In den ersten Tagen der türkischen Offensive in Syrien wurde ein Video in den sozialen Netzwerken bekannt. Zu sehen waren von der Türkei unterstützte Truppen, die den Körper einer kurdischen Kämpferin schändeten. „Allahu Akbar! Das ist eine deiner Huren, die du uns geschickt hast“, rief einer der Soldaten, der über dem Körper der Frau mit dem Kampfnamen Ama Renas stand. Berichten zufolge war das Kommando Teil eines Zusammenschlusses von Söldnern, die die Türkei für die Errichtung einer „Sicherheitszone“ entlang eines nordsyrischen Abschnitts anheuerte, nachdem US-Präsident Donald Trump entschied, seine Truppen von der Region abzuziehen. Diese Entscheidung hat dazu geführt, dass die kurdischen Kräfte auf sich allein gestellt und Kämpferinnen nun doppelt von sexueller Gewalt bedroht sind.
Ähnliche Fotos und Videos von Soldaten, die die erfolgreiche Gefangennahme von kurdischen Frauen proklamierten, wurden von Journalisten und Wissenschaftlern in Syrien auf Twitter geteilt. Zudem geriet die 35-jährige Politikerin Hevrin Khalaf im Oktober nahe Tal Abyad in einen Hinterhalt. Berichten zufolge wurde sie aus ihrem Auto gezogen, zusammengeschlagen, an den Haaren gezogen und erschossen. Bilder ihres verstümmelten Körpers tauchten online auf und sorgten für einen internationalen Aufschrei.
Verbündet. Verlassen
„Mit der Ermordung unserer Freundin Hevrin Khalaf (…) wurde eine Nachricht an alle Frauen gesandt“, sagt Saristan Efrin, eine 31-jährige kurdische Kämpferin, stationiert in Al-Darbasiyah an der türkisch-syrischen Grenze. Efrin gehört zu den Frauenverteidigungseinheiten. Diese weibliche Miliz, die auch als YPJ bekannt ist, half dabei, die de facto autonome Region Rojava zu sichern, welche die türkische Offensive im Visier hat. 2013 gegründet, besteht die Einheit hauptsächlich aus ethnischen Kurdinnen, welche zusammen mit den männlichen Verteidigungseinheiten YPG in den Demokratischen Kräften Syriens (DKS) gekämpft haben. Die DKS standen an der Speerspitze der US-geführten Offensive gegen den sogenannten Islamischen Staat im nordöstlichen Syrien.
Die kurdische Politikerin Îlham Ahmed, ehemalige Vizepräsidentin des Demokratischen Rats Syrien (der politische Arm der DKS), sagte Haaretz, dass es „eine spezifische Form der Kriegsführung gegen Frauen“ gebe. „Wir haben das beim Mord an Khalaf gesehen. Ihr Tod repräsentiert diese Kriegsführung: Sie war eine Frau, die für die Freiheit kämpfte – und dafür wurde sie angegriffen.“
Jetzt, da türkisch unterstützte Milizen, syrische und russische Truppen auf die kurdische Enklave vorrücken, befinden sich die Kämpferinnen von Rojava in der verletzlichsten Position überhaupt. Hana, eine kurdische Aktivistin aus Qamischli, deren Name geändert wurde, sagte Haaretz in einem Telefoninterview, eine Niederlage sei für die Kämpferinnen „schlimmer, als zu sterben“. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sagt, dass sich die kurdischen Milizen aus Teilen der Grenzzone zurückgezogen haben. Die Kämpferin Efrin sagte Haaretz, dass sie blieben. Das Video von Khalaf „war für die Kämpfer wirklich wichtig, um den Frauen zu zeigen: Schau, das werden wir mit deinem Körper machen wenn du gefangengenommen wirst“, fügt Hana hinzu.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, dass sich die kurdischen Milizen von Teilen der Grenzregion zurückziehen. Die kurdische Kämpferin Efrin hingegen sagte Haaretz, dass sie bleiben. Am 9. Oktober startete die Türkei ihre grenzüberschreitende Militäroffensive in Syrien mit dem Ziel, die DKS von ihrer Grenze zu drängen. Durch eine am 23. Oktober erfolgte Einigung zwischen Moskau und Ankara wurde ein Teil des von den DKS gehaltenen Territoriums effektiv an die Türkei abgetreten. Kurdische Führer ließen aber verlauten, dass die türkische Offensive trotz der Einigung voranschreitet, auch in Gebieten außerhalb der ausgewiesenen 30 Kilometer langen Sicherheitszone.
Es gibt schätzungsweise 20.000 Kämpferinnen in der YPJ, die im Kampf gegen den IS zwischen 2013 und 2019 eine wichtige Rolle gespielt haben. Während die Vereinigten Staaten die Kurden im Kampf gegen den IS zu ihren Verbündeten zählten, betrachtet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sie als Terroristen, die mit der kurdischen Arbeiterpartei (bekannt als PKK, die sowohl die Türkei als auch die Vereinigten Staaten als terroristische Organisation betrachten) verbunden seien.
Als die Türkei der von den USA geführten Koalition zur Bekämpfung des IS beitrat, begann sie auch mit Verhaftungen und Razzien in kurdischen Bezirken innerhalb der Türkei, um die Aktivitäten der PKK im Rahmen eines größeren Konflikts zwischen dem Staat und der kurdischen Bevölkerung zu unterbinden. Die von der Türkei unterstützten Milizen im Nordosten Syriens „betrachten den Feind als Terroristen, aber die Frauen als Prostituierte. Sie betrachten sie auf ihre eigene, sehr patriarchale Art“, erklärt Dilar Dirik, kurdische Feministin und Forscherin am Zentrum für Flüchtlingsstudien der Universität Oxford. Die Milizionäre sind diejenigen, die die Videos als Teil ihrer Propagandastrategie filmen und veröffentlichen, sagt Dirik und fügt hinzu, dass „das die Botschaft ist, die sie der Welt – und insbesondere den Frauen – vermitteln wollen.“
Im Oktober 2017, als die DKS den Sieg über den Islamischen Staat in ar-Raqqa verkündete, veröffentlichten sie bewusst Fotos von Kämpferinnen, die die YPJ-Flagge schwenken. Dieser nicht-islamistische, weiblich geführte Sieg über männliche Jihadisten könnte den maßgeblichen Anstoß für die Reihe von gewalttätigen Angriffen auf Frauen gewesen sein. Adam Hoffmann, IS-Forscher am Moshe-Dayan-Zentrum für Nahost- und Afrikastudien der Universität Tel Aviv vermutet, dass es sich um „Rache entlang ethnischer, nationaler und geschlechtsspezifischer Grenzen“ auf Basis der arabischen Männerehre handelt. „Der brutale Rachefeldzug wird durch die Tatsache, dass es sich um Frauen und Kurden handelt, noch verschlimmert“, sagte er Haaretz. Es gebe zwar wenig Informationen über die genaue Zusammensetzung der von der Türkei unterstützten Milizen, aber „es besteht ein Grad an Gewissheit darüber, dass viele dieser Kämpfer zuvor in islamistischen, jihadistischen Milizen involviert waren“, meint er weiterhin.
Laut Marco Nilsson, außerordentlicher Professor für Politikwissenschaften an der Universität Jönköping in Schweden, haben kurdische Frauen aufgrund ihres Minderheitenstatus ein „doppeltes Handicap“. Sexuelle Gewalt gegen Frauen in Konfilktgebieten ist kein neues Phänomen und keine Bedrohung, die nur die Kurdinnen betrifft. Nilsson, der sowohl über kurdische Kämpferinnen als auch über Dschihadistinnen geschrieben hat, meint, dass derlei Gewalt generell „eine effiziente Strategie in vielen Konflikten darstellt, um speziell Frauen ins Visier zu nehmen: Eine Frau zu vergewaltigen hinterlässt einen deutlich nachhaltigeren Eindruck, als sie zu töten. Der Effekt wird länger anhalten, ist symbolischer und für den Gegner eine Schande.“
Sharstan Afree, eine 32-jährige kurdische Kämpferin aus der im Westen von Rojava gelegenen Region Afrin, erzählt Haaretz: „Wenn wir diese brutalen Taten sehen, wie sie die Körper unserer Zivilisten und Kämpfer behandeln, fühlen wir echten Schmerz. (…) Die wollen uns eine Botschaft vermitteln, die ausdrückt: Wenn du gegen unser maskulines System, unsere maskuline Mentalität kämpfst, erwartet dich das gleiche Schicksal wie Hevrin Khalaf.“
Es gibt noch keine Beweise dafür, dass Vergewaltigung in Nordsyrien als Kriegstaktik eingesetzt wurden. Aber die schaurigen Videos, die in den sozialen Medien geteilt werden, sind wahrscheinlich Teil einer psychologischen Kriegsführung, die den Kurdinnen die Furcht vor sexuellen Übergriffen lehren soll. „Diese Bilder, die von Erdoğans Milizen verbreitet werden, sollen uns und unsere Gesellschaft einschüchtern“, sagt Efrin. „Aber im Gegenteil: Sie steigern nur unseren Hass auf die Frauenfeinde (…) Diese Attacken sind unmoralisch und Teil eines besonders sexistischen Krieges.“ Die YPJ-Sprecherin Nesrin Abdullah stimmt dem zu und teilte Haaretz in einem Telefoninterview weiterhin mit: „Wenn sie eine Frau töten, töten sie die Hoffnungen einer ganzen Gesellschaft und Werte der Menschheit.“
Rettung für eine feministische Gesellschaft
Der Kampf gegen den IS überschattete in vielerlei Hinsicht die Errungenschaften der kurdischen Enklave, die Versuch sein sollte, aus dem Chaos etwas Einzigartiges hervorzubringen. Nach dem Abzug der syrischen Streitkräfte aus dem Gebiet im Jahr 2012 versuchten die Kurden, eine egalitäre, von unten nach oben gerichtete Regierung in Rojava zu schaffen. Sie zielte darauf ab, alle Gruppen – Kurden, Araber, Syrer, Armenier, Yazidis und Turkmenen – unter ein demokratisches System zu bringen.
Ahmed vom Demokratischen Rat Syriens sagt, dass die Kurden in Rojava „ein alternatives politisches Projekt entwickeln konnten“. Obwohl Kritiker meinen, die kurdische Führung hätte auch autoritäre Tendenzen, hatte für die Türkei oberste Priorität, den politischen Fortschritt Rojavas rückgängig zu machen. „Erdoğan ist gegen das System, das wir geschaffen haben, welches die Gleichstellung von Mann und Frau sowie die Religionsfreiheit fördert. Momentan ist es sehr gefährlich“, warnt sie. „Es gibt nirgendwo sonst auf der Welt ein System wie das unsere – eine Verwaltung, die die Geschlechtergleichstellung fördert und erreicht hat. Genau das wird angegriffen.“
Seit dem Beginn des Krieges gegen den IS und der Beteiligung kurdischer Kräfte vor Ort exisitiert auch eine gewisse westliche Faszination – Kritiker nennen sie auch „Fetischisierung“ – gegenüber den Kämpferinnen. Sie tauchen in Hollywood-Filmen und Hochglanzmagazinen wie der französischen Frauenzeitschrift Marie Claire auf. Kurische Kämpferinnen spielen sogar in der neuesten Version von „Call of Duty: Modern Warfare“, einem sehr populären Ego-Shooter-Videospiel, eine Rolle.
Eine diplomatische Delegation der Kurden unter der Leitung von Ahmed bereiste Ende vergangenen Jahres westliche Hauptstädte, um für Unterstützung zu werben. Die Mitglieder drängen auf ein Narrativ, das die türkischen Militäroperationen als Angriff auf die Geschlechtergleichstellung und Religionsfreiheit zeichnet und sie verantwortlich für das Wiederaufleben des IS macht. In diesem Sinne ist es womöglich kein Zufall, dass in den sozialen Medien kürzlich ein Foto veröffentlicht wurde, welches eine türkische Soldatin im Kampf gegen „kurdische Terroristen“ in Nordsyrien zeigte. In diesem Kampf scheint es gleichermaßen um Narrative und um Territorien zu gehen.
Die Schriften von PKK-Gründungsmitglied Abdullah Öcalan, der davon träumte, einen sozialistischen Staat für die Kurden zu gründen, hatten großen Einfluss auf die Verwirklichung von Rojava. „Als Öcalan (1979, Amn. d. Autorin) in die Region kam, haben sich Frauen das erste Mal organisiert“, sagt Dirik. „Er hat die Geschlechterverhältnisse in Rojava verändert.“ Nachdem Öcalan 1999 von den türkischen Behörden wegen der Unterstützung des bewaffneten Kampfes verhaftet worden war, veröffentlichte er im Gefängnis die „Jineologie“ seine Skizze eines kurdischen Feminismus. „Neben der Frauenbewegung selbst kann man ihm zugutehalten, dass der Feminismus ein so wichtiges Thema für die kurdische Frage ist“, sagt Dirik. Kurdische Frauen greifen seit 1995 zu den Waffen. Die YPJ wird gelobt, weil sie die Idee angreife, „dass Frauen Männer brauchen, um sich zu verteidigen“, sagt ihre Sprecherin Nesrin Abdullah.
„Nach 2013-14 beobachteten wir viele Frauen an der Spitze“, sagt Hana und erklärt, dass Frauen nicht nur an der Front gegen den IS kämpfen sondern auch ein ideologisches Konzept für die Gemeinschaft darstellen sollten. „Die Kurden haben eine Gesellschaft geschaffen, die in vielerlei Hinsicht egalitärer ist, und ich bin mir nicht sicher, ob sie das unter den Russen aufrechterhalten werden können“, sagt Nir Boms, Stipendiat am Moshe-Dayan-Zentrum der Universität Tel Aviv. Er spielt auf die russischen Milizen an, die derzeit in der Region patroullieren. Hana sorgt sich auch um den Verlust der nichthierarchischen Sozialstruktur: „Werden wir hier die Inklusion und Partizipation haben, wie als die Amerikaner hier waren?“, fragt sie.
Ob unter der Kontrolle türkisch unterstützter Milizen oder des Regimes von Präsident Baschar al-Assad und der Russen – es ist klar, dass in Rojava niemand die Frauenrechte ganz oben auf der Tagesordnung stehen haben wird. Dann besteht die sehr reale Gefahr, dass der IS ein Comeback erlebt. Wenn der Einfall nicht aufhöre, werden „die männliche Mentalität und die männlichen Systeme gewinnen“, meint Abdullah.
Doch während die hart erkämpfte feministische Revolution in Rojava anscheinend dunklen Zeiten entgegenblickt, bleibt eine kurdische Aktivistin aus München, Gulistan, optimistisch: „Nur weil die gesamte autonome Region bedroht ist, ist das noch lange nicht das Ende.“ So wie die YPJ im Kampf gegen den IS und für die Gründung Rojavas an vorderster Front stand, so entschlossen sind die Kämpferinnen weiterhin, die Bewegung zum Schutz ihres Heimatlandes vor dem, was sie als „türkische Besatzungstruppen“ bezeichen, anzuführen. „Wir Frauen und Mütter stehen immer an der Spitze dieser Revolution“, sagt Afreen. Und Efrin fügt hinzu: „Wir sind bereit, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um unsere Heimat zu verteidigen.“
Viele Kurden haben das Gefühl, dass die Vereinigten Staaten ihnen den Rücken gekehrt haben. Die Frauen in Rojava und andere hoffen nun, dass die Welt keinem Versuch, die männliche Dominanz im Nordosten Syriens wiederherzustellen, nur zuschauen wird. „Es geht um alle politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Errungenschaften der Frauen“, sagt Forscherin Dirik. „Frauen in anderen Teilen der Welt müssen sie verteidigen – das ist Frauengeschichte, die gerade ausgelöscht wird.“
Info
Dieser Text erschien in der Freitag 51/2019 in einer gekürzten Version. Die zusätzlichen Abschnitte wurden am 21. Januar 2020 ergänzt.
Kommentare 12
der roll-back von assad, putin und erdogan trifft auch und gerade
sich emanzipierende kurdische frauen.
wobei man das Roll-Back von Trump nicht unter den Tisch fallen lassen sollte.
aus welchen gründen auch immer:
potus trump ist hier ein gast unterm tisch, aufgetischt haben andere.
und was den leutchen dort eingebrockt wurde,
die das auszulöffeln haben...
Ich würde eher sagen: Gastgeber. In genossenschaftlicher Einheit mit Erdogan, Putin und Assad.
Der sozialrevolutionäre Befreiungs- und Emanzipationskampf der kämpfenden kurdischen Frauen steht Beispielhaft für alle männlichen und jugendlichen Migranten in Deutschland und Westeuropa (von mehr als 80 Prozent der Migranten in der BRD) ◄
Nachtrag.
►Davonlaufen und Migration der muslimischen Patriarchen nach Deutschland und Europa ist keine Lösung für die heimischen wirtschaftlichen, sozialpolitischen und gesellschaftspolitischen Probleme in den Krisenländern und Regionen, weltweit.
►Noch eine überfällige und notwendige Anmerkung zu den christlichen Seenotrettern und ehrenamtlichen Schleppern Deutschlands und Westeuropas:
►Die christlichen Seenotretter entsorgen als ehrenamtliche Schlepper auch den afrikanischen Jugendwiderstand übers Mittelmeer nach Westeuropa.
Der Reichtum in Deutschland ist nicht nur ein Ergebnis der Arbeit der Mehrheit der Bevölkerung, sondern auch eine Frucht der billigen und willigen (meist einvernehmlichen) materiellen Plünderung der sog. Schwellen- und Entwicklungsländer in Asien, Mittel- und Südamerika und Afrika. Dabei dienen die jeweiligen Oligarchien, Familienclans und korrupten politischen Eliten als willige Geschäftspartner westlicher und fernöstlicher Konzerne.
►Zugleich werden durch westliche Werbeaktionen via Internet, – damit auch durch die ehrenamtliche Seenotrettung und die christliche Schleppertätigkeit –, die widerstandsfähigen jungen Menschen nach Westeuropa entsorgt. Damit wird der widerstandslose Ausverkauf der vorhandenen Rohstoffe durch die korrupten heimischen Eliten befördert.
PS: So entsorgt man den möglichen Jugendwiderstand in Asien, Nahost und Afrika nach Europa und Deutschland. Zugleich befördert man damit auch den Druck auf die entwickelten Sozialsysteme in Westeuropa und auf die dortigen Arbeitslöhne für die bereits vorhandenen gering Qualifizierten noch weiter nach unten. – Was zugleich auch die Konkurrenzfähigkeit für die westlichen (bundesdeutschen) Produkte auf den europäischen Märkten und internationalen Weltmärkten befördert.
- stets ungeschminkt.
20.01.2020, R.S.
Ich sage es hier noch einmal: der Fehler der Kurdinnen und Kurden ist ihr Maximalismus, der realpolitisch nicht durchsetzbar ist. Man muß zu einer vernünftigen Bündnispolitik fähig sein, wenn man nicht in einer Position der Stärke ist. Das Bündnis mit den Amerikanern war falsch oder naiv, allein schon, weil die Türkei der mächtigste und unerbittlichste Gegner ist und als wichtiger Natostaat keinen schmerzhaften Gegendruck von Amerika befürchten muß, und weil die kurdische Autonomie, gar Eigenstaatlichkeit sich nicht mit den Eigeninteressen der USA überschneidet, und wann hätten die USA jemals etwas absolut Selbstloses getan? Es wäre vernünftig gewesen, sich in der Schwächephase des Assadregimes mit der Konzeption einer weitreichenden Autonomie, aber dem Verbleib in den vorliegenden Ländergrenzen zu begnügen, und eben auf den pluralistischen Säkularismus des Assadlagers zu setzen. In dem patriotischen Bekenntnis zu Syrien wäre man vor dem türkischen Einmarsch sicher gewesen, die russische Schutzmacht wäre automatisch aufseiten der Kurden gewesen. Und man hätte die sozial-emanzipative Komponente des Säkularismus gestärkt. Das große Unglück der wenig entwickelten Länder ist, daß mit dem Sieg des Kapitalismus über den Realsozialismus die soziale Frage marginalisiert wurde. Ohne die Repolitisierung des Sozialen gibt es keine Verbesserungsperspektive. Die vorbildliche kurdische Selbstorganisation müßte zum Bestandteil einer nationalen Solidarisierung werden, die dem religiösen Fanatismus den Boden entzieht.
Verstehe nicht. Die Volldemokraten Putin und Erdogan haben das doch da alles befriedet. Was für ein russophober, islamfeindlicher Beitrag.
https://www.youtube.com/watch?v=r8i4RAxLB-o
Wo stehen Frauen für die Freiheit an vorderster Front?
Diese Frage leitete die Erstellung dieses Videos. Der Nahe Osten und insbesondere die Euphratregion haben eine lange Tradition des Widerstandes von Frauen gegen das Patriarchat, die in der "westlichen Welt" oft übersehen wird.
Frauen waren die ersten, die Pflanzen domestizierten, was die landwirtschaftliche Revolution und das Aufkommen entwickelter Kulturen in der sesshaften Gesellschaft auslöste.
In der Demokratischen Föderation Nordsyriens (Rojava) fordern Frauen das Erbe und das kulturelle Wissen zurück, und bauen ein neues Leben auf. Sie weigern sich, auf eine Revolution zu warten.
"der Fehler der Kurdinnen und Kurden ist ihr Maximalismus, der realpolitisch nicht durchsetzbar ist."
Genau das ist der Punkt, auf den der Artikel überhaupt nicht eingeht. Die Kurden sind ja nicht das einzige Volk ohne eigenen Staat. Die Samen leben im Norden Europas genauso auf dem Territorium von 4 Staaten. Was im Artikel auch nicht vorkommt, ist die Diversität der Ziele und der Mittel zum Durchsetzen dieser Ziele, die die einzelnen Volksgruppen der Kurden haben. Hier gibt es eben nicht nur Selbstorganisation, sondern im Irak knallharte Clanstrukturen. Mit der Fokussierung auf die weiblichen Kämpfer wird davon geschickt abgelenkt.
Mit welchen Versprechungen die Kurden von den Amerikanern geködert worden sind, lässt der Artikel ›Plans for Redrawing the Middle East: The Project for a “New Middle East”‹ erahnen. Im Text ist eine von den Amerikanern geplante Variante zur Neuaufteilung des Nahen Ostens zu finden.
Wie belastet das Verhältnis der Kurden zu den Russen und Syrern ist, wurde durch Robert Fisk z. B. im Artikel "Woe betide the Kurds of northern Syria when the war is over" beschrieben. Man findet dort auch Hinweise auf den 1. Weltkrieg, dessen Ergebnisse immer noch nachwirken.
Im Gefängnis für IS-Kämpfer.
«Dies sind die Gefährlichsten der Gefährlichen. Sie würden uns sofort töten, wenn sie könnten» - zu Besuch im Gefängnis für IS-Kämpfer in Syrien
In einem Gefängnis in der syrischen Stadt Hasaka sitzen 5000 IS-Kämpfer unter kurdischer Aufsicht fest. Es ist improvisiert und unsicher. Der Gefängnis-Chef sagt: «Dass sie ausbrechen, erscheint möglich.»
Vgl. https://www.nzz.ch/international/syrien-hasaka-in-der-schlangengrube-des-jihadismus-ld.1531640
Der religiöse Vernichtungswahn des IS hat viele vereint, nicht nur Kurden und Araber. Im Dorf Tell Najmah, rund zehn Kilometer südlich von Tell Tamer, in einem kleinen Landgut, treffen wir Zanobiya Athro. Sie ist 28 Jahre alt, Kämpferin der christlichen «Bethnahrain-Frauen-Verteidigungskräfte», der weiblichen Abteilung des Assyrischen Militärrats. Sie hat Fronterfahrung. Im Dorf Dildara, rund zehn Kilometer westlich von Tall Tamer, hat sie 2017 gegen den IS gekämpft. Für eine säkulare Frau und Nichtmuslimin ist das eine heroische Tat. Athro ist verheiratet und hat ein siebenjähriges Kind, das sie nur im Urlaub sieht. Doch das macht ihr nichts aus, fast nichts jedenfalls, sagt sie. Denn sie ist stolz auf das, was sie tut, und Stolz vernichtet Trauer. «Ich kämpfe, bis der IS und die Türken aus Kurdistan vertrieben sind.»
21.01.2020, R.S.
Internationalistischer Nationalismus.
Nationalismus und Internationalismus im 20. Jh. und 21. Jahrhundert.
Siehe Vietnam und der nationalrevolutionäre Befreiungskampf der kurdischen Frauen für eine Demokratische Republik Kurdistan.
Im Gespräch mit Lisa Hoppel.
»Berlin, Winter 1885. Auf der „Kongo-Konferenz“ – initiiert von Reichskanzler Otto von Bismarck – wird über das Schicksal Afrikas bestimmt. Natürlich ohne Afrikaner. Auf dem Reißbrett werden per Lineal willkürlich Grenzen gezogen. Rücksicht auf zuvor natürlich gewachsene soziale Strukturen nimmt man keine. Warum auch? Die Konferenz soll schließlich nicht den Auftakt einer gemeinsamen Entwicklungszusammenarbeit markieren, sondern den der kolonialen Eroberung Afrikas.
Heute, über 130 Jahre nach dem Ende der Konferenz, wirken die damaligen Entscheidungen noch immer nach. Die afrikanischen Staaten wurden – zumindest formell – zwar mittlerweile in die Unabhängigkeit entlassen, doch bis dahin war es ein langer und wie der Algerien-Krieg von 1954 bis 1962 gezeigt hat, auch oftmals gewaltsamer Weg.
Besonders bemerkenswert am panafrikanischen Befreiungskampf war, dass die unterdrückten Völker des schwarzen Kontinentes sich dabei oftmals gerade jenes Instrumentes bedienten, welches ihnen von den Kolonialherren erst aufoktroyiert wurde: dem Nationalstaat. Ein internationalistischer Nationalismus entstand, der in den verschiedenen Teilen Afrikas ganz unterschiedliche Ausprägungen annahm.
Lisa Hoppel, Wiener Globalhistorikerin, hat dieses Phänomen wissenschaftlich untersucht. In ihrem Buch „Internationalistischer Nationalismus: Lehren aus dem panafrikanischen Befreiungskampf“ zeigt sie anhand der Beispiele von Algerien und Ghana auf, wie unterschiedlich der Kampf für das Recht auf Selbstbestimmung ausgetragen wurde und welche Rolle den Nationalstaaten in diesem Kontext zukam. Eines wird dabei schnell klar: Nationalismus kann nicht schwarz-weiß gedacht werden. {…}
Höre: https://www.youtube.com/watch?v=XPZNEfX8cfI
22.01.2020, R.S.