Willig

Zwietracht gesät Seehofer plant nun doch, die Gentechnik zu fördern

Dem bayerischen Benediktinerkloster Plankstetten ist Horst Seehofer (CSU) eng verbunden. Erst vor wenigen Wochen hatte sich der Bundeslandwirtschaftsminister dort bei einem Besuch im Kloster den Geist derer einhauchen lassen, die der so genannten Grünen Gentechnik kritisch gegenüberstehen. Es wurde von einer sehr lebhaften Diskussion vor ausverkauftem Haus berichtet, bei der dem Minister viel Lob für seine bis dato eher von Skepsis geprägte Politik zuteil wurde.

Doch der Geist von Plankstetten scheint den Herrn Minister nicht besonders nachhaltig beseelt zu haben. In der vergangenen Woche wurde ein Gesetzentwurf aus seinem Hause für eine Novellierung des Gentechnikrechtes bekannt. Demnach hat sich Seehofer bei den Änderungsvorschlägen des unter Rot-Grün verabschiedeten Gesetzes in wesentlichen Streitpunkten an den Forderungen der Gentechnik-Befürworter orientiert. Diese sind traditionell in der Forschung und den großen Saatgutfirmen zuhause - und natürlich bei den auch im Agro-Business aktiven Chemiekonzernen, allen voran Bayer und BASF.

Was steht im Entwurf? Zunächst einmal der Wert für den Abstand zwischen Feldern, auf denen Mais mit und ohne gentechnischer Veränderung wächst. Dieser soll bei 150 Metern liegen. Allerdings kreuzt Mais bei dieser Entfernung regelmäßig aus, wie im Herbst auf einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Landwirtschaft von verschiedenen Experten bestätigt wurde.

Da die europäischen Verbraucher keine gentechnisch veränderten Lebensmittel wollen - und deshalb die meisten der Landwirte darauf verzichten -, versucht die Lebensmittelbranche, eine Kennzeichnung zu vermeiden. Ab 0,9 Prozent transgenem Anteil muss gekennzeichnet werden. Damit dieser Grenzwert angewendet werden kann, ist nachzuweisen, dass die Verunreinigung zufällig oder technisch nicht zu vermeiden gewesen ist. Die Abstandsregel droht also ins Leere zu laufen, wenn sie eine entsprechende Verunreinigung nicht vermeidet.

De facto werden in der verarbeitenden Industrie sowieso deutlich geringere Prozentwerte gefordert, um einen Puffer zum gesetzlichen Grenzwert zu bewahren. Wer entsprechende Schäden in Zukunft ausgleichen wird, ist weiter offen.

In dem Entwurf wurden die Fragen zur Haftung, einem der zentralen Streitpunkte in den vergangenen Monaten, nicht geklärt. In üblicherweise gut informierten Kreisen wird von einem weiteren Termin gesprochen, bei dem Seehofer - zum wiederholten Male - die Standpunkte der Beteiligten anhören will.

Eine andere Neuerung betrifft die Veröffentlichung der Anbauorte. Können heute die genauen Koordinaten von Maisfeldern mit gentechnisch veränderten Sorten im Internet nachgesehen werden, plant Horst Seehofer, diese Transparenz einzuschränken. In Zukunft soll nur noch die Gemarkung, in der ein Feld mit gentechnischem Anbau liegt, veröffentlicht werden. Damit erfüllt er eine Forderung der Forschung. Detaillierte Angaben könnten dann nur noch von einem speziellen Kreis von Menschen bei der Behörde angefragt werden. Wer dies genau sein wird, ist nicht im Detail geregelt. Vielfältige Initiativen machen derzeit in Aktionsbündnissen und gentechnikfreien Regionen gegen die Agro-Gentechnik mobil. Klar ist aber schon jetzt, dass diese regionalen Gruppen in Zukunft mehr Probleme haben werden, an die detaillierten Informationen zu kommen. Das Argument, das lange Zeit als Begründung für diese Einschränkung der Transparenz herhalten musste, wurde unlängst hochoffiziell vom Ministerium entkräftet: Nach der Einführung des öffentlichen Registers im Jahre 2005 konnte kein Anstieg der Feldzerstörungen festgestellt werden. Die Auskunft bezieht sich auf Freisetzungsversuche, da der kommerzielle Anbau erst im selben Jahr begann und somit keine Vergleichszahlen zur Verfügung stehen.

Dass es das Haus des Agrarministers derzeit mit den Forschenden gut meint, zeigt auch die Genehmigung für ein aktuelles Freisetzungsvorhaben. Eine von Seehofers Behörden hat einen Versuch mit gentechnisch veränderten Erbsen am Standort von Deutschlands mit Abstand bedeutendster Genbank in Gatersleben genehmigt. Dagegen waren 75.000 Unterschriften gesammelt worden.

Nach zwischenzeitlichem Zögern scheint Seehofer nun doch willig, dem Ruf von der Freiheit der Wissenschaft und Innovation auf Kosten des Verbraucherschutzes zu folgen. Kann sein, dass bald wieder ein Termin im Kloster Plankstetten fällig ist.

Christof Potthof ist Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerks in Berlin.


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