Blind Date. Kunsthalle Tübingen, bis 7. September. Katalog 34 Euro.
Elke Krystufek: Power Change - Initiated by a Woman. Ulmer Museum, bis 31. August.
Female Trouble - die Kamera als Spiegel und Bühne weiblicher Inszenierungen. München, Pinakothek der Moderne, bis 26. Oktober. Katalog 34 Euro.
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