„Ihre Rechtsauffassung dürfen Sie haben …

Überwachung ... wir haben eine andere.“Selbst wenn Kritik aus den eigenen Reihen kommt, wird diese ignoriert. Zuletzt durfte das CSU-Mitglied Hans-Jürgen Papier erfahren.

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Kaum anders dürfte es Peter Schaar ergehen, in dessen letztes Jahr seiner Amtszeit die Snowdenenthüllungen fielen. Schaar war als Bundesdatenschutzbeauftragter bis zum 17.12.2013 im Amt.

(zum Beitrag mit Videostatements der Obleute)

Hinter dem gewaltig klingenden Titel „Bundesdatenschutzbeauftragter“ verbarg sich zu seiner Amtszeit die Anzahl von fünf Mitarbeitern, die sich um den Datenschutz bei Geheimdiensten und Behörden zu kümmern hatten.

Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß

Schaar agierte mit seinen Mitarbeiten unabhängig von den Hierarchien im Bundesinnenministerium. Doch wie schon die Datenschutzbeauftragte des BND zu Protokoll gab, ist genug Raum vorhanden, Ratschläge und Anfragen wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen und mit einem „Steck es dir sonstwo hin“ zu quittieren.

Haus- und regierungsintern wird ein derartiger Ausdruck etwas anders formuliert und klingt dann so ähnlich wie: „Ihre Rechtsauffassung ist gut – aber wir haben eine andere.“

Zahnloser Tiger beißt zurück

Nicht erst seit der heutigen Sitzung gilt Schaar als Instanz im Bereich Datenschutz. Auf Twitter spekulierten User, dass eigens für Schaar das „Amt des ehemaligen Datenschutzbeauftragten“ geschaffen worden sei. Schaar selbst bevorzugt nach eigenen Angaben die Bezeichnung „Datenschutzbeauftragter der Herzen“.

Schaar dürfte für die höchste Wort- und Informationsdichte gesorgt haben, die in den letzten Sitzungen zu Stande kam. Kein mauern, offene und klare Statements und seit langem wieder ein Zeuge, der bereit war, sich auf die Fragen der Abgeordneten einzulassen.

„Ich habe ihre Frage verstanden – lassen sie mich kurz nachdenken, wie ich es formuliere“ - das, liebe BND-Zeugen, sind Sätze, die dem Ausschuss angemessen sind. Nicht die langen Gesichter oder demonstratives nicht-verstehen von Fragen. Viel neues konnte Schaar dem Ausschuss nicht mitteilen.

Das lag jedoch nicht an etwaiger Inkompetenz, sondern eben daran, dass Peter Schaar durch Buchveröffentlichungen, Podiumsdiskussionen und Vorträge auch bisher keine Zweifel an den Mängeln im Bereich Datenschutz aufkommen ließ.

BND-Tricks auf den Punkt gebracht

Dennoch war es wichtig, die Aussagen zu Protokoll zu geben und damit offiziell zur Kenntnis zu bringen. So beschrieb Schaar, wie sich die offenen Dateianordnungsverfahren, die die BND-Datenschutzbeauftragte Frau Dr. K noch als reine Formalie verkaufen wollte, auswirken.

Erst, wenn die Dateianordnungsverfahren in Gänze durchlaufen sind, wurde auch geprüft, ob die Art und Weise, wie die Daten erhoben und gespeichert werden rechtskonform ist.

Mit welcher Intention der BND diese Verfahren über Jahre in der Schwebe hält, während munter Daten gesammelt werden liegt auf der Hand.

Problematisch ist leider auch, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte nur das kontrollieren kann, was ihm zur Kontrolle vorgelegt und als existierend dargestellt wird.

Wo die BND-Datenschutzbeauftragte noch verwundert wirkte und gänzlich ohne Vorstellung war, dass die eigene Behörde auch an ihr vorbei arbeiten könnte, machte sich Peter Schaar keine Illusionen.

Neue Datenschützer braucht das Land

Es war fast schon eine Bewerbung für den Aufbau einer neuen Datenschutzorganisation. Egal ob Deutschland oder Euorpa: Peter Schaar zeigte sich kompetent, diese Aufgabe zu übernehmen.

Ob gewollt oder nicht - seine Bereitschaft, die Missstände offen zu benennen und zu vertreten ehrt und qualifiziert ihn. Schaar blieb fair, urteilte klar darüber, wo die Snowden-Dokumente nicht eindeutig belegt werden können, aber die Wahrscheinlichkeit mehr als genug Anlass gibt, bestehende Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und neu zu strukturieren.

Warum sich die Regierung lieber Vorwürfe gefallen lässt, die Dienste nicht ausreichend zu kontrollieren, anstatt sie wirksam an die Datenschutzkandarre zu nehmen – auch hier darf spekuliert werden.

Es fehlen Standards, wie sichere Hard- und Software zu gestalten ist und wie Anforderungen gestellt und dann auch überprüft werden können. International bekannte Missstände, Backdoors in Hard- und Software – alles nichts neues für Peter Schaar.

Leider auch nichts Neues für seine ehemaligen Kollegen im Bundesinnenministerium, die in internen Mails auch mal unverblümt Listen versenden, welcher Harrd- und Sotware innerhalb der Regierungs-IT nicht wirklich getraut werden kann.

Neue Besen kehren gut - die Alten kennen die Ecken besser!

Die Positionen Schaars sind überwiegend in seinen Vorträgen zu finden und auch nicht erst seit gestern verfügbar. Sein letzter Bericht als Bundesdatenschutzbeauftragter wurde im November 2013 an die Bundesregierung gegeben. Im Snowden-Jahr selbst hatte er nicht nur als eine seiner letzten Amtshandlungen am 3. Dezember 2013 den BND besucht, sondern auch die Merkel-Fone-Affäre in technischen Bereichen und diverse Informationen der Snowden-Dokumente geprüft.

Schaar ist seit langem wieder ein Zeuge, der mit wachem, kritischen Blick die Presse verfolgt für die sich die letzten Zeugen des BND überhaupt nicht zu interessieren schienen.

Nichts gesehen – nichts gehört – nichts gedacht – nichts gemacht: etwas lang, aber offenbar der Claim, mit dem die Geheimdienstes in ihre Öffentlichkeitsarbeit gehen.

Es bleibt zu wünschen, dass die Regierung nun handelt und den Bereich Datenschutz und Kontrolle der Dienste so strukturiert, dass wir nicht nur unabhängige Datenschutzbeauftragte haben, sondern auch wirkungsvolle, an denen die Schlapphüte nicht mehr vorbei kommen. Derzeit sieht es wohl anders aus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Lücking

Journalist - verfolgt den 1. Untersuchungsauschuss des Bundestags zum Attentat am Breitscheidplatz vom 19.12.2016

Daniel Lücking