A–Z DNA

Spurensuche Vor 60 Jahren veröffentlichten James Watson und Francis Crick jenen Aufsatz, der die Struktur einer DNA erstmals beschrieb - was hat sich verändert? Das Lexikon der Woche

A

Ausstellung Im April 1953 veröffentlichten James Watson und Francis Crick in der Zeitschrift Nature einen Aufsatz über die Struktur der DNA, jener Substanz, in der das Erbgut jedes Lebewesens codiert ist. Das ist der Anlass für die Sonderausstellung „EntwicklunGEN – 60 Jahre Entdeckung der DNA-Struktur“ des Naturkundemuseums Berlin. Wie hat die Entdeckung unsere Welt verändert – und wie macht sie das bis heute? Zwar können Dinosaurier nicht wieder zum Leben erweckt werden, Mammuts aber vielleicht, spekuliert das Museum. In der Ausstellung geht es um Gefahren und Chancen von Genmanipulation, um optimiertes Gemüse und geklonte Tiere im Hinblick auf eine wachsende Weltbevölkerung – Themen, die anschaulich aufbereitet sind. Verblüffend ist etwa unsere Ähnlichkeit mit der Banane. Zu 50 Prozent, so lernt man, ist ihre DNA mit der menschlichen identisch. Die Ausstellung ist bis zum 31. Dezember zu sehen. David Kappenberg

B

Buch des Lebens Wie vieles in der Wissenschaft ist auch die DNA ein Kind des Kalten Kriegs. Die Kybernetik lieferte der Molekularbiologie das Modell, sich den genetischen „Code“ als eine zu entschlüsselnde „Geheimschrift“ vorzustellen. Aber wenn der genetische Code tatsächlich eine „Schrift“ ist, muss es dann nicht eine Autorschaft geben? Wie ist das Gen überhaupt zu seiner „Botschaft“ gekommen? Wenn am Anfang das Wort (der Code) war, wer hat das „Buch des Lebens“ dann konfiguriert? Da hatten in den fünfziger Jahren nicht nur frustrierte US-Physiker, die sich in die Molekularbiologie retteten, ihre Hände im Spiel, sondern auch Linguisten. Sie machten aus biologischem Inhalt Form, aus organischen Attributen Information. Die Metapher „Buch des Lebens“ wurde dabei zu einem Leitsymbol, die DNA zum Schlüssel, zum geheimen Logos des Lebens. Am Anfang war das Wort. Und „wenn wir nicht Gott spielen und die Familien aus der genetischen Hölle retten“, so James Watson, „wer dann?“ Ulrike Baureithel

D

Datenspeicher Shakespeares Gesamtwerk im Erbgut speichern? Klingt wie Science Fiction. Doch Nick Goldman und Ewan Birney vom Europäischen Bioinformatik-Institut ist es gelungen, digitale Daten in einem DNS-Molekül zu speichern. Alle Daten der Welt lassen sich nun also in pulverisierter Form in einen kleinen Eimer schaufeln – ein Gramm DNA für eine Million CDs. Zukünftige Probleme, an die Grenzen von Speicherkapazitäten zu stoßen, wie von manchen Wissenschaftlern bereits befürchtet, wären damit gelöst.

Zumindest in der Theorie – denn um ein Megabyte in DNA zu speichern, fallen derzeit noch Kosten von 10.000 Euro an. Tendenz fallend, dennoch auf absehbare Zeit alltagsuntauglich. Bemerkenswert ist aber, gerade für diejenigen, die sich schon einmal über fehlende Backups ärgern mussten, die Unverwüstlichkeit der DNA. Noch heute ist es möglich, das Erbgut eines vor 60.000 Jahren gestorbenen und im Eis konservierten Mammuts auszulesen. Die Menschheit sicherte sich damit ein Stück Unsterblichkeit, und Shakespeares 154 Sonette könnten so auch noch im Post-Anthropozän gelesen werden – nur von wem, ist dann die spannende Frage. kap

Dinowelle 1993 gelang Steven Spielberg der Coup, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Aus in Bernstein konservierten Mücken extrahiert in Jurassic Park ein Unternehmer Dinosaurier-DNA und klont Tyrannosaurus & Co. In einem Freizeitpark sollen sie die Besucher unterhalten. Selbstverständlich kommt es zur Katastrophe und zum Mensch-Saurier-Showdown. Der Blockbuster nach einem Roman von Michael Crichton spielte bei der Erstveröffentlichung bereits 700 Millionen Euro ein und war jahrelang der weltweit erfolgreichste Film. Zwei Sequels und etliche Nachahmer folgten. Nach der Saurier-Film-Mode der Fünfziger und Sechziger war Jurassic Park mit seinen computergestützten Effekten der Auslöser einer neuen Dinowelle. Sie überdauerte ein Jahrzehnt, bevor die Konstellationen Piraten gegen Seeungeheuer sowie Schwert auf Orkschädel die Tricktechniker und das Publikum beschäftigten. Tobias Prüwer

E

Egoismus Einer organischen Säurekette Egoismus zu unterstellen, wie es Richard Dawkins in seinem berühmten Werk Das egoistische Gen 1976 tat, ist ein provozierender Gedanke. Er ermöglicht den Blick hinter die Äußerlichkeiten: die vielen Erscheinungsformen des Lebens, etwa die zeitweise Dominanz einer frühen Art (Algen), einer späteren (Dionosaurier) und einer sehr jungen (Menschen). Was, wenn das alles keine Rolle spielt? Vielleicht ist die DNA der eigentliche Sinn und das Ziel. Sie bedient sich einer ungeheuren Varianz ihres Auftretens, um unter fast allen physikalischen und chemischen Umständen zu „überleben“. Ihr Drang, sich zu verbreiten, ist grenzenlos. Vielleicht nutzt sie den Menschen ja nur, um auf andere Planeten zu kommen. Sie ist das Leben, das nicht zu töten ist. Vielleicht ist die DNA – Gott? Michael Pickardt

G

Grundlagen Wie erklärt man die DNA Kindern? Vielleicht so: In dieser Software steckt das Programm unseres Lebens – wie groß wir werden, welche Haarfarbe wir haben, ob wir gut schwimmen oder virtuos Geige spielen können. Jeder Mensch besteht aus schätzungsweise 100 Billionen Zellen. Und in jeder dieser Zellen gibt die DNA den Takt vor. Der Begriff kommt aus dem Englischen und steht für: Desoxyribonukleinsäure. Ihre Form ähnelt der einer verdrehten Strickleiter. Der äußere Strang besteht aus Zucker und Phosphat. Die Sprossen bilden vier Substanzen, sogenannte Basen. Diese finden sich zu Paaren zusammen. Aus einer bestimmten Anzahl dieser Basenpaare wiederum wird ein Gen. Es ist die kleinste Einheit der Erbinformation. Aus ihr wächst etwas Großes. Mark Stöhr

K

Kosmetik Die internationale Kosmetikindustrie hat den Begriff DNA in den letzten Jahren für sich entdeckt. Zu Vermarktungszwecken bekommen Gesichtscremes und Bodylotions Attribute wie „DNA-Nano-Technologie“ oder „DNA Time Control“ zugeordnet, die den Produkten ein medizinisch-wissenschaftliches Image verschaffen sollen. Die suggerierten Wunderwirkungen der angeblichen Hightech-Kosmetik sind trotz von den Herstellern bezahlter Studien allerdings recht fragwürdig. Denn „DNA-Cremes“ greifen keineswegs in die menschliche DNA ein, was ja auch gruselig wäre, sondern können höchstens helfen, die Haut vor Umwelteinflüssen und UV-Licht zu schützen. Durch bestimmte Pflanzenextrakte und Enzyme sollen sie UV-verursachte Hautschäden reparieren können. Im Grunde könnte sich da aber jede Creme, die über einen UV-Filter verfügt DNA-Schutzcreme nennen. Man lese dazu den Beipackzettel, addiere auch noch eine ordentliche Portion Gutgläubigkeit und zücke das Portemonnaie. Denn es gilt die Regel: Je mehr pseudowissenschaftliches Gebrabbel, umso höher der Preis. Sophia Hoffmann

S

Science Fiction Hätte die DNA einen zweiten Namen, hieße der wohl: Gattaca: Nur wenige Abfolgen der Bausteine A, C, G und T kommen so häufig im Erbgut vor. Und weil’s schön nach Attacke klingt, nannte auch Andrew Niccol seinen Film von 1997: Gattaca. Es geht darin, klar, um menschliche DNA. Unbedingt muss es also um Manipulation gehen. Aber, und das ist so groß an diesem Film, der damals ja noch Science Fiction war: Es geht nicht um die Manipulation von Genen. Sondern um die Manipulation des Menschen durch die Gene selbst. Als der natürlich gezeugte Vincent geboren wird, besiegelt ein Gentest sein Schicksal. Seine Sekunden alte DNA bescheinigt ihm Herzversagen mit 30 Jahren. Sofort versagen nun die Eltern. Die Zeugung des kleinen Bruders überlassen sie lieber der Reproduktionsmedizin. Anton wird ihr ganzer Stolz. Vincent dagegen, klein, fast blind, stets unterlegen, tritt zum Kampf gegen die Gene an. Er gewinnt. Weil die DNA zwar Bedingungen schafft. Aber nie Schicksal ist. Kathrin Zinkant

Spuren Aus Sicht der Polizei sind Atomkraftgegner offenbar per se verdächtig. Und da kann man gar nicht genug Daten haben. Bei den Castor-Protesten im Herbst 2005 sind Polizisten einer Demo hinterhergelaufen und haben Zigarettenkippen und Taschentücher eingesammelt, offenbar um an DNA-Spuren zu kommen. So berichtet es der Hamburger Anwalt Martin Lemke. Wenn die Polizei später von Verdächtigen die DNA nahm, hätte sie ihnen die Demo-Teilnahme nachweisen können. Inzwischen hat sich die Wendland-Polizei von der Praxis aber verabschiedet. DNA-Proben sind ohnehin nur zulässig bei Verdacht auf eine schwere Straftat. Der Eingriff in die Grundrechte ist groß, so Anwalt Lemke. Denn: „Sie verteilen Ihr Erbgut auf alle Polizeicomputer dieser Welt.“ Felix Werdermann

X

XYY Mehr Mann geht kaum. Von vielen werden Männer, die ein zweites Y-Chromosom besitzen, daher auch „Supermänner“ genannt. Man sagt ihnen eine lebhaftere Libido nach. Sie sind im Vergleich zu anderen Männern oft größer – im Schnitt zehn Zentimeter – und haben längere Hände und Füße. Doch wie es mit solchen genetischen Voreinstellungen immer ist: Die Tendenz ist da, es kann aber auch ganz anders laufen. Zum Beispiel in der Schule. XYY-Männer tun sich mit dem Lernen manchmal schwerer, kapseln sich ab und kommen häufiger mit Frust nicht klar. Das macht sie aber nicht zwangsläufig zu Soziopathen. Chromosomale Screenings in Gefängnissen in den USA und Schottland haben jedoch ergeben, dass der Anteil von XYY-Trisomikern zehnmal so hoch ist wie in der durchschnittlichen Bevölkerung. Gibt es also ein geheimnisumwittertes „Verbrecher-Chromosom“? Zweifel sind angebracht, zu viele Faktoren spielen bei einer kriminellen Karriere eine Rolle. Mit der „Supermaskulinität“ ist es da auch so eine Sache: XYY-Männer stehen auch im Ruf einer leicht eingeschränkten Potenz. MS

Z

Zurückverfolgung Neulich im Irland-Urlaub meinte ein Inselbewohner, er könne seinen Familienstammbaum 9.000 Jahre zurückverfolgen. Seine Ahnen hätten schon immer hier gelebt, und er sei proud to be irish. Diese Genealogie hätte eine Analyse seiner DNA ergeben. Damit hat er natürlich ein bisschen übertrieben. Aber in der Tat boomt nicht nur in den USA die DNA-Genealogie und macht die Herkunft der Vorfahren grob sichtbar. Bei der genetischen Ahnenforschung lassen sich durch Vergleiche bestimmter Marker Rückschlüsse auf geografische Regionen ziehen, in denen Verwandte einst siedelten. Denn die Marker sind über den Globus unterschiedlich verteilt. Natürlich sind das Näherungswerte und Schätzungen. Die Zurückverfolgung der Familienwiege zu einer bestimmten Völkergruppe oder Nationalität ist abwegig.

Dennoch werben viele Anbieter mit genau solchen Dienstleistungen. So will einer das „Urvolk der Antike (Kelten, Wikinger, Juden usw.)“ bestimmen, dem der DNA-Spender entstamme. Nun sind die Wikinger gar nicht antik, aber bei einem Einstiegspreis von schlappen 199 Euro kann eine historische Ungenauigkeit schon mal passieren. Meine irische Zufallsbekanntschaft behauptete immerhin nicht, seine Ahnen hätten Steinkreis X und Hügelgrab Y in die Welt gesetzt. TP

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