Herr und Frau Kusai sind vom "Stammtisch der Außenseiter" im Münchener Hofbräuhaus. Sie haben sich die Mühe gemacht, dem unbewanderten Besucher die bayerische Stammtischkultur mit ihren Sitten und Gebräuchen näher zu bringen.
Herr Kusai: Im Hofbräuhaus gibts über 100 verschiedene Stammtische. Ganz da vorne is beispielsweise der "Prinzregent Luitpold Stammtisch". Des san halt Prinzregent Luitpold Fans, da geht´s um die Zeit vom Prinzregent Luitpold, des wird bei uns auch geredt. Unsre Bayern Könige, da halten wir schon was drauf. Und dann gibt´s den "König Ludwig II. Stammtisch", und die "Wiude Rundn". Der "Verein gegen betrügerisches Einschenken" da drüben, is koa Stammtisch. Des is a richtiger Verein. Stammtische san eigentlich Leute, die sich treffen, ohne dass ma a richtiges Ziel hat.
Frau Kusai: "Stammtisch der Außenseiter" heißts aus dem Grund, weil des früher, vor 50 Jahren oder so, Leut waren, die immer auf die Pferderennbahn gegangen sind. Die haben immer auf die Außenseiter getippt, die eigentlich nie gewinnen konnten, aber manchmal eben doch. Die Stammtischgründer von dem Tisch sind eigentlich scho alle tot. Er trägt nur den Namen, von denen, die ihn gegründet haben.
Herr Kusai: Am Freitag, da samma alle in Tracht da, in Lederhosn und passenden Hut dazu, dass halt alles zusammenpasst. Des is aber nur am Freitag eigentlich. Da ist alles voll mit Trachtlern, wie mir sagn. Und wenn ich Zeit hab, bin ich an meim Tisch am Freitag. Ich hab auch Schicht, deswegen kann ich net immer, aber wenn ich irgendwie Zeit hab, bin i da. Mei Frau natürlich auch.
Generell is es so, dass an jedem Stammtisch kleine Leute sind, also Verkäufer, Mechaniker, also die einen normalen Verdienst haben. Und es sind aber auch Leute da, die Professoren und Doktoren sind, also es ist bunt durcheinander gemixt. Denn an so einem Stammtisch zählt das nicht, was der eine arbeitet oder der andere arbeitet, oder wie viel Geld der oder der hat. Des is völlig uninteressant. Man weiß zwar des is a Doktor, und der is a Mechaniker, und der a Verkäufer. Des interessiert aber keinen.
Frau Kusai: Hauptsache es is a netter Mensch, des zählt.
Herr Kusai: Man redet über Politik, man redet über die Wirtschaftslage beziehungsweise man redet nicht, sondern man schimpft über die Politik und die Wirtschaftslage. Ja, des san normale Gespräche. Am Stammtisch, des is a gemütliches Beisammensein. Wenn einer Geburtstag hat, und des kommt sehr oft vor bei 25 Leuten, die an unserem Stammtisch san, dann wird eingekauft. Derjenige, der Geburtstag hat, kauft einen riesen Korb mit Wurscht und Pressack, alles bayerische Sachen halt. Dann wird miteinander gegessen. Da wird praktisch das Zusammengehörigkeitsgefühl untereinander gesteigert. Man isst miteinander, man trinkt miteinander, so ist des halt.
Frau Kusai: Des Hofbräuhaus is ja was ganz Besonderes. Da kommt die weite Welt zu uns. Des is ja so, dass man als traditionsbewusster Bayer schon aufgeschlossen is für andere Tradition und andere Völker und andere Lebensarten, und es kummt ja alles hierher. Man kummt ja immer mit Touristen ins Gspräch und des is immer interessant.
Herr Kusai: Da sitzen die ganzen Bayern. Gegenüber sitzen die ganzen Touristen. Und dann schauen die halt immer rüber. Dann kommen sie her: "Can I take a picture with you?" Dann legt ma halt an Arm rum, und dann macht sie a Bild oder er a Bild. Und dann zeigen sie des zuhause her. Einmal is a Japanerin gekommen, so a kleine Japanerin. Und die stellt sich dann so hin zu uns. Ganz frech stellt sie sich hin. Und unser oberster Boss, der sagt dann: "Hersetzen. Sit here!" Sie setzt sich hin, und dann hat sie auch was zu essen kriagt, und ihre Gruppen, die ham nur so geschaut, dass sie sich traut, sich einfach so herzusetzen und mit uns zu essen. Dann hat sie gegessen und is wieder zurück zu ihrer Gruppen, und dann war die Aufregung groß.
Ja und dann gibts diverse Japaner und Chinesen, die dann die Haut von der Weißwurscht mitessen, und wenn ma halt daneben sitzt, und ma sieht des, da geht ma halt hin: "Excuse me, this not right" und man schneidet ihnen die Wurscht auf, so wies halt gehört. Also die Haut weg. Des san halt so Gschichten, was man da so erlebt.
Und wenn dann Touristen kommen, die müssen uns natürlich auch gfallen von der Art her, wie sie sich geben. Und wenn sie uns nicht gefallen, sang ma halt: "No, this is a table with Germany." Da gibt´s welche, die san total ruppig. Die komma her und hocken sich einfach hi, und des mögen mir gar net. Weil des is a Tisch für uns. Kein Respekt! Und wenn des einer net hört, dann heißts hier: "Stand up! This is a table for Germany!" Und dann stehns auf, san züntig und genga. Aber wenn jetzt einer kommt und fragt, und es is a Platz frei, dann sang ma: "Ja. Platz frei." Und dann kommt ma miteinander ins Gspräch, und es is a in Ordnung. Ob des jetzt a Engländer oder Japaner is. Aber wenn einer den Stuhl rauszieht und hockt sich hi - da geht dann goarnix.
Frau Kusai: Man hat als Stammgast Pflichten und Vorteile. Die Vorteile san: man wird eingladen zu verschiedenen Veranstaltungen, und man muss weniger zahlen. Sprich Silvester, da zahlen mir ungefähr 30 Euro weniger als wie a normaler Kunde.
Herr Kusai: Und dann gibts die Pflichten: Du musst den Touristen a Vorbild sein. Also so bsoffen, dass ma wackelt oder pöbelt, oder lallt oder singt, des gibts net. Man muss auch irgendwie des Hofbräuhaus repräsentieren, des gehört zu den Pflichten. Man kann scho zuviel trinken, aber ma muss sich anständig aufführn. Es hat mal was gegeben, dass zum Beispiel einer, a Tourist war des, an Bierkrug klaut hat. Er is vorbeigangen, hat den Bierkrug klaut und is weitergangen. Und grad bei Touristen, also wenn die ein gewisses Quantum ham, des ham mir auch schon oft festgstellt, dann kommt ein gewisser Neid auf. Weil sie da drüben sitzen und mir ham ein Bierkrugfach und san schön anzogn und des stinkt halt manchen. Da war amal einer dabei, und der hat des halt so gmacht. Dann is einer von uns aufgstandn und hat gsagt, er soll den Krug da wieder hinstelln. Der is dann aggressiv gwordn und hat dem eine neikaun, also dem Stammtischler. Des hat er sich natürlich nicht gfalln lassen und hat dann einmal hinglangt und dann ist der Tourist flachglegn. Und dann is der halt raustragn worden beziehungsweise rausgschmissn worden, der Tourist natürlich. Der Stammgast hat keinen Ärger bekommen, er hatte ja über 50 Zeugen, die an den Stammtischen sitzen. Man muss ein gutes Beispiel abgeben, aber man muss sich nicht anpöbeln lassen.
Der Krug is die Seele eines jeweiligen Stammtischlers und soll den Münchner oder Bayern unterscheiden vom Touristen. Der Oane hat an Hirschgrantl droben, des is so a Teil vom Gweih, des wird a für a Messer verwendet, für die Griffe. Der andere hat an König Ludwig droben, der nächste hat an Dackel droben, der andere des Münchner Kindl. Mei Frau hat beispielsweise des Münchner Kindl droben und innen die Frauentürme und i hab a die Frauentürme und innen an König Ludwig. Dann gibts a noch die Zunftkrüge.
Frau Kusai: Wenn oaner beispielsweise Maurer war, dann lassens sich halt a Figur gießen, die wo a Spachtel in der Hand hat und a Ziegelstein. Des is a sogenannter Zunftkrug, also berufsmäßig. Der andere is a Schreiner, der hat dann a Figur mit a Säg oben, ge! Jeder hat a besonderen Krug, der passend zu einem selber is.
Herr Kusai: Logisch kommen auch amal Neue dazu, zum Stammtisch. Weil viele ziehen ja auch um, nach oben in Himmel, versteht sich. Wenn jemand öfter da is, man sieht ihn öfters, und er kommt auch öfters in Tracht und sitzt abseits, dann sagt ma halt a mal: "Kimm her, mogst net bei uns am Stammtisch sitzen?" Dann sagt er natürlich: "Ja!" Dann is er drinn. Aber für den Krug muss er scho a bisserl warten. Des kann bis zu eim dreiviertel Jahr dauern, je nachdem, wann halt amal wieder a Fach frei wird. Momentan haben 426 Münchner an Stammkrug und davon san ungefähr 40 Frauen. Die Frauen san nicht unbedingt erpicht auf ein Fach. Aber es is net so, dass Frauen kein Fach kriegen, des net. Mei Frau war erpicht drauf, und die hats natürlich a kriagt. Weil ich hab ja schon eins gehabt, da is des natürlich schneller ganga. Bei mir hats relativ wenig dauert von der Zeit her, weil ich war ja jeden Tag herin. Ich hab da in der Nähe gearbeitet und hab meine Mittagspause da herin verbracht. Und dann hat mich der Chef fast jeden Tag gsehn. Ich hab ihn dann auch alle zwei Wochen gfragt: "Wie schauts aus?" Alle zwei Wochen, a dreiviertel Jahr lang. Und irgendwann is er dann amal kumma. Da is er vor mir gstandn, hat mich ganz lang gmustert, hat zu mir runter gschaut, wegen Fettflecken oder was. Dann hat er gsagt: "So! Und jetzt is soweit." Ich gleich ausgflippt! Er hat nix gsagt, nur, ich sollte mitgehn ins Büro, und dann hat er mich erstmal über die Rechte und Pflichten aufgeklärt. Dann hab ich am selben Tag noch einen Bierkrug kauft, und dann war ich am nächsten Tag in der Mittagspause gleich drinnen und hab ihn eingesperrt.
Die Leute, die wo a Stammtischkrugfach haben, die san von der Einstellung her sehr traditionsbewusst. Tradition, Religion und Familie, des san die drei Werte, die was im Leben überhaupt was ausmacha, bayerische Tradition. Tradition gibts überall. Aber des is halt die unsere: Familie zuerst, dann Religion und dann Tradition. Du gehörst zu diesen Leuten, du bist einer, der traditionsbewusst is, des is a Aushängeschild. Damit verkörpert man, dass man mit der bayerischen Tradition verbunden ist.
Frau Kusai: Wia i mein Kruag kriagt hab, des is ja immer a bisserl a feierliche Sach, da war i natürlich auch ganz stolz drauf. Alle Stammgäste habens gwusst, dass i an Kruag kriagt hab. Und da vorn, an dem Stammtisch ist dann a älterer Herr gesessen, der war vielleicht so 75, der hat mir gleich a Bier ausgeben, damit also mein Krug eingeweiht wird vom ersten Freibier. Alle haben sich gfreut und haben gratuliert und des is einfach was besonderes. Des is für mi genauso, wie für mein Mann einfach an sichtbar´s Zeichen für bayerische Tradition. Man is a irgendwie stolz drauf, weils halt net so viele Stammkrüge oder so viele Stammfächer gibt.
Herr Kusai: Wenn ma dann des richtige Gwand an hat, und ma geht ins Hofbräuhaus, dann is ma halt stolz. Aber ma is net überheblich und net arrogant, des nicht. Man is halt stolz drauf, dass ma a Bayer is.
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