Wenn Larry Fink spricht, dann hört die Finanzwelt aufmerksam zu. Fink ist Gründer und Chef des Geldkonzerns Blackrock, der 6.300 Milliarden Dollar Anlagekapital verwaltet, so viel wie kein anderes Unternehmen in der Welt. Mit diesem Geld seiner Kunden ist der Finanzriese an 17.000 Unternehmen weltweit beteiligt und Großaktionär bei allen Großkonzernen in Europa und den USA. Wer mit dieser Macht im Rücken Forderungen stellt und Programme ankündigt, der verheißt neue Geschäfte.
So war es auch im Januar 2017. Fink sprach zum Start des Geschäftsjahrs im voll besetzten Saal der Deutschen Börse in Eschborn bei Frankfurt, seine Botschaft kam gut an. In Europa und „ganz besonders in Deutschland“ seien die Bürger bei ihrer Altersvorsorge „übermäßig abhängig von den staatlichen Renten“, mahnte da der mächtigste Mann der Wall Street. Die staatlichen Renten könnten allerdings „nicht mehr das Einkommen bieten, das sie für ihr längeres Leben benötigen“, gleichzeitig sei die private Altersvorsorge „unterentwickelt“. Die Regierungen müssten daher in „Zusammenarbeit mit den Unternehmen eine langfristige, ganzheitliche Strategie“ verfolgen, forderte Fink.
Deshalb sei es nötig, die Arbeitnehmer zum Sparen und Investieren am Aktienmarkt zu motivieren, um sie an den Kapitalgewinnen zu beteiligen. Eine gesetzliche Garantie auf das angesparte Kapital wie in Deutschland sei da aber hinderlich. Besser sei es, diese Garantie auf einen kleinen Anteil zu beschränken, und das europaweit. „Den europäischen Sparern fehlen zuverlässige Daten und die Anleitung, wie man investiert und für die Zukunft plant“, mahnte Fink. Das müsse sich ändern.
Das klang wie die übliche Angst-Werbung vor der Überalterung, mit der die Finanzindustrie seit Langem die Sparer zum Kauf ihrer privaten Rentenpläne drängt. Doch Fink beabsichtigte mehr. Er propagierte die politische Absicherung dieser Strategie für die gesamte EU – und die bekam er auch.
Nur ein halbes Jahr nach Finks Appell in Frankfurt präsentierte in Brüssel Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Regulierung der Finanzmärkte, einen Gesetzentwurf für ein „europaweites privates Altersvorsorgeprodukt“, in der englischen Abkürzung „PEPP“ genannt (Pan-European Personal Pension). Kapitalgarantien sind darin nicht vorgesehen, sondern lediglich ein „Qualitätssiegel“, mit dem die Finanzkonzerne in allen EU-Staaten gleichzeitig ihre Fonds als Altersvorsorge vermarkten können. Also genau das, was Fink gefordert hatte – und das mit den gleichen Argumenten. Europa stehe vor einer „nie da gewesenen demografischen Herausforderung“, sagte Dombrovskis. Die daraus resultierende „Rentenlücke“ werde „den Druck auf die öffentlichen Finanzen“ enorm steigern, dagegen gelte es eine private Rentenvorsorge auf europäischem Niveau zu schaffen.
Investigate Europe
Investigativ Der Artikel über Blackrocks Rentenpläne ist Teil einer breit angelegten Recherche von Investigate Europe zum Einfluss des Geldkonzerns, die in verschiedenen europäischen Tages- und Wochenzeitungen erscheint. Investigate Europe ist ein paneuropäisches Pilotprojekt: ein Team mit neun Journalisten aus acht europäischen Ländern, das europaweit relevante Themen recherchiert, gemeinsam Thesen erarbeitet und alle Ergebnisse teilt. Unterstützt wird das Projekt durch die Hans-Böckler-Stiftung, die Stiftung Fritt Ord, die Stiftung Hübner & Kennedy, die Rudolf-Augstein-Stiftung, die GLS Treuhand und die Open Society Initiative for Europe. Mehr Infos unter: www.investigate-europe.eu
Dass dieser Gleichklang kein Zufall ist, belegen die Recherchen von Investigate Europe. Der weltgrößte Vermögensverwalter hat eine enorme Lobbymacht aufgebaut, um Europas Sparer für seine Fondsverwaltung zu gewinnen. Erste Erfolge des Wirkens von Fink und seinem Manager zeigten sich in Großbritannien. Dort startete im Jahr 2014 der damalige Finanzminister George Osborne, ein Konservativer, der unter David Cameron und dann Theresa May zwischen 2010 und 2016 den Schatzkanzler gab, ganz überraschend eine „Renten-Revolution“, wie er es nannte. Die befreite alle Sparer in staatlichen und betrieblichen Pensionsfonds von der Auflage, ihre Rente in jährlichen Raten zu beziehen. Stattdessen dürfen sie sich seitdem die gesamte angesparte Summe auszahlen lassen und selbst anlegen. Das habe im Vereinigten Königreich Altersersparnisse im Wert von 25 Milliarden Dollar „in Bewegung gesetzt“, triumphierte der langjährige Fink-Partner und Blackrock-Präsident Robert Kapito bei einer anschließenden Telefonkonferenz. Gleichzeitig verschaffte Osborne der Branche auch noch eine Steuererleichterung von jährlich rund 200 Millionen Euro.
Für diesen Erfolg pflegte die britische Konzernfiliale enge Beziehungen zu den Verantwortlichen. Während seiner Amtszeit traf sich Osborne mindestens fünf Mal mit Blackrock-Vertretern und ließ sich vom Konzern einen Vortrag mit umgerechnet 40.000 Euro honorieren. Sein Stabschef Rupert Harrison übernahm nach der Reform im April 2015 den Posten eines „Strategiemanagers“ bei der britischen Blackrock-Tochter, wo er „wegen seiner Erfahrung bei der Gesetzgebung zur kürzlichen Rentenreform besonders gut geeignet ist, unsere Renten-Vorschläge zu entwickeln“, wie der Konzern offiziell mitteilte.
Vier Arbeitstage, 750.000 Euro
Osborne selbst heuerte dann im Februar 2017 – kaum hatte er sein Ministeramt aufgegeben – ebenso bei Blackrock an und wurde Großbritanniens bestverdienender Lobbyist. Der Konzern zahlt ihm umgerechnet 750.000 Euro jährlich für vier Arbeitstage pro Monat, an denen er „Einblicke und Kenntnisse zur Europa-Politik beiträgt“, wie es in einer Mitteilung von Blackrock heißt.
Dabei war Osborne für Blackrocks Interessen wohl auch schon als Finanzminister nützlich, als er gemeinsam mit dem damaligen britischen Finanzmarkt-Kommissar Jonathan Hill Einfluss in Brüssel nehmen konnte. Blackrock hatte bereits 2015 einen umfangreichen Plan für „grenzüberschreitende Rentenprodukte“ präsentiert. Dem ließ die Kommission nur ein Jahr später einen „Aktionsplan“ mit genau diesem Ziel folgen.
Parallel dazu verzehnfachte der Geldriese seit 2011 die Ausgaben für EU-Lobbying von 150.000 auf 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Seitdem erscheinen Blackrock-Lobbyisten auch vielfach auf den Terminlisten von EU-Kommissar und Vizepräsident Valdis Dombrovskis und seinen leitenden Beamten. Allein im Jahr 2017 traf sich der Kommissar zweimal mit Konzernvertretern. Auch Kabinettschef Jan Ceyssens und der zuständige Generaldirektor Olivier Guersent hatten Rendezvous mit Blackrock-Beratern.
Anders als die Rhetorik von Konzernchef Fink und Kommissar Dombrovskis suggeriert, bietet der PEPP-Vorschlag für das „europäische Altersvorsorgeprodukt“ denn auch keine Lösung für Europas demografisches Problem, sondern nur für die Expansionspläne von Blackrock. Denn gerade jene Arbeitnehmer, denen wegen der Kürzungen in den staatlichen Umlagesystemen Altersarmut droht, verfügen in der Regel nicht über genug Einkommen, um solche Fondsanteile zu kaufen. Für sie wären vielmehr Reformen nach dem Vorbild der Schweiz oder Österreichs sinnvoll. Dort sind anders als in Deutschland alle Einkommen beitragspflichtig, auch jene von Selbstständigen und Führungskräften. Darum können die Rentenkassen dort auch bei niedrigen Geburtenraten auskömmliche Renten zahlen. Die Einnahmen wachsen mit der Wirtschaftsleistung. „Im Kern steht bei dem Vorschlag der Kommission gar nicht die Sorge um die Einkommen der Rentner“, kritisiert darum der linke EU-Abgeordnete Martin Schirdewan. Vielmehr gehe es der EU-Behörde „um die Öffnung eines neuen Marktes für die Finanzindustrie“.
Wettbewerb ist für Dummies
Der allerdings wird gewaltig. Mit einem einheitlichen EU-Rentensparprodukt werde die Nachfrage nach solchen Finanzanlagen bei besser verdienenden Mittelschichtbürgern von bisher 700 Milliarden Euro auf 2,1 Billionen Euro im Jahr 2030 anwachsen, prognostizierte eine Studie für die EU-Kommission. Noch müssen das EU-Parlament und der Rat der Finanzminister dem Vorhaben zustimmen. Aber die konservativ-liberale Mehrheit hat schon ihre Zustimmung signalisiert. Und kein Finanzkonzern ist dafür besser gerüstet als Blackrock.
Schon jetzt stammen nach Angaben des Unternehmens drei Viertel der bei ihm angelegten 6,3 Billionen Dollar aus staatlichen und betrieblichen Pensionsfonds. Mit seinen börsengehandelten Aktien- und Anleihefonds, den sogenannten „exchange-traded funds“ (ETFs), stieg das Unternehmen in den zehn Jahren seit dem Lehman-Crash vom kaum bekannten kleinen New Yorker Vermögensverwalter unter der Marke „ishares“ zum Weltmarktführer auf. Und Größe ist alles, was auf diesem Markt zählt. Je mehr Geld in die Konzernfonds fließt, umso billiger kann dieser die Verwaltung anbieten und so die europäischen Konkurrenten bei der Allianz, der Société Générale oder der Deutschen Bank ausstechen.
Absehbar ist daher, dass der US-Finanzriese mit dem Geld der europäischen Sparer noch größer und mächtiger wird. Das allerdings wird einer anderen Abteilung der EU-Kommission umso mehr Arbeit und Ärger einbringen. Denn je größer das bei Blackrock verwaltete Vermögen wird, umso größer werden auch die Aktienpakete, die der Konzern im Namen seiner Kunden verwaltet. Damit aber hebeln die Geldverwalter zusehends das Grundprinzip der Marktwirtschaft aus: den offenen Wettbewerb. Denn vielfach sind sie nicht mehr nur Großaktionär eines Unternehmens, sondern gleich mehrerer oder sogar aller führenden Unternehmen in einer bestimmten Branche.
Schon jetzt ist der Fink-Konzern etwa beim britischen Bankriesen HSBC, den spanischen Banken Bilbao und Santander, der italienischen Banca Intesa, der niederländischen Bank ING und der Deutschen Bank größter oder zweitgrößter Aktionär und verfügt damit über Einfluss in der gesamten Finanzbranche. In der Chemieindustrie sitzt Blackrock sogar transatlantisch auf allen Seiten. Bei Bayer und Monsanto, BASF und DowDuPont, beim Gase-Hersteller Linde ebenso wie bei dessen US-Konkurrenten Praxair zählt der Konzern zu den führenden Aktionären.
Für einen derartigen Eigentümer macht es keinen Sinn mehr, wenn verschiedene Unternehmen mit niedrigen Preisen um Marktanteile kämpfen. Das senkt nur den Gewinn und damit den Börsenwert und damit die Gebühreneinnahmen von Fondsverwaltern wie Blackrock. Deren „horizontaler Aktienbesitz“ über ganze Branchen hinweg sei „die größte Bedrohung des freien Wettbewerbs unserer Zeit“, warnte darum der US-Kartellrechtsexperte Einer Elhauge von der Universität Harvard.
Die gleiche Sorge hegt auch Kommissarin Margrethe Vestager, die Chefin der EU-Kartellaufsicht. Es sei „zunehmend üblich, dass dieselben Investoren Aktien verschiedener Unternehmen derselben Branche halten“, erklärte sie. „Für diese ist Wettbewerb nicht so attraktiv“, bemerkte die streitbare Dänin spitz. Ihre Behörde hat darum eine ausführliche Studie über die drohenden Folgen in der EU in Auftrag gegeben, bestätigte die Behörde gegenüber Investigate Europe.
Vielleicht sollte Kommissarin Vestager auch mit ihrem Kollegen Dombrovskis noch mal ein ernstes Wort reden.
Kommentare 29
wenn es je eine welt-verschwörung gegeben hat, dann ist es diese!
ein gesamt-ausschuß der besitzenden/des kapitals
dämpft die rivalität/konkurrenz unter den kapital-eignern
und etabliert eine un-erschütterliche sicherheit des profits,
eine nicht-staatliche kauf-steuer-abgabe der habenichtse an die glücklichen.
erg.: nicht-staatlich und über-staatlich!
>>ein gesamt-ausschuß der besitzenden/des kapitals
dämpft die rivalität/konkurrenz unter den kapital-eignern…<<
Alle Investment-Fonds/Banken verfolgen dasselbe Ziel, konkurrieren tun sie lediglich um Kunden, die Geld anlegen wollen. Konkurrenz der Kapitalanleger sollte nicht über die gleichen Ziele aller „Konkurrenten“ hinwegtäuschen. Beispiel: Hauptaktionäre bei Bayer und Monsanto sind die „Konkurrenten“ Blackrock, Vanguard und Capital Group. Alle drei waren einig, Monsanto an sich selber zu verkaufen, um Konkurrenzeffekte auszuschalten. Und sie stellten die Kartellbehörde zufrieden, indem sie einen bestimmten Teil des Bayer-Geschäftes an sich selber verkauften, nämlich an BASF, wo sie auch drinsitzen. Egal, wie viele verschiedene Investoren solche Geschäfte machen, sie bzw. ihre Kunden haben immer das gleiche Ziel: PE -> PE‘; PE‘ -> PE‘‘; PE‘‘ -> PE‘‘‘ usw. * Weil mit dem PE der Profit permanent wächst und wieder angelegt werden soll ist aus Eigentümersicht fortschreitende Aneignung bislang öffentlichen Eigentums alternativlos. Das läuft bis die Nichteigentümer erkennen, dass sie ein machtvoller Block sind wenn sie sich nicht länger gegeneinander ausspielen lassen.
*PE = Privateigentum
Das "Demographie-Problem" betrifft Kapitalanlagen genauso wie staatlich-steuerfinanzierte (indirekte Umlage) oder Direktumlage-Systeme (wie bei uns, DRV):
Wo keine wachsende oder gar zurückgehende Bevölkerung, dort schwindet oder stagniert damit auch das "Personal", das je Kopf die Wertzuschreibungen für's Geleistete generiert. Ohne dieses Reservoir an Wertzuschreibungen verdorrt/stagniert dann auch die Kapitalwirtschaft, insoweit sie noch "Zinsen & Renditen/Profite" reinholen will.
Merke: Mackenroth ( "Sozialwand" - wie Renten/Alterversorgungen - kann nur aus dem laufenden Sozialprodukt/Wirtschaftsprodukt geschöpft werden, daher sind Umlagesysteme das Mittel der Wahl dafür) ist schon vom US-Ök. Samuelson richtigerweise verallgemeinert worden: Das Mack.-Theorem betrifft ebenso Löhne, Investitionen usw..
Hintergrund ist das Midas-Problem aller Wertakkumulation: es gibt keine gebrauchswertigen Güter u. Dienstleistungen, die wirklich lange ohne Abschreibung/Verfall (= Verteuerung) aus dem laufenden Sozialprodukt herausgehalten werden werden können, um nach 20 Jahren oder so, direkt verwendet zu werden, - sie bedürfen als Wertakkumulate stets der Verwandlung in Gebrauchwertigkeit, - oder sie werden/bleiben gleich "vital" = giral (& möglichst selbstreproduktiv) und befinden sich damit eben im laufenden Sozialprodukt, - und unterliegen dessen Risiken bzw. Verläufen.
Der Wechsel hin zu Kapitalbasierung verteilt und privatisiert da "nur" das Risiko auf Individuen & FAMILIEN. -> Regressive Refeudalisierung bzw. Orientalisierung, in der dann zwar durchaus genügend Güter und Leistungen für alle da sind/sein können, aber 1-3 Einkommensbezieher dann nicht mehr abstrakte, bürokratisch verwaltete 10-20 Personen alimentieren wie heute, sondern aus Kapitaleinkommen + Arbeitsprämien/Boni große Teile des Lebensunterhaltes ihrer familiär "Nächsten" per Gnadenerweis aufbringen, - mit entsprechender Abhängigkeit und Gefälligkeitserwartung an die Empfänger (Religion, Heirat/Ehe, Politik ...). Auch die Verankerung entspr. Rechtspflichten zum Unterhalt der "Nächsten" kann Letzteres dann kaum noch lindern, siehe Beispiele wie Kindesunterhalt u. ä., wo solche R.-Pflichten schon bestehen.
Das ist dann der patriarchale Traum der "Gebenden Hand", wie Slotti ihn öfters feucht träumt: Die Gabe wird wieder konkret und m.o.w. frei wählbar, - und der Geber hat das Sagen ...
Das ginge ja vlt. noch, aber diese Distribution/Vereinzelung der Versorgungsaufgaben erschwert auch die politische Einflußnahme des ganzen Bereichs hinsichtlich Wirtschaft usw. Die Manager der großen Funds/Fonds aus Mio'en von "Anlegern" packen sich in 20-30 Jahren ja nicht dafür, wenn die Nominalien - selbst wenn die planmäßig erreicht würden, Zinsen usw. - dann nicht mehr auf entsprechende Wertzuschreibungen und damit kaum Leistungsaktivität aller Art ( minus Fehl'leistungen' wie BER usw. = WiSo-Produkt) stoßen.
Die engen ideologischen wie auch personellen Verflechtungen zwischen der Finanzwirtschaft und der Politik, insbesondere bei der EU-Kommission, verhelfen den neoliberalen Zielen, Privatisierung, Deregulierung und Flexibilisierung, immer mehr zum Durchbruch zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung und der Unterschichten (vgl. auch die EU-Deregulierungen im Fernbusverkehr !).
Aber was soll's, wir bleiben doch alle brave Proeuropäer, glühende Europäer und überzeugte Europäer! Denn was wäre die Alternative? Proasiaten oder Proafrikaner?
>>Proasiaten oder Proafrikaner?<<
Oder Pro-letarier aller Länder?
Was spielt das noch für eine Rolle? Ob "Pro Europäer, oder Pro Asiaten, oder Pro Afrikaner?" oder Weltbürger“ ?das Kapital kennt doch schon lange diese Unterschiede nicht mehr, warum auch? lassen sich doch so blendend Rendite erzielen auf den Rücken von Milliarden von Menschen. Es irritiert aber immer wieder, so auch in Ihrem Beitrag, die Unterteilung von Rassen, Länder, Staaten?
Wieso eigentlich? bei den Produkten die aus aller Herren Länder zu Dumpinglöhnen produziert werden, und die westlichen Länder überfluten, habe ich noch niemals einen doch so aufgeklärten Pro Europäer gehört, der gesagt hätte: „Diese Produkte kaufe ich nicht mehr? Obwohl die Menschen welche in Sklavenähnlichen Zuständen ausgebeutet werden, und durch den Westen niederkonkurriert?
Solange billig, dann ist es dem Käufer Käuferin im Westen völlig egal, woher es kommt. Hauptsache billig.
Denn auch im sog. Westen mit seinen gerade einmal 12% der Weltbevölkerung leben auch nur noch vielleicht 1% gut, der Rest überlebt mehr oder weniger, oder glaubt an dem Märchen, irgendwann auch einmal dazu gehören zu können, wenn man sich nur "genug anstrengt" Denn dieser Mythos hält sich bis heute hartnäckig. Obwohl durch eigene Leistung wurden die wenigsten obszön Reich, sondern durch Ausbeutung.
Honorè de Balzac wusste schon Anfang des 18zehnten Jahrhundert. „Hinter jedem großen Vermögen steht ein großes Verbrechen“ Und daran hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil es ist noch viel schlimmer.
1 typischer kommentar:
in form, der analyse-tiefe, dem welt-umspannenden blick,
der sich nicht durch details irritieren lässt und der
aussicht auf mögliche änderung.
Zitat: "Deshalb sei es nötig, die Arbeitnehmer zum Sparen und Investieren am Aktienmarkt zu motivieren, um sie an den Kapitalgewinnen zu beteiligen."
Warum so umständlich und kompliziert? Das geht doch auch viel einfacher, indem man den Arbeitnehmern höhere Löhne zahlt, die mindestens der Produktivitätssteigerung entsprechen.
Warum muss man die Arbeitnehmer erst jahrelang wie eine Zitrone ausquetschen und die Löhne drücken (Stichworte: Lohnzurückhaltung, Lohndumping, Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, Arbeitszeitverlängerung, Privatisierung, Sozialstaatsabbau, Steuersenkungen für Reiche und Superreiche), um die Arbeitnehmer am Ende dann an den Unternehmensgewinnen, die sie selbst erwirtschaftet haben, mit ein paar Brosamen zu beteiligen?
Könnte es vielleicht daran liegen, dass es Dritte gibt (Fondsmanager, die Aktionäre der Banken, Broker, Anlageberater, Spekulanten, Rating-Agenturen, Wirtschaftsprofessoren vom Typ Raffelhüschen, Rürup usw.), die ähnlich wie bei der privatisierten Rente massiv am "investierten" Geld der Arbeitnehmer mitverdienen wollen und sich manche dabei sogar eine goldene Nase verdienen wollen?
Und wer trägt das sogenannte unternehmerische Risiko, wenn es denn doch schief geht und die sogenannten "Top-Manager" der Unternehmen und die "Spitzenbanker" der Banken Verluste erzielen? Die Top-Manager, Spekulanten, Aktionäre und Spitzenbanker mit Sicherheit nicht, wie man bei der letzten Bankenkrise gesehen hat. Und wie war das mit der sogenannten New Economy? Auch schon wieder vergessen?
Warum lassen sich so viele Arbeitnehmer in Deutschland von Lobbyisten der Wirtschaft und neoliberalen, konservativen und pseudo-sozialdemokratischen Politikern ständig das Fell über die eigenen Ohren z iehen? Ist das Opportunismus, Autoritätsgläubigkeit, Dummheitheit oder woran liegt das?
Und was sagt "Mutti" Merkel dazu? - Ganz einfach, "Mutti" Merkel sagt dazu wie üblich gar nichts, denn die Bundeskanzlerin macht seit rund 20 Jahren das, was die Oligarchen in Deutschland noch reicher macht und nicht das, was den Arbeitnehmern nützt.
Es wird Krieg geben, denn Krieg ist für Neoliberale, Alternative und Konservative die Krönung der Marktwirtschaft.
>>Könnte es vielleicht daran liegen, dass es Dritte gibt (Fondsmanager, die Aktionäre der Banken, Broker, Anlageberater, Spekulanten, Rating-Agenturen, Wirtschaftsprofessoren vom Typ Raffelhüschen, Rürup usw.), die ähnlich wie bei der privatisierten Rente massiv am "investierten" Geld der Arbeitnehmer mitverdienen wollen und sich manche dabei sogar eine goldene Nase verdienen wollen?<<
Genau darum geht es im obigen Artikel.
>>Und wer trägt das sogenannte unternehmerische Risiko, wenn es denn doch schief geht und die sogenannten "Top-Manager" der Unternehmen und die "Spitzenbanker" der Banken Verluste erzielen?<<
Solche breit anlegenden Invesitionsfonds wie Blackrock machen praktisch nie Verluste: Verlust einer Anlage wird durch Gewinne anderer Anlagen aufgefangen. Je grösser der Fond, um so sicherer ist der Gewinn „unterm Strich“.
Das heisst aber nicht, dass die Grossinvestoren harmlos sind: gerade sie üben erheblichen Druck auf Firmenmanagements aus, den MAXIMALEN Profit aus dem Laden herauszuholen. „Share holder value“ ist ihr einziges Ziel. Sie können sogar durch maximales Profitabpumpen bei gleichzeitig exzessivem Sparen eine Firma ruinieren: Der Grossinvestor weiss ja am besten, wenn der Zeitpunkt zum Abspringen gekommen ist (Heuschrecken-Prinzip“). Die Grossinvestoren Blackrock & Co. sind eine Entwicklungsstufe des Kaputtalismus, vielleicht die Letzte: Sie produzieren nichts, ihre einzige Tätigkeit besteht im optimierten Profitsaugen. Parasitismus in Reinstform, von allem produktiven Ballast befreit.
@ Dietmar Wiening
Mir geht es nicht um die Unterteilung in Länder, Staaten oder Kontinente, sondern in meiner ironischen Schlussbemerkung geht es mir um Sprachkritik. Der Begriff "Proeuropäer" ist ein Mittel der Meinungsmache, denn ich kann ja kein Befürworter eines Kontinents sein. Gemeint ist vielmehr die Zustimmung zur neoliberal agierenden EU einschließlich der Troika, zu deren segensreichem Wirken in Griechenland Harald Schumann einen guten Film gedreht hat. Wer dieser Zustimmung nicht fähig ist, wird dann schnell als "Links-" oder "Rechtspopulist" abgestempelt oder gar als "prorussischer Putinversteher" verleumdet, der die "westliche Wertegemeinschaft" der "internationalen Gemeinschaft" verleugnet, so "heißt es" bei "zahlreichen Beobachtern" und "Aktivisten".
Die Sprache ist verräterisch! Und die herrschende Sprachregelung ist die Sprachregelung der Herrschenden!
Dass es bestenfalls eine ökonomische Milchmädchenrechnung, schlimmstenfalls dreiste Eigennützigkeit ist, haben Pena, Schumann und @dos schon hinreichend dargelegt, das werde ich daher nicht wiederholen.
Stattdessen möchte ich die Frage aufwerfen, wohin diese Entwicklung auf längere Sicht führt: Eine extreme Monopolbildung auf Seiten des Kapitals, verbunden mit zunehmender Ungleichheit und abnehmenden Wachstums- und Profitraten - und dann? Wenn es zwar Unmengen an Anlagekapital gibt, diese aber mangels Rendite nur noch 'um sich selbst kreisen', klingt mir das sehr nach Kapitalismus im Endstadium.
Man kann 'Proeuropäer' auch anders verstehen: Als diejenigen die verstehen, dass einzelstaatliche politische Regulierung im 21. Jahrhundert nicht funktionieren kann, und wir mindestens europäische, im Idealfall globale Lösungen brauchen. Siehe Steuerpolitik, Bankenregulierung, Umwelt- und Klimaschutz, Digitalpolitik...
Als meinereins Mitte der Achtziger vorhersagte, daß sich die Privatwirtschaft Sozial- und Krankenversicherung unter den Nagel reißen würde, schlug mir ungläubiger Nihilismus entgegen. "Undenkbar" schien der Gedanke dem Michel, der es nicht gewohnt ist, analytisch zu sein.
Selbstreden dabei, daß für „PEPP“ und dergleichen Schürfrecht Demographie herzuhalten hat, die vor etwa 25 Jahren gezielt durch Auftragspublizität alleingestellt und aufgeblasen wurde.
Ebenso selbstredend, daß der Trichter, gewaltige Tortenstücke aus Arbeitsmehrwert und in die gleichen Privatschatullen abfließende Besteuerung zu verschlanken, damit sich abhängig Beschäftigte vom eigenen Produktionswert etwas zurückzulegen vermögen (und nebenher als Konsument Konjunktur stärken) nicht in die präsentierte Tüte kommt, versteht sich hieb- und stichfest seit Manchester.
Zu erwarten sind traditionell en vogue Konstrukte, in denen Kausales und Substantielles außen vorbleibt. Wie es sich halt anbietet, wenn man Menschen die Wurst von der Schnitte zaubert.
Das ganze "wirtschaftswissenschaftliche", zynisch simulierte Gewäsch kann mündigem Geist nur zu wundem Hals heraushängen. Der Rentnerin, die unter Glaspalästen Pfandflaschen aus dem Müll holt, allemal.
”There’s class warfare, all right, […] but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.” – Warren Buffet im Interview mit Ben Stein in New York Times, 26. Novemberr 2006
(„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“)
Ich frage jene, die sich der politischen Ökonomie verschrieben haben, ich frage die Moralisten, ob sie schon die Zahl der Menschen berechnet haben, die zum Elend verdammt sind, zu unverhältnismäßigen Arbeitsleistungen, zu Demoralisierung, Schmach, Unwissenheit und zum Ruin, zu unüberwindbarem Unglück und absoluter Entbehrung – nur um einen einzigen Reichen zu produzieren.
Almeida Garrett in Der Mönch von Santarem,
1842 geschrieben und erstaunlich aktuell
"klingt mir das sehr nach Kapitalismus im Endstadium"
Bingo
Dies beweist doch, wie notwendig das als Solidarsystem genannte, eine ordentliche Kapitalzufuhr zu verpassen, in Gestalt von Einzahlung für alle in eine Bürgerversicherung, die dann die vielbeklagte Spaltung der Gesellschaft reduzieren würde. Die geht ja nicht weg, wenn man nur darüber redet.
Es gibt doch genügend Fachleute hier und nicht nur Professoren, die in Aufsichtsräten von Versicherungskonzernen sitzen und die wie schon vor mehr als 10 Jahren die gleichen Interessen vertreten.
An anderer Stelle ging es letztens um die Frage, ob die Überwindung des Kapitalismus notwendigerweise der Vergesellschaftung der Produktionsmittel bedarf. Ich denke nicht - es reicht, dass sich (im wesentlichen) keine Rendite mehr erwirtschaften bzw. kein Mehrwert aneignen lässt. Das könnte z.B. durch ein Umdenken in der Rechtsprechung geschehen: Was wäre, wenn soziale Grundrechte bzw. gesellschaftliche Bedürfnisse sowie ökologische Grenzen höher gewertet würden als private Eigentumsrechte?
Nee, dafür braucht man nicht mal in der Rechtssprechung umdenken, denn der Kapitalismus scheitert an den ureignen Ansprüchen. Wachstum war gestern.
Jetzt einen neuen gesllschaftlichen Wert zu "setzen" , sowas wie soziale Gerechtigkeit, Befriedung, Emanzipation ... antsatt Enteignung und Entmündigung, ist sicher wichtig, aber zuerst müssen noch die "Stadthalter" der Macht klein beigeben. Das ist aber noch nicht geschehen. Sie zappelen noch herum und versuchen Unmögliches, nämlich ihre auf Wachstum beruhende Kalfaktor-Macht zu verteidigen, was natürlich Unsinn ist. Alles weitere findet sich, wenn es soweit ist ... ich bin optimistisch. Chaos bietet mehr Potenzial als ein rigides Dogma.
Am besten wir setzne uns für ein effizientes Modell gegen den Machtmissbrauch ein. Das werden wir in Zukunft brauchen können.
Sicher, früher oder später scheitert er daran - aber wenn bis zum letzten Moment versucht wird, trotz ausbleibenden Wachstums noch irgendwo eine Rendite rauszuquetschen, macht er vor seinem Ende noch vielen Menschen das Leben zur Hölle und ruiniert die soziale und materielle Infrastruktur. Das kann verhindert bzw. begrenzt werden, wenn sein Wirkungsbereich bzw. der Renditevorrang politisch eingeschränkt wird.
Den Satz 'Chaos bietet mehr Potenzial als ein rigides Dogma. ' finde ich interessant - nicht falsch, aber mindestens schwierig. Denn im Chaos setzen sich meist die simpelsten, emotionalsten Aufrufe durch - und das Versprechen von 'Ordnung', das meist mit einer gehörigen Portion Skrupellosigkeit verbunden ist. Wenn es nicht vorher schon konsensfähige 'neue gesellschaftliche Werte' gibt, bin ich nicht so optimistisch, dass es sich dann 'schon findet'.
(Kalfaktor?)
"vor seinem Ende noch vielen Menschen das Leben zur Hölle und ruiniert die soziale und materielle Infrastruktur. Das kann verhindert bzw. begrenzt werden, wenn sein Wirkungsbereich bzw. der Renditevorrang politisch eingeschränkt wird."
Kommt mir nicht so vor , denn sonst würde man es schon verhindern, denn es (diese Hölle) passiert ja bereits und zwar mit Vollgas. Das ist es , was ich meinte. Dieses "Machterhaltungschaos" ist bereits der Untergang , die Transition, wird aber von den Meisten nicht als solcher erkannt. Die Hölle wird also realisiert, weil die "Stadthalter" gehorchen und die Eliten glauben sich so noch etwas über Wasser halten zu können, was ja auch stimmt. Die gesellschaftliche Katsatrophe wird aber gerade durch ein versuchtes Weiter-wie-immer noch schlimmer gemacht als sie schon ist. Vernunft und Einsicht war eben noch nie die Stärker der religiösen Dogmatiker.
Das resultierende Chaos beinhaltet den ebenso chaotische Kampf um die nächste "Ordnung" . Natürlich bieten sich da auch schreckliche Vartianten an, aber eben auch gute. Es ist aber nicht möglich im Vorfeld einen Konsens zu konstruieren oder zu erlangen - es fehlt wie gesagt die Vernunft dazu. Die neue Ordung ergibt sich erst aus den neuen Gefühlen und damit Gedanken in der neuen, resultierenden Situation. Es ist aber möglich in dieser instabilen, offenen und chancengeladenen Situation strategisch geschickt zu agieren. Die Chancen für eine bessere Gesellschaft stehen 50:50. So viel Chamce war lange nicht mehr.
Zu dem Thema ist zB. Wallerstein sehr lesenswert.
Danke für die Informationen !
Ich sympathisiere durchaus mit System- und anderen langfristig orientierten Theorien. Allerdings machen diese tendenziell den Fehler, Dauer und Zerstörungspotential von Übergängen zu unterschätzen. ‘Irgendwann’ setzt sich eine neue Ordnung durch, die aus den Fehlern der vergangenen lernt - aber was passiert bis dahin, bzw. wieviele Menschen erleben diese neue Ordnung noch?
Es gibt z.B. aktuell eine Denkrichtung, derzufolge die Automatisierung eine gute Gelegenheit sei, die ‘Über’bevölkerung zu reduzieren - denn wenn Roboter die ganze Arbeit machen, seien ein Großteil der Menschheit ‘überflüssige Esser’. Diese manchmal als ‘Exterminismus’ bezeichnete Ideologie mag heute extremistisch bis absurd erscheinen und kaum Anhänger finden, aber muss das im akuten Krisen- bzw. Katastrophenfall so bleiben? Die Neocons wurden in den 80ern verlacht...
Die neue Ordnung entsteht erst dann, wenn sie gebraucht wird - aber nicht aus dem luftleeren Raum, sondern aufbauend auf einem bereits vorhandenen Diskurs. So gesehen spielt es m.E. eine große Rolle, welche Ideen sich bis dahin in der Gesellschaft ausbreiten. Es mag utopisch sein, ‘im Vorfeld einen Konsens zu konstruieren’, aber zumindest die Grundlage eines konsens*fähigen* Wertesystems kann und sollte gelegt werden.
Dass wir heute schon eine ‘Hölle’ erleben, würde ich bestreiten. Es gibt genügend negative Auswirkungen des ‘Machterhaltungschaos’, aber deswegen zu glauben, es könne nicht noch (deutlich) schlimmer kommen, ist m.E. naiv bis gefährlich.
Ich finde Sie interpretieren eine Menge in meine Antwort hinein (???) weil ich von bestimmten Details nicht geschrieben haben, sondern mehr das big picture abstrahiere.
Natürlich kann es noch viel schlimmer kommen - kann es übrigens immer, natürlich ist die Hölle schon längst da - nur nicht in Kerneuropa, aber woanders durchaus , sonst würden die Leute von der kapitalistischen Peripherie ja nicht zum Kern strömen ... und natürlich ist ein "konsensfähiges Wertesystem" im Moment komplett utopisch, denn wie soll eine Gemeinschaft, die nur einen einzigen Wert kennt und zwanghaft befolgt, und die bei der Präferierung anderer Werte umgehend durch soziale "Entwertung" und Ausschluss bestraft wird, denn theoretisch eine anderes Wertesystem erstellen können. Als Idealismus ist es natürlich längst vorhanden - sozusagen als Brief an den Weihnachtsman : siehe human rights charta ausser § 13, aber das ist doch alles weder real noch realistisch im Moment - und zwar wegen § 13 : Recht auf Privateigentum (ist 1789 noch schnell rein gemogelt worden vom Geldadel).
In einer politischen Konstruktion, in der der Staat für nichts anderes da ist, als Eigentum mit Gewalt zu schützen, sei es nun intellektuelles, ideelles oder reales, kann kein ethisches Wertesystem entstehen - wie denn?
Erst wenn der Zusammenbruch wie auch immer erfolgt ist, kann anderes vielleicht schon Gedachtes vielleicht probiert werden.
Es ist aber bemerkenswert, dass das Wissen der Menschheit den crash natürlich überleben wird. Nur die Gewissheit des Systems, die immer eine Illusion, ein ideologisch-religiöses, quasi transzendentes Konstrukt war, offenbart sich in Anbetracht der Immanenz ja bereits heute immer mehr Menschen als solche und wird also untergehen. Das ist gut so, denn Gewissheit ist der Ausschluss jeder Ethik durch Dogmatik. Diese wiederum ist immer der initiale Impuls für Gewalt und Intoleranz zu Gunsten weniger Dogmatiker. Es geht aber darum eine ideologiefreie Gesellschaft zu erreichen, jenseits von Hierarchie und Machtmissbrauch. Sehe ich zumindest so. Alles andere wäre ja nur ein Deklination des Scheiterns, wie wir es bereits erleben....
Die einzige Chance dieses wohlmöglich destruktive Chaos zu einer akzeptablen Ordnung zu verwandeln, also solch eine Ordnung zu erkennen und zu praktizieren, besteht in der realistische Sicht, historisch und gegenwärtig reaktiv, anstatt verängstigt und reaktionär. Es gibt keine Möglichkeit den Systemwandel aufzuhalten. Es gibt aber die Möglichkeit ihn nicht zu negieren und zu verleugnen. Nur dann kann was draus werden. Da sind wir aber leider noch nicht, weil die meisten Menschen sich nicht vorstellen wollen, dass es auch anders gehen kann und muss und sich anscheinend lieber blind in den Untergang treiben lassen.
Ansonsten sei gesagt: Es gibt nie "überflüssige Esser". Eine Gesellschaft hat immer genau so viel Esser wie sie ernähren kann - das ist die Natur der Dinge. Dass sie es wegen einer fehlenden oder quasi negativen Ethik bzw. Praxis nicht tut, ist ein ganz anderes Problem. Der Begriff "überflüssige Esser" ist ein sehr anschauliches Beispiele für diese besagte Nichtethik, die ihr größtes Defizit noch zur Natur (des Menschen?) erklären will, sich einzig noch um Imaginäres dreht. Der akute Untergang ist diese radikale Abwendung von der Realität, hier als materielle Immanenz, also als Monismus verstanden. Aus philosophischer Sicht braucht man sich nicht wundern. Nietzsche behält historisch recht: Alle Werte werden zerstört werden … zugunsten des "Übermenschen", der aber ist nur der Selberdenkende (nicht irgendeine dumme ”Herrenrasse”), der nicht vor den Dogmen oder irrationalen Idealismen auf die Knie fällt, sondern sie verlacht. Nietzsches Überwindung des Menschen ist die Überwindung des Denkmodells durch den Einzelnen, des fallenden historische System als Wandel im Denken. Das der Wandel im eignen Kopf anfängt und anfangen muss, ist heute fast ein Allgemeinplatz, aber leider noch wenig praktizierter.
Welchen andere Möglichkeit sollte es schon geben können. Ich sehe da nichts anderes. Und wenn, dann ist es, wie Sie sagen, wahrscheinlich noch schlimmer als das, was wir jetzt haben. Und wer will das schon?
Eigenartig.
Einerseits teile ich ihren Pessimismus nicht, andererseits ihren Optimismus.
Die heutige Welt ist m.E. weniger grundschlecht als Sie annehmen. Eine Annahme, die ich insofern für problematisch halte, als sie schnell zu einem ‘Es kann nur besser werden, also hinweg damit!’ werden kann. Das wäre ein fataler Irrtum: So sind z.B. die bestehenden demokratischen Institutionen alles Andere als optimal - und trotzdem unbedingt zu verteidigen, solange wir nicht absolut sicher sind, dass wir etwas Besseres, Demokratischeres haben.
Wenn Sie hingegen schreiben, dass “das Wissen der Menschheit den Crash natürlich überleben wird”, haben Sie dafür m.E. wenig Vorstellung davon, wie ein wirklicher ‘Crash’ aussehen kann. Das Wissen der Maya ist verlorengegangen, ebenso das der frühen griechischen und anderer Hochkulturen. Wenn das politische und das Wirtschaftssystem kollabieren, sterben nicht nur viele Millionen Menschen, es gibt auch einen ‘zivilisatorischen Rückschritt’. Ob nach einer ‘dunklen Zeit’ noch irgendwer unsere heutigen Festplatten auslesen könnte?
“Erst wenn der Zusammenbruch wie auch immer erfolgt ist, kann anderes vielleicht schon Gedachtes vielleicht probiert werden.” - Das sehe ich anders, Chiapas lässt ebenso grüßen wie Gandhi oder das Ende der Apartheid. Grundlegende Reformen sind auch ohne Zusammenbruch möglich. Und auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Im Chaos, das dem Zusammenbruch folgt, kann eine emanzipatorische oder eine autoritäre ‘neue Ordnung’ entstehen. Letzteres ist deutlich häufiger, von daher sollten wir den Crash soweit möglich vermeiden und uns überlegen, wie wir eine progressive Entwicklung (ob mit oder ohne Crash) befördern, die Grundlagen dafür legen können (...auf dass die Saat zur gegebenen Zeit aufgehe. Amen.;-).
An dieser Stelle sind wir m.E. sehr nah beieinander: Sie sagen, dass ‘der Wandel im eigenen Kopf anfängt und anfangen muss’ - und ich ‘Die neue Ordnung entsteht erst dann, wenn sie gebraucht wird - aber nicht aus dem luftleeren Raum, sondern aufbauend auf einem bereits vorhandenen Diskurs’. Das ist letztlich ziemlich genau dasselbe mit etwas anderen Worten, oder? nb, ich glaube Sie unterschätzen Ihre Mitmenschen. Es gibt sehr viele, die durchaus denken ‘dass es auch anders gehen kann und muss’; sie wissen nur nicht genau wie und haben Angst vor dem Sprung ins Ungewisse, solange sie noch etwas zu verlieren haben.
Ich weiß zwar nicht ganz, wie Sie darauf kommen, aber “Gewissheit ist der Ausschluss jeder Ethik durch Dogmatik.” finde ich einen sehr interessanten Satz. Aber ist eine “ideologiefreie Gesellschaft” nicht ein Widerspruch in sich, weil die propagierte Ideologiefreiheit doch selbst wieder eine Ideologie ist? Gerade im ‘Chaos’ haben allerdings Ethik und differenziertes, eigenständiges Denken gegenüber Dogmatik und simplen, klaren Ansagen fast immer das Nachsehen. ‘Egal wie, Hauptsache es herrscht Ordnung’ - siehe Somalia oder Afghanistan.
Natürlich ist es der Gipfel der Nichtethik, Menschen im- oder explizit als ‘überflüssige Esser’ zu betrachten. Die dahinterstehende Überlegung hat aber einen ernsten Hintergrund: Wenn die Gesellschaft aufgrund des Klimawandels ihren Ressourcenverbrauch senken muss, kann entweder der Konsum aller ihrer Mitglieder reduziert werden - oder deren Zahl. Aus Sicht der ‘Eliten’ (erlauben Sie mir diesen problematischen Begriff) ist das leider keine rethorische Frage: Wenn dank Automatisierung keine Arbeitskräfte mehr gebraucht werden - warum sollten sie dann noch ‘durchgefüttert’ werden? Jeder zusätzliche Esser bedeutet, dass weniger Ressourcen für die oberen Zehntausend bleiben...
Indirekt wird das in Südeuropa bereits praktiziert: Da (viele) junge Leute zu wenig Geld verdienen, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können, gründen sie keine Familien. Wenn es lange genug anhält, macht sich das bei den Geburtenraten und der Bevölkerungsentwicklung bemerkbar. Humaner als bei den nordenglischen Töpfern des 19. Jahrhunderts, sicher...
Lieber Smukster, erstmal einen Dank für die ausführliche Antwort. Sie können sich denken, dass ich dazu viel zu erwidern habe. Fange also mit dem Wichtigsten an.
Natürlich weis ich nicht genau wie der Crash verlaufen und aussehen wird. Natürlich möchten man keinen abrupten Bruch, sondern eine möglichst intelligenten Übergang zu einer anderen Form des Wirtschaftens, denn um mehr und nicht um weniger geht es, damit eben nicht Millionen über die Klinge springen. Obwohl ich hier etwas unsentimental, jedoch realistisch, zu erscheinen mir erlaube, denn der Kapitalismus erzeugt auch ganz ohne Crash systematisch ständig Millionen von Opfer, Todesopfer. Das sollte man nie ausblenden oder falsch deuten.
Was ist ein möglichst intelligenter Übergang? Er besteht zunächst darin sich soweit wie möglich der Wahrnehmung der Realität anzunähern. Und das führt nach allen Quelle, auf die ich verweisen kann, zu der Einsicht, dass der Crash sich gar nicht vermeiden lässt. Gesellschaftssysteme schleichen sich gewöhnlich nicht klammheimlich aus der Geschichte heraus, sondern meist gibt es einen banalen Auslöser während der instabilen Endphase des Systems und schon ist es geschehen und das Ding kippt. Ich kann das zur Not weiter ausführen, aber kurz gesagt weisen alle Indizien auf ein Ende des Kapitalismus, dieses historischen Systems wie wir es kennen, hin. Das Dogma scheitert in jeder Hinsicht an der Realität, dem Immanenten (im Gegensatz zum Transzendenten des Dogmas).
Es ist also kein Pessimismus, den sie nicht teilen, sondern Realismus - frei nach dem Motto: Dem Idealist ist Realismus Pessimismus.
Natürlich habe ich ein vage Vorstellung von der Tragweite eines Crashs. Auch ich wünsch mir den keinesfalls herbei und auch nicht meinen Kindern … Sondern ich wünsche mir, dass die Mengen aufwachen aus ihrer ideologischen Verleugnung der Welt, um den unvermeidbaren Untergang durch intelligent Resilienz soweit wie möglich abzumildern. Das aber geht nur wenn man einsieht wo wir sind als Weltgemeinschaft. Davon ist aber gerade ökonomisch-politisch nicht zu sehen. Im Gegenteil ist des kapitalistischen Dogma ganz offensichtlich eben nicht lernfähig, reformierbar, zähmbar … sonst wäre das doch längst geschehe, denn die theoretischen Einsichten sind ja schon lange vorhanden. Ich weis gerne zB. auf die ”Grenzen des Wachstums” hin ( MIT Studie für den Club of Rome 1972 , wenn ich nicht irre). Genau seit man die physischen Imitationen wissenschaftlich erfasst hatte, ist es auch schon bergab gegangen … oder Umgekehrt wird vielleicht auch ein logischer Schuh draus. Seit es bergab geht, weis man auch warum. Mittlerweile gibt es sogar ökonomische Studien, die belegen, dass das realwirtschaftliche Wachstum nie wieder kommt - weder national noch global.
Das ”Schlimme”, das ein vernünftiges, besser der Realität entsprechendes, intelligentes Verhalten quasi totalitär verhindert, ist also die Ideologie, das Dogma, und nicht etwa eine Defizit der menschlichen Möglichkeiten. Daher eine ”ideologiefrei Gesellschaft”. Auch wenn diese eine möglichst ideologiefreie Gesellschaft wäre, wäre uns schon geholfen, aber am beste sie würde sich nur auf Empirie stützen in ihren Handlungsschemata und Entscheidungsprozessen, was natürlich am besten oder soagra nur ohne Hierarchie und Machtmissbrauch funktioniert.
Nehmen wir die Einsicht, dass Hierarchien immer zu Katastrophen führen - das kann man historisch gut belegen. Diese Einsicht ist ein Lernprozess der gerade heute nach bestimmte rationalen Überlegungen existenzieller Natur sich vollzieht. Das Novum dabei ist vielleicht, dass diese sich auf ein Gemeinwohl bezieht, beziehen muss, und sich gegen schädliche, radikale bis letale partikulare Interessen zu schützen wissen muss. Das wiederum kann man ja nicht gerade als neue ”Ideologie” bezeichnen. Ideologie dagegen, bezieht sich immer auf irrationale Erklärungsmuster bzw. Ansprüche, wie sie dann als Dogmen sich manifestieren, zB. das Dogma der ”unendlichen Akkumulation”. Irrationaler geht es nicht mehr, und daher muss es in eine Ideologie eingebettet werden, ähnlich der monotheistischen Ideologie eines Glaubens an Gott, die unbefleckte Empfängnis und ähnlicher Blödsinn, zumal Herrschaftsansprüche, denn auf die allein läuft jede Ideologie hinaus. Es geht aber um eine Nichtideologie, weil es nicht um Herrschaft gehen kann, nicht mehr gehen darf in der nächsten Runde, denn sonst landen wir ja nur in der besagten Deklinationsschleife : Alles muss sich ändern, damit es das selbe bleiben kann. Das ist das berüchtigte ”Lampedusa Prinzip”. Nein gerade das wollen wir doch angesichts der Immanenz nicht, den das wäre das allseits wegen ideologischer Unfreiheit befürchtete noch Schlimmere. Und auch ein wissenschaftlicher Positivismus hilft uns da nicht wirklich weiter, wenn es um die Überwindung der Herrschaft geht, um die Nichtherrschaft, die Irrationalität = Realitätsferne überwindet.
Warum muss es unbedingt um die Überwindung der Herrschaft gehen? In einer Gesellschaft, die Macht ungleich verteilt, wird auch alles andere ungleich verteilt. Wenn wir eins aber alle wissen, dann dass. Und genau das ist ja unser mittlerweile globales Problem bzw. die Ursache aller Probleme.
Die allgemeine Angst vor dem Chaos ist natürlich verständlich, aber das Chaos des sich auflösenden Kapitalismus ist nicht mit dem Chaos vergleichbar (ihre Beispiele: Somalis , Afghanistan etc.) oder gleichzusetzen, das der Kapitalismus selber systematisch (und dogmatisch begründet) erzeugt - ein Chaos nämlich, dass keine andere Ordnung beinhaltet oder befördert, entstehen lässt als die bedingungslose Unterwerfung unter das Dogma … oder die totale Zerstörung.
Das Chaos der Auflösung des Systems aber beinhaltet tatsächlich andere optionale Ordnungen , zumindest ab dem Moment wo es ausreichend vielen Menschen klar geworden ist, dass das Dogma untergeht und mehr als diesen Untergang nicht mehr zu bieten hat.
Wenn sie mich fragen, befinden wir uns mitten in dieser chaotischen Auflösungsphase. Betrachten sie mal einen Augenblick lang die Ökonomie, die Tagespolitik, die weltpolitische Farce aus diesem Blickwinkel….
Wenn die Menschen hier und anderswo ein Chancen haben wollen, dann brauen wir Ökologie anstatt Ökonomie, Kreislaufwirtschaft statt Wachstum, Infrastruktur statt Militär, vertikale Entscheidungsprozesse statt Diktatur. Denn Diktatur ist immer Untergang, strunzdumm, rigide, lächerlich und lebensfeindlich gefährlich. Wir wissen das doch alle, gerade in Deutschland.
"vertikale Entscheidungsprozesse statt Diktatur." ist natürlich Blödsinn : Horrizontale Entscheidungprozesse waren gemeint, sind aber natürlich auch kritisch zu bedenken, denn sie hängen stark von der jeweilige Situation oder Struktur ab ... Autonomie ohne Herrschaft ist ein verflixter "gordischer Knoten", der schon an der Vorstellungskraft der Meisten scheitert ... ist man doch mehrheitlich an totale Unterwerfung gewohnt.
In den Achtzigern wurde die Parole verbreitet, daß alle Ideologie pauschalisierend und schrecklich sei. Es war wohl die Geburt der Pisa-Generation.
Beizubehalten ist das vorgespiegelte Ideal der Demokratie, um es (und dessen Voraussetzung unverfälschter Bildung & Information) schließlich umzusetzen.
Wie Erfahrung zeigt, ist dies jedoch LEIDER kaum gewaltlos zu realisieren, da Machthaber in ihrer Gewissenlosigkeit zu gewaltfreier Aufgabe und Vernunft nicht bereit sind.
Problem bei alledem, daß ökologisch kein Spielraum für historisch übliche Jahrhunderte des Umschwungs existiert.
Entweder ein Aufwachen stellt sich in nie dagewesener Geschwindigkeit von wenigen Jahren ein, oder der Zug der Umkehrbarkeit ist abgefahren.
Deprimierender Weise war Hoffnung auf rechtzeitige Rationalität noch nie so utopisch wie heute. Zugleich sprießen potentielle Segnungen der Technologie, daß es eine solche Schande wäre, ausgerechnet nun zu kentern und mit sich auch gleich die gesamte irdische Evolution zu begraben.
Wollt ihr den totalen "krieg" (ich alles)?