Die Bar Rossi liegt in Hamburg direkt bei mir um die Ecke. Im Wallpaper-City-Guide wird sie als eine der schönsten Bars der Stadt geführt. Eigentlich spräche alles dafür, dort ab und zu auf einen Drink hineinzugehen. Stünden wenigstens ab und zu mal nicht nur Männer in Business-Klamotten der schäbigeren Sorte vor der Tür.
Wie praktisch also, als sich herausstellt, dass die Journalistinnen der Initiative „Pro Quote“ hier mit einer Party ihre ersten Erfolge feiern wollen. Ende Februar haben sie sich mit einem Brief an die Chefredaktionen der Medienhäuser gewandt und darin gefordert, dass mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den nächsten fünf Jahren mit Frauen besetzt werden sollen. Seither haben über 3.000 Journalistinnen und Journalisten den Aufruf unterzeichnet, rund 200 sind an diesem Samstag zur ersten Vollversammlung nach Hamburg gekommen.
Was dort besprochen wurde? Das war „unter drei“ – sprich vertraulich und nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Wer etwas zum Veröffentlichen bekommen will, der kann sich im Anschluss mit taz-Chefin Ines Pohl, Spiegel-Redakteurin Rafaela von Bredow, WDR-Moderatorin Lisa Ortgies und Helene Endres vom Manager Magazin in der noch leeren Bar zu einem Pressegespräch treffen, was zu der Situation führt, dass eine Hand voll Journalistinnen einer Hand voll Journalistinnen gegenübersitzt, und die eine Hälfte die andere befragt.
Abwartende Frauen
Ines Pohl berichtet, dass viele von einem Klima der Angst in ihren Redaktionen erzählten, was manche Kolleginnen von der Unterschrift abhielte. Nun soll schnellstmöglich ein Verein gegründet werden, damit es weiter geht, „denn die Chefredakteure fangen nun an, Dinge zu versprechen, und die Frauen verhalten sich loyal und warten ab“.
Wie die vier Initiatorinnen dort sitzen und soviel Selbstbewusstsein, Charisma und Spaß an der Sache ausstrahlen, dass man jeder drei Chefposten parallel zutrauen würde, drängt sich eine Frage aber doch auf: Erreicht „Pro Quote“ denn auch Lokalredaktionen, wo Gendermainstreaming vermutlich ein Fremdwort ist? Der Rücklauf sei tatsächlich gering, bestätigt Pohl, da müsse man an die Verleger ran.
Rafaela von Bredow erzählt unter Gelächter vom Chefredakteur einer norddeutschen Tageszeitung, der geantwortet habe, er würde ja gerne Frauen einstellen, aber die abgebildeteten Journalistinnen auf der Website von „Pro Quote“ sehe er in Berlin, Hamburg und München, nicht bei sich vor Ort in Gummistiefeln im Dreck. „Der Leidensdruck“, sagt von Bredow, sei bei den Frauen so groß, dass einfach etwas geschehen müsse – und dann muss sie selbst über diese Formulierung lachen, und schließlich können alle vier nicht mehr verbergen, dass es sie nach oben in den Club drängt, wo wohl längst gefeiert wird.
Oben wird man von einer Geräuschkulisse empfangen, wie man sie sonst eher aus Schwimmbädern als aus Clubs kennt. Zweihundert Stimmen vermengen sich zu einem warmen Brummen, das in an- und abschwellenden Wellen durch den Raum schwappt. Es wird viel gelacht.
Der DJ muss für einen Moment sein Pult räumen, hinter das mit warmen Worten und einem kurzen Dank dafür, dass sie „denen beim Spiegel in der entscheidenden Phase den Rücken gestärkt“ hat, Ursula von der Leyen gebeten wird. Der Hinweis, dass nicht nur sie, sondern auch ihr Mann hier ist, wird mit Applaus bedacht. Von der Leyen, Arbeitsministerin und CDU-Vorkämpferin für die Frauenquote, spricht dann ebenfalls ein paar warme Worte über „diesen super Brief, den sie da geschrieben haben“ und sagt, dass sie es leid sei, jedes halbe Prozent zu bejubeln, während sich dort, wo die gläserne Decke am stärksten sei, nichts geändert habe. Das ist natürlich alles gut und richtig, aber für keine hier neu. Was da beim Spiegel los war, klingt schon interessanter.
Im Slalom also auf durch die brummende Menge zu Spiegel-Redakteurin von Bredow, die mich kurzerhand zu Ursula von der Leyen zieht. Die ist von Journalistinnen mit leeren Tellern in der Hand umringt, und erzählt gerne, wie sie Anfang vergangenen Jahres zur Blattkritik beim Spiegel geladen war und „eine Riesen-Diskussion losgetreten hatte“, die dazu führte, dass die Chefredaktion an dem Titel „Warum Deutschland die Quote braucht. Eine Streitschrift“ nicht vorbeigekommen ist.
„Den schnapp ich mir“
Bei den Parteikollegen sei ihr Interview-Plädoyer für die Quote in jener Ausgabe allerdings gar nicht gut angekommen. „Die Koalition, … die Kanzlerin!“ Von der Leyen verdreht die Augen. Und will gerade fortfahren, als sie die Möglichkeit einer Fortsetzung ihrer Kampagne unter anderen Bedingungen sichtet. Sie hat den Spiegel-Chefredakteur entdeckt: „Herr Mascolo, den schnapp ich mir!“
Zeit, sich mit den wenigen anderen anwesenden Männern einmal zu unterhalten. Der Erste, den ich abpasse, erzählt, dass er für die Website der Initiative verantwortlich ist. Ob er denn auch für die Quote ist? „Na klar!“ Unser Gespräch ist dann beendet, weil er von seiner Partnerin quasi weggeküsst wird. Ein Blick durch den Raum bestätigt, dass die meisten wohl in einer ähnlichen Funktion wie Heiko von der Leyen hier sind.
Ich spreche mit zwei Volontärinnen vom Bremer Weser Kurier, bei dem sie nur zu dritt den Aufruf unterschrieben haben, was die Volontärinnen ziemlich bedauerlich finden – vor allem vor dem Hintergrund, dass der Chefredakteur mit dem Gummistiefel-Argument bis vor Kurzem noch ihr stellvertretender Redaktionsleiter war.
Über den Rest des Abends würde ich nun selber allenfalls „unter drei“ berichten. Nur so viel sei gesagt: Auch ich habe viel gelacht, ob all der Geschichten von Ressortleitern, die sich wie Gorillas gebärden und einem Vorstandsvorsitzenden, der zum Telefon griff und die Nummer eines Chefredakteurs wählte, weil er Angst vor einer Quoten-Kampagne hat.
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