Fachkräftemangel nervt!

CoLyrik Einige Gedanken von Prof. Dr. Rautgunde Rautenberger zum Fachkräftemangel in ihrer Branche...

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der Fachkräftemangel nervt!

Seit Tagen kann ich nicht mehr mit offenen Augen schlafen. Sehstörungen machen mir zu schaffen.

Es nervt. Bislang hatte ich nie Probleme, das ein oder andere Auge zuzudrücken, wenn ich wegschauen wollte. Jetzt nervt mich jeder geringste Blick in die Zukunft, macht mich zeitweise blind.

Alles fing mit einer typischen Handbewegung an, die zu meinem Beruf gehört. Danach machte ich mir Sorgen, ob es meinen Job noch in Zukunft geben wird. Ausländische Piraterie schwächt keineswegs die Branche. Der Zoll findet oftmals nur ansatzweise ähnliche Stellungen, Fingerstellungen, aber ohne die wahre Aussage, die ich mir schon vor vielen Jahren patentieren ließ. Es ist total schwierig auf das angekündigte Fiasko, das von Schwarzmalern bunt ausgemalt wird, einzugehen. Seit ich vor zwei Wochen mit dem Demografie-Rechner arbeitete und zusätzlich stundenlang auf den Fachkräftemonitor klotzte, fühle ich mich von Tag zu Tag schlechter. Inzwischen habe ich ein Tief, als stünde ich auf der Weltuntergangsliste auf Platz zwei für Katastrophen. Wie sieht es mit meiner Zukunft aus? Was passiert mit meinem Job. Kann ich noch prädestinierte Fachkräfte ausbilden, die dann auf dem deutschen Arbeitsmarkt als hochqualifizierte Dienstleister für Politiker und Manager frei verfügbar sind? Dünnbrettbohrer sind dafür wahrlich nicht geeignet und diese Tatsache macht das Ganze nicht einfacher, da die Jugend immer mehr verblödet.

Immer wieder wird auf Fachkräftemangel aufmerksam gemacht. Mein Berufszweig ist tatsächlich massiv vom Aussterben bedroht, da keiner mehr Semester für Semester das Rautenverfahren analysieren, studieren will. Wir diplomierten RautentrainerInnen haben es wirklich nicht leicht, denn der potenzielle Nachwuchs hadert immer häufiger. Dieser Beruf setzt ein breitgefächertes Studium voraus. Außer Schwerpunkt Rauten-Marketing wird eine Menge abverlangt. Psychologie, Soziologie, Gender Studies, Mathematik, Physik, Politik, Internationale Smalltalk-Gestaltungtechniken sind Kernfächer, die für manchen Hochschulabsolventen nicht mehr zu bewältigen sind, da sich 80 Prozent aller Studierenden nur noch auf eine Sache konzentrieren können. Ihre Gedanken schweifen nicht selten ab und befassen sich dann nur noch mit der Beschaffung von Methylphenidat. Wenn ich an den Berufszweig denke, dann jammere ich jetzt, hier und heute bewusst auf hohem Niveau.

Die Hände werden mit speziell entwickelten Methoden intensiv trainiert. Sie werden zum wichtigen Botschafter in bestimmten Situationen und ermöglichen den gezielten Blick des jeweiligen Betrachters durchs rautenförmige Zeitfenster auf den Bauch des Rautenmachers. Gedanken kreisen fortan und setzen viele Fragen in Gang. Wird auf ein politisches Bauchgefühl hingewiesen? Wie dick ist der Bauch, wie schmal die Raute? Es gibt einheitliche Vorgaben, die jede/r gute RautentrainerIn vermitteln kann. Befindet sich die kleine oder große Raute unter- oder oberhalb der Taille? Wird Mütterlichkeit, Güte ausgestrahlt, wenn es eine Rautenmacherin ist? Wird die Raute zum Mysterium? Weist die Größe der Raute auf Macht hin? Promovierte RautentrainerInnen grübeln über neue Techniken, damit zukünftige Rautenprofis mehr Spaß bei der Anwendung haben. Das Rauteneinmaleins ist grundsätzlich das A und O für eine angestrebte Führungsposition, die man nicht im Fernstudium erlernt und deshalb nicht unterschätzen sollte.

Im Moment suche ich händeringend nach jungen Menschen, die Energie und Sachverstand mitbringen, um sich als RautentrainerInnen ausbilden zu lassen. Wenn nicht bald einige talentierte Finger in Bewegungen kommen, stirbt wohl dieser gutbezahlte Job aus.

Danke für Interesse!

Beste Grüße

Prof. Dr. Rautgunde Rautenberger

Frau Prof. Dr. Rautgunde Rautenberger bei der Arbeit:
http://i62.tinypic.com/157g07t.jpg

© Bild: B.W.

© Corina Wagner, 18. Mai 2015

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner