Triumph der Graswurzeln

Bombodrom Die Menschen in Nordbrandenburg freuen sich. Die Bundeswehr verzichtet auf ihren Plan, aus der Ruppiner Heide das größte Bombenabwurfsgelände der Bundesrepublik zu machen

Jubel, Freude und Erleichterung hat die gestrige Entscheidung des Verteidigungsministeriums bei Bürgerinitiativen, Anwohnern und Klägern gegen das Bombodrom ausgelöst. Und viele, die den zählen und beharrlichen Widerstand der Bürger vor Ort mitverfolgt und sich ihm solidarisch gezeigt haben, freuen sich mit ihnen. Mit Recht darf der Verzicht der Bundesregierung auf das Luft-Boden-Schießareal in der Kyritz-Ruppiner Heide als Erfolg des Widerstands gewertet werden.

Das Gelände im Norden Brandenburgs zwischen Kyritz, Wittstock und Ruppin mit einer Fläche von circa 12.000 Hektar wurde bereits seit Ende der 40er Jahre durch sowjetische Truppen als Ausbildungsareal und Schießplatz für Panzer und für Luftwaffenübungen genutzt. Die Bundeswehr wollte dieses Gelände seit 1992 zum größten Luft-Boden-Schießübungsplatz der Bundesrepublik ausbauen. Im selben Jahr gründete sich die Bürgerinitiative "Freie Heide", die seitdem gegen das Projekt kämpft. Ihr folgten später weitere Initiativen.

Seit 1996 haben zahlreiche Gerichtsurteile die Bundeswehr immer wieder gezwungen, ihr Vorhaben zu unterlassen, und bestätigt, dass die Bedingungen für eine derartige militärische Nutzung nicht erfüllt seien. Das letzte Urteil in den insgesamt 27 Prozessen gegen das Bombodrom erging im März dieses Jahres und bemängelte, dass die öffentlichen und privaten Belange nicht genügend gegeneinander abgewägt worden seien. Gegen dieses Urteil hätte die Bundeswehr nun Revision anmelden können. Und verzichtete.

Etwas verwunderlich: Dem Jubel schließen sich plötzlich alle Parteien an. Zwar ist bekannt, dass nicht nur der brandenburgische Ministerpräsident Platzeck (SPD) gegen das Bombodrom war – auch sein Vorgänger von der CDU, Jörg Schönbohm, als ehemaliger Generalleutnant der Bundeswehr, lehnte den Luftwaffenübungsplatz ab. Doch die Bundespolitiker von SPD und CDU befürworteten gleichermaßen über viele Jahre das geplante "Bombodrom" und erklärten bis vor kurzem unisono, der Bombenabwurfplatz sei "unverzichtbar". Schön, dass sie eines besseren belehrt wurden. Anfang Juli folgten die Koalitionsparteien gemeinsam mit der FDP im Bundestag einem Antrag aus dem Petitionsausschuss und stimmten gegen die Bombodrom-Pläne. Grünen und Linksparteien ging der Antrag nicht weit genug. Verteidigungsminister Jung (CDU) machte jetzt nur den letzten Schritt.

Dass die Heide nicht unbedingt die geographischen Gegebenheiten widerspiegelt, wie sie Soldaten in Auslandseinsätzen zum Beispiel in Afghanistan vorfinden, und deshalb auch nicht "ideal" ist für militärische Übungsmanöver, liegt auf der Hand. Daher ist naheliegend, dass Verteidigungsminister Jung ankündigt, auf Übungsgelände im Ausland auszuweichen. Dies ist der Wermutstropfen, den die Entscheidung mit sich bringt. Denn ein Verzicht auf die Vorbereitung von Kriegen ist Jungs Entscheidung natürlich nicht.

Anwohner von weiteren Truppenübungsplätzen wie in Siegenburg (Bayern) und Nordhorn (Niedersachsen) hatten gehofft, durch das brandenburgische Bombodrom entlastet zu werden. Doch der Sieg des Bürgerprotests in der "Freien Heide" könnte Vorbild sein und jetzt die Siegenburger und Nordhorner ermutigen, gegen die Belastungen durch Fluglärm und gegen die Schädigung von Natur und Landschaft vorzugehen. Vielleicht verleiht diese Entscheidung dem Widerstand in Bayern und Niedersachsen neue Kraft.

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Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

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