Die Linke: Der Göttinger Drahtseilakt

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Gestern wurde auf dem Göttinger Parteitag der Parteivorstand Der Linken gewählt. Die neuen Parteivorsitzenden sind Katja Kipping und Bernd Riexinger. Die stellvertretenden Parteivorsitzenden sind Sahra Wagenknecht, Caren Lay, Jan van Aken und Axel Troost. Die Details der Wahlgänge sind auf 'Wahl des Parteivorstandes' nachzulesen.

Es wurden auch feurige Reden gehalten: von Klaus Ernst, von Gregor Gysi, von Oskar Lafontaine.

Meine Gedanken zum Göttinger Parteitag habe ich noch nicht ganz geordnet, somit lege ich folgend dar, was mir gerade durchs Gemüt fetzt:

Bildlich stelle ich mir Die Linke als Drahtseilläuferin über einen Abgrund vor, an deren Balancierstange auf der einen Seite Dietmar Bartsch hängt, während auf der anderen Seite Bernd Riexinger steht und neben ihm Oskar Lafontaine hockt, sowie Katja Kipping die Balance herzustellen sucht, indem sie sich auf der Stange ausgleichend bewegt.

Meine Gefühle als Unterstützer des Teams von und um Katja Kipping und Katharina Schwabedissen sind gemischt: Ich freue mich natürlich, dass Katja Kipping gewählt worden ist. Allerdings beneide ich sie nicht, denn sie wird es recht schwer haben. Katharina Schwabedissen, mit der Katja Kipping im Vorfeld als Vorstands-Kandidatinnen-Team angetreten war, zog ihre Vorstands-Kandidatur leider zurück, und sie wurde auch nicht als stellvertretende Parteivorsitzende gewählt. Allerdings sind Caren Lay und Jan van Aken aus dem erweiterten Team gewählt worden.

Auf der Website der Zeitschrift 'Potemkin' findet sich ein Bericht vom Parteitag. Dort ist unter anderem zu lesen: "9.15: ... Offensichtlich ist das Lafontaine-Lager noch nicht komplett anwesend, was den “Siegesfeiern” der heutigen Nacht geschuldet sein dürfte. ..." - und: "9.25: Ein Vertreter des Jugendverbandes erklärt, dass es zumindest keine Angehörigen des Jugendverbandes waren, die am gestrigen Abend nach der Wahl Riexingers das Lied “Ihr habt den Krieg verloren” gesungen haben. Eine Vertreterin des Heimatverbandes von Riexinger erklärt dazu, dass das Singen von Liedern Ausdruck südländischer Siegesfreude sei."

Ich sage dazu tachelesmäßig, dass herrische und hämische Siegesfeiern überhaupt und insbesondere angesichts der massiv ernsten Lage Der Linken völlig unangebracht sind. Auch aus eigenem Erleben kenne ich den Macker-Habitus im erweiterten Sinne insbesondere als aus dem Eck Sozialistische Linke (SL), (Ex-)Sozialdemokraten und Gewerkschafter, sowie dem Propaganda-Blatt 'Junge Welt' kommend. Diese Kader schaden mit ihrer Maßlosigkeit und mit ihren Methoden dem Ansehen der Partei und auch dem der Gewerkschaften, sie entwerten die guten Inhalte und vergrätzen Mitglieder, Unterstützer und Wähler, die dringend gebraucht werden. Ein krachert zotiges Auftreten mag den darauf stehenden Teil der Arbeiterschaft zum Jubeln bringen, aber gerade dieser will konkrete Ergebnisse haben. Wenn in Der Linken mackermäßig viel Wind gemacht wird, jedoch wenig dahinter ist, dann heißt es: 'Dankschön euch Kommunisten für den Spaß, aber wir wählen lieber wieder die SPD'.

Galgenhumoristisch kann ich sagen, dass eine 'Diktatur des Matriarchats' nicht das Schlechteste für Die Linke wäre, wobei ich mich dergestalt zur 'mentalen Frau' erkläre.

Zudem gefällt mir als alternativ-emanzipatorisches Basismitglied Der Linken das dualistisch-eindimensionale Bild 'Ost versus West' nicht, das die Medien zusammen mit den entsprechenden Partei-Kadern zeichnen. Ich sehe eine dreiteilige mediale Strategie, die die Konflikte in der Linken verschärft und sie am Ende auseinanderbrechen lässt: Erstens, dass 'der Osten' hochgeschrieben wird; zweitens, dass 'der Westen' niedergeschrieben wird; drittens, dass wir, die 'Bunte Basis' in West und Ost ignoriert werden.

Abschließend ist hier zu sagen: Verbales Feuer speien kann ich auch, aber ich bevorzuge es bei Weitem, sachlich und konstruktiv zu agieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

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