Die neue Weltordnung: BRICS-Staaten legen Bausteine für multipolare Weltordnung

Eine zeithistorische Analyse In den letzten Monaten zeichnet sich immer mehr der Trend zu einer vollständigen Neustrukturierung der globalen Mächteverhältnisse ab, in welcher die Westmächte das Nachsehen haben werden.

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Die Neuordnung der Welt ist immer mit einer Verschiebung der Machtverhältnisse verbunden. Schon immer haben sich diese Verhältnisse im Laufe der Geschichte neugeordnet. Dieses Schicksal teilen alle Machthaber; allen großen Weltmächten erging es in der Vergangenheit nicht anders. So umfasst bspw. der Zeitraum von 1581 bis 1660 den Aufstieg der Niederlande zur Weltmacht, bis diese schließlich, einleitend durch das Rampjaar 1672 in Folge mehrerer politischer Katastrophen bis 1702 zu Grunde ging. Spanien und England erging es nicht anders. Nun stehen die USA und die EU vor dem gleichen Schicksal. Noch befinden sich die Westmächte an der Spitze, aber gegenwärtige Entwicklungen zeichnen das Bild einer anderen Welt, die uns in Zukunft erwarten wird.
Dies zeichnet sich mit Blick auf die Ereignisse der letzten Wochen und Monaten ab, die deutlich machen, dass große geopolitische Neuordnungen Einfluss auf die weltweiten Lebensverhältnisse der Weltenbürger haben werden. Im Fokus dieser oberflächlichen Analyse stehen dabei vor allem China, Russland und die anderen BRICS-Staaten. Mit der Rolle Europas und der USA im Speziellen wird sich in einem gesonderten Artikel beschäftigt. Im Folgenden geht es um die Rolle der BRICS Staaten, neue Koalitionen und Handelsverträge sowie der Frage danach, welche Folgen dies für die weltwetien Märkte haben könnte. Zu jedem einzelnen Thema werden dann weitere und vertiefende Einblicke in folgenden Artikeln gegeben.

Bedeutung des Petrodollars

Gegenwärtig bildet der Dollar als stabiles Währungssystem für viele Staaten die Wahl nach der Frage für die Währung, wenn es um das Abschließen internationaler Verträge geht. Sobald Staaten internationale Verträge abschließen, stellt sich in der Regel die Frage nach der Währung in den Verträgen. Um Sicherheit in den Verträgen für die Zahlungsströme leisten zu können, einigt man sich auf stabile Währungen. Diesen Prozess nennt man auch Denominierung. Der Schuldner ist dann verpflichtet Zahlungen in der jeweiligen Währung zu leisten. Verbindlich ist dann jeweils das Währungsrecht des Landes, um dessen Währung es sich handelt. Die US-Notenbank stellt beispielsweise Dollarreserven zur Verfügung, die für den internationalen Handel der Öl-Staaten mit Öl verwendet werden. Die dafür zur Verfügung gestellten Geldreserven fließen als Devisen in Höhe der Ölkaufpreise zurück zur US-Notenbank - eine enorme Einnahmequelle für die USA. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird der weltweite Handel von großen Öl-Staaten mit Erdöl vertraglich auf den Dollar denominiert. Darunter fallen aktuell Länder wie Saudi-Arabien, der Irak, Nigeria und auch Russland.

Dem Ende des Petrodollars folgt die Fragmentierung des Weltwährungssystems

Gerade für Russland, die nicht erst seit ihrem Angriffskrieg auf die Ukraine politische Differenzen mit den USA und anderen Westmächten haben, wäre der Handel mit Öl in einer anderen bzw. der eigenen Währung ein großer Schritt Richtung Unabhängigkeit. China teilt dieses Interesse ebenfalls.
Die BRICS-Staaten verfolgen bereits seit Jahren den Wunsch, Energielieferungen nicht mehr in US-Dollar abwickeln zu müssen. Bereits seit dem letzten Jahr verhandelt Saudi-Arabien mit China über Erdöllieferungen in chinesischen Yuan. Im Hintergrund dazu beratschlagt die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) ein Währungsbundsystem, das durch Sicherungssysteme der beteiligten Nationen eine Grundsicherung und Stabilität in eine neue Währung bringt. Ein solches Währungssystem - geplant als digitaler Asset - würde den Petrodollar und den Devisenmarkt der amerikanischen Zentralbank in Trümmer legen.

Aktuelle Alternativen

Während des ökonomischen Forums in Indien hat Alexander Babakov, Vorsitzender der Duma (Staatsduma der Föderationsversammlung der Russischen Föderation) in mehreren Gesprächen angeregt, ein eigenes Währungssystem zwischen Indien und den anderen BRICS-Staaten aufzubauen. Bereits im Jahr 2022 hat Präsident Putin die Einführung einer solchen Währung für möglich gehalten. Darüber hinaus kursierte die Idee auch schon 2019. Mit diesem Schritt würden sich die BRICS-Staaten vor wirtschaftlichen Sanktionsmöglichkeiten der USA absichern und mit Blick auf die Denomination einer eigenen Währung Geld in die eigenen Kassen und nicht in die Staatskasse der USA spülen. Um die Sicherheit der Stabilität dieser Währung zu gewährleisten, soll diese Währung durch Goldreserven und andere seltene Materialen abgesichert sein. Der US-Dollar hat diese Sicherungsfunktion nicht.

Warum die Wahrscheinlichkeit einer BRICS-Währung nun am höchsten ist

Durch den Krieg in der Ukraine hat Russland alle westlichen Demokratien in einer Opposition gegen sich vereinigt. Die Unterstützung der Ukraine durch die Westmächte sieht Waffenlieferungen als auch wirtschaftliche Sanktionen vor. Hierunter fällt auch das Ausbleiben von Handel mit Energieressourcen. Der Plan der EU bis 2030 von russischem Gas unabhängig zu sein, lässt Russland nach neuen Vertragspartner Ausschau halten. Länder wie Indien, Brasilien und Südafrika, ebenfalls BRICS-Staaten, haben sich im Zuge des Kriegs in der Ukraine nicht gegen Russland gestellt. Das nun billige Öl wurde und wird vermehrt eingekauft, so dass die Ölimporte Indiens bspw. stark stiegen. Russlands Plan war es im vergangenen Jahr seine Gasreserven Richtung Osten abzusetzen. Problematisch hierbei sind allerdings die enormen finanziellen Mittel, die aufgebracht werden müssen, um solche Projekte umzusetzen. Mit der Schaffung einer eigenen stabilen Währung wäre dies wesentlich leichter umzusetzen, da Geldmittel für die Umsetzung solcher Energieprojekte aus einem gemeinsamen Topf kommen. Das Risiko für alle Beteiligten würde sich dadurch auf ein Minimum reduzieren. Die Margen und Absätze wären mit Blick auf die Zukunft für alle Beteiligten gewaltig.

Die Rolle Chinas im Persischen Golf

Durch den Friedensvertrag zwischen Iran und Saudi-Arabien, der unter der Schirmherrschaft Chinas geschlossen wurde, kehrt etwas mehr Ruhe und Stabilität in die Region des Persischen Golfes ein. Inwieweit dieser Frieden von Dauer sein wird, muss sich zeigen. Klar ist allerdings, dass er Einfluss auf die Region hat. Vor allem der Jemen dürfte von dieser Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien profitieren, da dort seit Jahren ein grausamer Stellvertreterkrieg zwischen den beiden Mächten tobt. Das China hier als großer Vermittler auftritt, ist kein Zufall; China pflegt mit beiden Ländern wirtschaftliche Beziehungen. Aus der Region bezieht es 36% seiner Energierohstoffe. Von noch größerer Bedeutung dürfte die Tatsache sein, dass China hier etwas geschafft hat, woran die Biden-Administration - und die anderen Regierungen vor ihr - immer wieder gescheitert ist. Dies mag vor allem an dem angespannten Verhältnis zwischen den USA und Iran liegen. Mit Blick auf die Zukunft könnten hier weitere Konflikte drohen - gerade mit den USA. Unlängst wurden im Iran hoch angereicherte Partikel mit Uran gefunden. Diesem Uran fehlen lediglich 3%, um als waffenfähiges Uran für Atomwaffen benutzt werden zu können. Der Iran könnte somit über kurz oder lang zu einer weiteren Atommacht werden, die das Gleichgewicht der globalen Kräfte verschiebt. Darüber hinaus ist es noch nicht klar, ob der Iran und Saudi-Arabien nicht auch Mitglieder der BRICS-Staaten werden. Die Stärkung dieser Allianz durch zwei solch gewaltige Rohöllieferanten würde das Mächteverhältnis weiter in Richtung der BRICS-Staaten kippen.

Ein kleinteiligeres Weltwährungssystem

Ein eigenes Währungssystem wäre ein Schritt in mehr Freiheit für die BRICS-Staaten. Ganz gleich ob man sich auf Rubel, Yuan, Reaís oder einen neu geschaffenen digitalen Asset einigt; die marktwirtschaftliche Macht dahinter bergt ungeahnte Kräfte. Die Möglichkeit eine der Währungen als neuen Standard zu setzten, wäre in jedem Fall eine Möglichkeit sich weiter von westlicher Einflussnahme in wirtschaftlichen Belangen zu befreien.
Auch eine Fragmentierung des weltweiten Währungssystems ist denkbar; Die Staaten würden dann für internationale Verträge selbst bzw. in ihrem jeweiligen Währungsbund haften. Dies dürfte die Währung aller BRICS-Staaten in einem ähnlichen Maß aufwerten, vor allem dann, wenn raschere Anpassung an den Finanzmärkten in der Allokation von realwirtschaftlichen Ressourcen möglich gemacht werden - somit wären Preissprünge und Engstellen bei der Beschaffung oder Lieferung von Ressourcen besser händelbar. Der chinesische Staat gewährleistet bspw. die Stabilität seiner Marktwirtschaft durch die Kontrolle von Kapitalflüssen - Investitionen aus dem Ausland sind nur dann erwünscht, solange die Marktkräfte dadurch nicht durcheinandergeraten. Ein ähnliches staatliches Eingreifen und Lenken wäre bei Verteilung und beim Aushandeln von Energieressourcen denkbar – bei solch einer staatlichen Einflussnahme wären Rohstoffe als Spekulationsobjekte weniger Interessant, da die staatliche(n) Regulierungen die Wächter-Funktion übernehmen könnten.

Die Zukunft des Westens

Wirtschaftlich würde eine neue Währung die USA und den Dollar stark treffen. Wie es um die Volatilität der neu geschaffenen Währung im Kontext einer von ihr selbst geschaffenen (Welt-) Wirtschaftskrise stünde, bliebe ebenfalls abzuwarten. Mit Sicherheit kann man allerdings davon ausgehen, dass sich die globalen Machtverhältnisse von der aktuellen Unipolarität der USA zu einer Multipolarität vieler Akteure wandeln wird. Die planwirtschaftlichen Elemente der eher autoritär anmutenden BRICS-Staaten würden in Zukunft einen absoluten Gegentrend zur marktwirtschaftlichen Freiheit und Freihandelsverhandlungen bedeuten. Die BRICS-Staaten hätten gerade mit einer solchen Rohstoff-Allianz ein starkes Werkzeug in ihrer Hand, um ihre Interessen in Wachstumsregionen zu stärken.

Der Tisch der Zukunft ist gedeckt. Wer daran letztlich einen Platz findet, wird sich mit Blick auf die folgenden Monate sicherlich zeigen.

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