Der ewig »neue« Mensch

GOLEM GOES METROPOLIS Künstliche Menschen bevölkern nicht nur das Science-Fiction-Genre

Nach meiner tiefsten Überzeugung gibt es wenige "echte" Menschen, künstliche dagegen weit mehr«, sagt der russische Regisseur Vladimir Bortko, der vorprogrammiertes Handeln und das Reagieren auf äußere Reize als Erkennungszeichen der Spezies sieht. In Sorbace Serdce (»Hundeherz«, 1988) erzählt er humorvoll philosophierend von einem Wesen ohne Verantwortung, Geschichte und soziale Einbindung. Wenn's um Kreieren künstlicher Wesen geht, sind die Schöpfer zumeist nicht zimperlich: Der Golem - eine Lehmfigur. Das Monster des Baron Frankenstein - aus Leichenteilen zusammengefügt. Alraune - eine Kreuzung aus Hure und Gehängtem. In Bortkos Hundeherz geht es um eine Mischung aus Straßenhund und trunksüchtigem Verbrecher. Kein Wunder also, dass der »neue Mensch«, der keine Katzen, aber Wodka mag, sich nicht in die Gemeinschaft einfügen will.

Die filmhistorische Retrospektive der 50. Berlinale versprach unter dem Titel »Künstliche Menschen. Manische Maschinen. Kontrollierte Körper« alle Spielarten des Genres und »ein Panorama filmischer Schöpfungsakte« vom Golem bis zum Robocop, vom Homunculus bis zu den Cyborgs und Klonen der Gegenwart. Das Thema passte hervorragend zum neuen Umfeld am Potsdamer Platz, dem »Bonsai-New-York« zwischen Sony Center und Daimler City. Eine Filmkulisse für die »Stadt der Zukunft«, die schon Fritz Lang und Thea von Harbou in Metropolis mit identitätslosen Massenmenschen bevölkerten. Architektonisch zumindest ist die Filmvision grausige Wirklichkeit geworden.

Das üppig bebilderte Katalogbuch zur Retrospektive versammelt neben medientheoretischen Beiträgen historische Texte und Dokumente zum Thema. So wird es - abgesehen vom Fehlen einer umfassenden Filmographie - dem Genre und vor allem den vielschichtigen kultur- und sozialgeschichtlichen Aspekten des Themas gerecht. »Das Harmonieren mit der Maschine liegt uns. Hier allein geriert sich der Deutsche sinnlich und lustvoll«, so der Medienjournalist Rolf Giesen über »Cybernauten und andere Androiden«. Giesen zieht unter anderem Parallelen zwischen dem Verhalten »synthetischer Menschen aus der Medienretorte« und dem vom NS-Staat propagierten Tugenden. Mit Blick auf die Maschinen-Maria aus Metropolis stellt er den »homo mechanicus« (Erich Fromm), den in alles Nichtlebendige, Maschinenhafte verliebten Menschen, in den Mittelpunkt. Denn schon im Film der Weimarer Zeit wechselte der »Abscheu vor weiblicher Laszivität« mit unverhohlener »Bewunderung für die gelungene Mechanik«.

Ausgehend vom jüdischen Golem-Mythos befasst sich die schweizerische Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen mit dem männlich dominierten Science Fiction-Kino (»Leben spenden. Ohnmacht des weiblichen Cyborgs«). Für das von der amerikanischen Feministin Donna Harroway verfolgte »Projekt neuer Verwandtschaftsverhältnisse«, so Bronfen, biete das Genre besonders schöne Bespiele. Anhand von Filmen wie Blade Runner, The Terminator und The Matrix zeigt sie, wie der »Gegensatz zwischen Mütterlichkeit und künstlicher Erzeugung von Leben« wieder zusammenfällt.

Wie nah die Visionen des Genres bereits an die wirkliche Wirklichkeit herangerückt sind, zeigt nicht nur die Filmkulisse am Potsdamer Platz. Ausgerechnet das Berliner Museum für Kommunikation wird, wie jüngst die tageszeitung berichtete, ab März drei plappernde »Dienstleistungsroboter« einsetzen. Diese sollen durch den zentralen Lichthof des Gebäudes rollen und das Museumspublikum mit einem kumpelhaften »KOMM-REIN!« begrüßen.

Künstliche Menschen. Manische Maschinen. Kontrollierte Körper, herausgegeben von Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen, Gabriele Jatho, Berliner Jovis Verlag, 78,-DM.

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