der Freitag: Herr MacAskill, wann haben Sie beschlossen, die Welt zu verbessern?
William MacAskill: Während meines Studiums. Ich habe eine Zeit lang in Äthiopien gearbeitet, wo ich jeden Tag mit extremer Armut konfrontiert war. Da habe ich die Entscheidung getroffen, mein Leben von nun an meinen moralischen Werten anzupassen. Zurück an der Universität in Oxford habe ich Verbündete gesucht und begonnen, aktiv über Möglichkeiten nachzudenken, wie man die Situation der Ärmsten verbessern kann.
Wieso ist es manchen ein so viel dringenderes Anliegen zu helfen als anderen?
Darauf habe ich nur eine relativ langweilige Antwort. Wenn man sich ein Schwimm-Team anschaut, kann man sich auch fragen: „Wieso schwimmen die so gern?“ So ist es mit dem Helfen auch. Man muss einfach Menschen finden, die darin aufgehen. Ich glaube, es sind reflektierte Leute. Sie sind Argumenten meist stärker zugänglich als Emotionen.
Will man nicht in der Regel aus emotionalen Motiven helfen?
Darauf wird meistens der Fokus gelegt, aber man sollte mehr an den Verstand der Menschen appellieren. Nur das braucht Zeit. Zu einer schnellen Spende kann man durch emotionale Appelle bewegen, aber die Entscheidung, auf lange Sicht zurückzustecken, braucht viel Zeit.
Zur Person
William MacAskill, geboren 1987, ist Professor für Philosophie an der Universität Oxford und ein Vordenker des Effektiven Altruismus. Gerade ist sein Buch Gutes besser tun (Ullstein) auf Deutsch erschienen
Der Effektive Altruismus ist eher pragmatischer Natur?
Unser Fokus liegt darauf, so viel Gutes wie möglich für andere zu erreichen. Wir suchen nach Wegen, um Zeit und Geld auf die effektivste Art und Weise dafür einzusetzen. Ich konzentriere mich dabei auf fünf Fragen, die ich für essenziell halte: Wie viele Menschen profitieren davon? Ist dies das Wirksamste, was ich tun kann? Ist dies ein vernachlässigter Bereich? Was wäre andernfalls geschehen? Wie gut sind die Erfolgsaussichten? Mit den Kriterien lassen sich individuelle Wege finden, möglichst viel mit den eigenen Ressourcen zu erreichen.
Mit Ausnahme von Menschen, die einen überdurchschnittlich hohen Einfluss in der Gesellschaft haben, bedeutet das für Sie, dass man mit Geldspenden am meisten erreichen kann.
Das stimmt. Für die meisten Menschen ist das der einfachste und effektivste Weg.
Das erinnert an die englische Redewendung „throwing money at the problem“. In Ihrem Buch schreiben Sie, dass man entweder ein Jahr lang vegetarisch leben oder fünf Euro an die richtige Organisation spenden kann. Das Ergebnis sei dasselbe. Kann man sein Gewissen also freikaufen?
Man sollte sich gut überlegen, wie viel man im Zeichen der Wohltätigkeit entbehren will. Das Ziel ist es, Gutes für andere zu tun. Nur darum geht es. Nicht darum, dass man selbst plötzlich ein besserer Mensch werden muss. Wenn man viel helfen kann und gleichzeitig wenig zurückstecken muss, ist das prima! Vegetarier zu werden wirkt sehr vorbildlich. Prinzipiell habe ich auch nichts dagegen, den Lebensstil an ethische Vorstellungen anzupassen, aber wenn man sich die Zahlen anschaut, bringt das fast immer geringere Resultate, als seine Zeit zu Geld zu machen und dieses Geld richtig zu spenden.
Was bedeutet das im Alltag?
Das Wichtigste ist, wirklich eine Entscheidung zu treffen und sich dann auch auf lange Sicht daran zu halten. Ich habe zum Beispiel ausgerechnet, dass ich von 24.000 britischen Pfund im Jahr leben kann. Alles, was ich zusätzlich verdiene, spende ich. Mit diesen 24.000 Pfund kann ich aber dann auch tun, was ich will, und muss mich nicht bei jeder Kaufentscheidung fragen, ob ich das auch wirklich brauche.
Sie raten, Berufe zu ergreifen, bei denen man möglichst viel Geld verdienen kann, um mehr spenden zu können. Was bedeutet das für Künstler oder generell Berufsgruppen, die schlecht bezahlt werden?
Das könnte man sich fragen, wenn man den Gedanken durchspielt, dass alle Menschen sich am Effektiven Altruismus orientieren. Das tue ich aber nicht, denn: Das wird auch nicht passieren. Würde es in einer perfekten Welt noch Künstler geben? Ja. Ist es ratsam, im Moment, so wie die Welt ist, Künstler zu werden? Eher nicht.
Ist es nicht wichtig, sich die Frage „Was wäre, wenn das alle machen würden?“ zu stellen, wenn man eine Ideologie entwickelt?
Ich finde, das wird im modernen Denken generell überschätzt. Manchmal kann die Frage hilfreich sein, aber ich halte sie eher für gefährlich. Die Menschen hängen sich an einer bestimmten Vision auf und überlegen, wie sie da am besten reinpassen, auch wenn das in der realen Situation, in der sie sind, nicht besonders sinnvoll ist. Leute wünschen sich zum Beispiel ein kommunistisches Utopia und lenken sich damit ab, anstatt zu überlegen, was sie heute konkret verändern können.
Sie würden gern viele altruistische Menschen in hochrangigen Unternehmenspositionen sehen. Damit stabilisieren sie aber doch ein kapitalistisches System, das Ungleichheit systematisch verstärkt.
Das höre ich oft, aber ich verstehe den Vorwurf nicht ganz. Es gibt natürlich Probleme im Finanzsystem. Wenn Banken zum Beispiel zu groß werden und dann unverantwortliche Risiken eingehen können. Das trifft aber auf Hedgefonds zum Beispiel nicht zu. Ich verstehe, dass man sagt, Wachstum ist schlecht, weil dadurch die Umwelt geschädigt wird. Aber viele Linke sind ja der Meinung, dass Kapitalismus generell schlecht für die Welt sei. Dass die Armen deshalb arm sind. Ich halte das für falsch. Während eines sehr großen Teils der Menschheitsgeschichte haben fast alle in Armut gelebt. In den letzten Jahrhunderten gab es dann Länder mit erstaunlichem Wirtschaftswachstum. Es hätte natürlich viel mehr getan werden können, um Ländern zu helfen, die dieses Wachstum nicht hatten. Bei allen Problemen ist die Globalisierung aber ein Segen für arme Länder.
Die Welt entwickelt sich zum Positiven? Wer zurzeit die Nachrichten verfolgt, kann das kaum glauben.
Die Welt wird gerade viel besser. Das zeigen die Statistiken. Die Lebenserwartung steigt stetig an, die Zahl von Menschen in extremer Armut sinkt. Die globale Ungleichheit nimmt ab. In den Medien wird das selten so dargestellt. Heute ist es für sehr viele Menschen auf der Welt ein besserer Zeitpunkt, am Leben zu sein, als jemals zuvor. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass es nicht noch viel zu tun gibt.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.