Angst vor niemandem

RUSSLAND Zwei Millionen Kinder leben landesweit auf der Straße. Sie flüchten vor Suff und Gewalt in Familien und Internaten
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Ina kratzt an einem angerissenen Fingernagel. Ihre Hände starren vor Schmutz. Erst vor ein paar Tagen hat sie hellen Nagellack aufgetragen. Aber der ist unter der schwarzen Schicht kaum noch zu sehen. Das wie ein Junge gekleidete Mädchen mit der Topffrisur, der grünen Bomberjacke und dem orangefarbenen Pullover hockt auf Knien in der Halle des Kursker Bahnhofs in Moskau und stellt sofort klar: "Ich bin ein Mädchen." Inas kleines Gesicht hat einen harten, erwachsenen Zug. Ihre Gesten ähneln denen einer 20jährigen. Sie ist aber erst elf. Vor Jahren starb der Vater - und als die Mutter im Suff vom Balkon fiel und ins Hospital kam, wurde ihr das Sorgerecht entzogen. Ina und der Bruder kamen in ein Internat nach Ljúberzy bei Moskau. Fünf Jahre lebte sie d