Lauren Auder - the infinite spine: Körperrebellion

Musik In ihrem neuerschienenen Album "the infinite spine", begibt sich die trans Sängerin Lauren Auder auf Konfrontationskurs mit ihrem eigenen Körper und einer undankbaren Welt.

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Es mag zwar nicht so erscheinen, jedoch hat der eigene Anspruch auf Existenz eine fast schon revolutionäre Komponente in heutigen Zeiten. Sieht man sich die gesellschaftliche, politische und persönliche Situation von trans Menschen an, wird dieser Umstand umso deutlicher. Für viele Menschen, die sich mit ihrem biologischem Geschlecht schon immer identifizieren konnten (also Cis), ist das Trans-Sein weiterhin etwas Unbekanntes, es macht sogar vielen Menschen Angst. Und gerade das Unbekannte, das Fremde wird in der heutigen Politik gerne als Waffe verwendet, um Angst zu verbreiten und gesellschaftliche Homogenität zu erzwingen. Da kommt das neueste Album der Künstlerin Lauren Auder zur scheinbar günstigsten Zeit.

In "the infinite spine" besingt Auder die Realität von trans Menschen, die nicht nur selbstzerstörerisch, sondern auch selbstermächtigend ist. Im Albumopener " 33 & golden" wird die Trennung vom Körper und der eigenen Haut proklamiert. Doch obwohl die Schwere des im Hintergrund spielenden Orchesters ein Ende andeuten lässt, beginnt hier erst der eigentliche Kampf. " I had to grow an extra rib just to survive" läutet die metaphorische Metamorphose Auders ein, wenn sie in "118-madonna" die Offenbarung über ihre eigene Identität im Percussion-Regen verlautet. Highlight des Albums ist das dramatische "hawthorne81". Besonders hierbei wird die musikalische und lyrische Bandbreite Auders deulich. Körperteile werden gebogen und gebrochen in einem scheinbar unlösbarem Konflikt aus Unterdrückern und Unterdrückten. Transphobie ist nicht nur das Ablehnen einer Person, sondern ebnet letztendlich auch den Boden für Vernichtung. Den Zugang zu gesundheitlichen Gütern zu verwehren, bedeutet für trans Menschen häufig die Abschiebung in einen ungewollten Körper, in dem sie nie Ganz sein können. In "hawthorne81" wird der brutale Kampf im staccatoartigen Outro geführt. Auch in den sanfteren Phasen des Albums, wie in den Balladen "atoms" oder "datta920"ist die Formwerdung des Selbst stets der thematische rote Faden.

Trotz der ungefilterten Schwere des Albums ist die Hoffnung und gleichzeitig die Aussicht auf eine bessere Zukunft ein vordergründiges Konzept, was sich am Ende besonders wiederspiegelt. "Today I was haunted/tomorrow I´ll be free" singt Auder triumphierend in der ersten Single "we2assume2many2roles". Auch der helle Soundmix aus Piano und Percussion gibt dem poetischen Text Rückendeckung. Während die erste Textzeile des Albums "I was born an open wound that only suicide could sow" lautete, heißt es in "being there (all my 48s)" bereits: "faced with the consequence of knowing/that it´s worth it all to fight and stay". Und am Ende, wenn der Frieden mit sich und der eigenen Existenz geschlossen wurde, kann Auder endlich selbstbestimmt behaupten "all that´s needed is here".

Lauren Auders Debütalbum "the infinite spine" ist heute offiziell über True Panther Records erschienen.

Highlights: 33 & golden, hawthorne81, 730kingfisher

Genre: Chamber Pop, Experimental Pop, Post-Rock

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