Gertrud Höhler, die Beraterin von Helmut Kohl und Alfred Herrhausen gewesen ist, hat sich für ihr Buch „Die Patin“ selbst eine PR-Beraterin geholt, Claudia Cornelsen, die ihrer eigenen Webseite zufolge die Pionierin der Personality-PR in Deutschland ist. Bei Höhlers Verlag Orell Füssli in der Schweiz war so vorab nur zu erfahren, dass man keine Rezensionsexemplare versende, die bekomme man erst auf der Pressekonferenz, einen Tag vor Erscheinen des Buchs.
Natürlich war davon auszugehen, dass ausgewählte Journalisten das Buch früher erhalten würden. Wie naiv Cornelsen und Höhler auf eine Hofberichterstattung spekulierten, erstaunt dann aber doch. Anders jedenfalls ist ein Brief schwer zu erklären, der drei Tage vor der Buchvorstell
r drei Tage vor der Buchvorstellung an Cornelsens Presseverteiler verschickt wurde. Adressiert war der Brief an den Journalisten Ralf Neukirch, der tags zuvor im Spiegel unter der Überschrift „Im Widerstand“ ein wenig schmeichelhaftes Höhler-Porträt veröffentlicht hatte. Neukirch lässt Höhler darin mit ihrer These, die Kanzlerin habe den Pfad der Demokratie verlassen, ziemlich dumm dastehen: „Merkel in eine Traditionslinie mit den deutschen Diktatoren des 20. Jahrhunderts zu stellen, darauf ist bislang niemand gekommen“. Und er spricht offen an, dass Höhlers „Furor“ daher rühren könnte, dass sie in der CDU unter Merkel keine Rolle mehr spielt.Keine klaren AussagenMan kann verstehen, dass niemand so etwas gerne über sich liest. Oder über eine Frau, für deren Personality-PR man verantwortlich ist. Cornelsen nennt Neukirch in ihrem Brief einen „Halunken“ und seinen Text ein „Lehrstück für zynische Diffamierung“. Es gehe ihr als „gelernte Journalistin“ hier um „nichts weniger als das Selbstverständnis unserer Branche“. Der Brief ist über eine DIN A4 Seite lang und endet mit dem Vorwurf, Neukirch habe das Vertrauen in einen redlichen Journalismus insgesamt aufs Spiel gesetzt und sie hoffe nun auf seine Kollegen, die nach Neukirchs „(geduldetem) Fehlstart“ in der Pressekonferenz „alle gleichzeitig“ an den Start gehen werden. Zwei Tage vor der Pressekonferenz sind Höhler und ihr Buch Gegenstand der Seite-Drei-Reportage der Süddeutschen Zeitung. Was Renate Meinhof dort unter dem Titel „Die Abkanzlerin“ schreibt, ist vernichtend. Einen Tag vor der Pressekonferenz sagt Höhler ein Interview mir 3sat bei ihrer Ankunft im Studio ab, weil ihr der Tenor der Fragen missfällt.Als Gertrud Höhler dann vor der Presse über ihr Verhältnis zu den Medien spricht, verwendet sie das Wort „arglos“. Man sitzt ein wenig fassungslos vor diesem Wort, das einfach nicht zu Höhler passen will. Nicht zu ihrer Biografie, nicht zu ihrem Auftreten in den Talkshows und erst recht nicht zu der Person, die nun hier steht, im Haus der Bundespressekonferenz, wo sie und ihre Beraterin entschieden haben das Buch vorzustellen, und mit scharfem Blick und festem Lächeln auf die anwesenden Journalisten blickt. Sollte Höhler arglos gewesen sein, dann hat sie sich mit der Arglosigkeit einer Risikokapitalanlegerin verspekuliert.Todernstes und leidenschaftliches BuchGertrud Höhler kritisiert in ihrem Buch diese „offenen Merkel-Sätze, die sich multifunktional jeder Deutung fügen“. Wer deshalb eindeutige, klare Aussagen von Höhler erwartet hatte, wird enttäuscht. Sie beklagt, dass der Inhalt dieses Buches, mit dem es ihr so todernst sei und das sie so leidenschaftlich geschrieben habe, nun auf eine Personaldebatte reduziert werde. Wenn man Höhler aber fragt, was denn das „System M“ ausmache, jenseits von Angela Merkels Person, bleibt sie die Antwort schuldig. Was sie über Merkel selbst sagt, ist dies: Die Kanzlerin sei eine sehr sympathische Persönlichkeit, so habe sie selbst sie immer wieder im Gespräch erlebt, sehr diszipliniert, sie habe mit ihr keinen Streit. Wenn wir auf Krawall hofften, müsse sie uns enttäuschen. Andererseits wirft sie Merkel vor, diese habe wiederholt die Verfassung gebrochen, sie infiltriere legale Strukturen mit illegalen Handlungen – weshalb übrigens nicht nur sie, Gertrud Höhler, auf die Idee gekommen sei, Merkel die Patin zu nennen. Und in der Tat ist auf dem Buchrücken ein Ausschnitt aus der BILD-Zeitung abgedruckt. Aber ist es klug, wenn man auf journalistische Redlichkeit pocht, die Bild-Zeitung als Kronzeugin zu berufen? Höhler erzählt Anekdoten aus Merkels Vergangenheit, deren Relevanz für den Diskurs, den Höhler für sich beansprucht führen zu wollen, nicht erkennbar ist: Dass Merkel immer schweigend dagesessen habe, wenn ihr Vater Gesellschaften um sich versammelte, wie frustriert die junge Physiker in Chemnitz gewesen sei, wenn um 16 Uhr im Labor das Licht ausging. Die Widersprüchlichkeiten, in die Höhler sich immer tiefer verstrickt, bringt dieser Satz wohl am besten auf den Punkt: „Ich habe überhaupt nicht vor, eine Ost-Legende zu schreiben. Aber ich kann doch nicht verändern, dass sie 35 Jahre in diesem System gelebt hat.“Höhler schreibt in ihrem Buch „das System M etabliert eine leise Variante autoritärer Machtentfaltung, die Deutschland so noch nicht kannte“ und listet Übereinstimmungen mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts auf. Aber auch auf diesen Punkt angesprochen, fühlt sie sich diffamiert: „Der Satz wir sind auf dem Weg in die Diktatur steht nicht in meinem Buch.“ Sie sehe aber totalitäre Merkmale: „Wenn man das nicht sagen darf …“Gertrud Höhler wäre gut beraten, zumindest diesen Satz in den kommenden Wochen nicht zu wiederholen.