FREITAG: Viele sehen es bereits als Fortschritt, dass es überhaupt ein Einwanderungsgesetz geben soll, da damit Deutschlands Status als Einwanderungsland erstmals festgeschrieben wird. Warum lehnen Sie das Gesetz trotzdem ab? HUBERT HEINHOLD: Aus zwei Gründen. Der erste ist, dass im Bereich des Asylrechtes die Bilanz überwiegend negativ ist. Es gibt zwar durchaus einige Verbesserungen, aber in der Gesamtbilanz überwiegt das Negative. Zum zweiten überwiegen auch im einwanderungsrechtlichen Teil die Problembereiche. Die Einwanderungsregeln liegen ausschließlich im deutschen Interesse, also Ressourcen sollen von den Schwellenländern nach Deutschland gezogen werden: das ist eine fragwürdige Politik. Das Gesetz ist insgesamt eher ausländerfeindlich,
nderfeindlich, es ist nach wie vor ein Ausländerabwehrgesetz und eben gerade nicht der grundlegende Umschwung, als der es apostrophiert wird. Hat der Gesetzentwurf nach der Anpassung an die Bedingungen der CDU/CSU überhaupt noch Stärken? Im reinen Zuwanderungsbereich ist die einzige Stärke die, dass der Gedanke der Integration betont wird - das ist sicherlich ein positiver Aspekt, allerdings ist die Umsetzung sehr fragwürdig. Im Bereich des Asylrechtes gibt es positive Ansätze durch die Einführung der nichtstaatlichen Verfolgung als Fluchtgrund. Das ist von hohem symbolischen Wert, weniger von praktischem, denn die Zahlen werden dadurch nicht signifikant steigen, aber der Status derjenigen, die darunter fallen wird sich verbessern. Da darf man sich aber keine Illusionen machen, das sind geringe Zahlen, ich rechne mit hundert oder zweihundert Personen, die davon pro Jahr profitieren werden.Angenommen, das Zuwanderungsgesetz würde in seiner derzeitigen Form den Bundesrat passieren, was würde sich für die Situation von Flüchtlingen verändern? Wir hätten ein großes Problem im Bereich der jetzt geduldeten Personen. Das sind etwa 200.000 Menschen: Ein Großteil von ihnen wird die Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis nach dem neuen Gesetz nicht erfüllen. Sie werden dann herabgestuft zu so genannten "Bescheinigten", das heißt, sie bekommen einen Zettel, der ihnen bescheinigt, dass sie nicht abgeschoben werden können. Dann unterliegen sie einem Arbeitsverbot sowie Restriktionen im Bereich der Sozialleistungen und können verpflichtet werden, in "Ausreisezentren" zu leben. Es ist durchaus zu befürchten, dass es sich dabei um richtige Lager handelt, die mehr oder weniger geschlossen sind. Diese Leute werden massivem Druck ausgesetzt sein. Das Ergebnis einer solchen Politik wird nach unserer Einschätzung sein, dass die Menschen sich in die Illegalität flüchten. Schätzungsweise ein Drittel wird eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, der Rest wird in den Status der "Bescheinigten" übergehen, und viele davon werden wahrscheinlich in die Illegalität gehen.Gibt der Gesetzentwurf Lösungen vor im Umgang mit Illegalität? Der Gesetzesentwurf enthält darüber natürlich kein Wort. Er verdrängt das Problem weiter, er produziert es ja höchstwahrscheinlich sogar. Der Status der jetzt Geduldeten wird sich drastisch verschlechtern, und das ist auch der Hauptkritikpunkt von Pro Asyl. Deshalb lehnen wir das Gesetz ab. Betroffen sind durchweg Menschen, die gute Fluchtgründe haben, wobei nur die restriktive Rechtsprechung und Entscheidungspraxis des Bundesamtes die Leute aus dem Schutzstatus hinausdefiniert.Wie kann man das Problem Illegalität lösen? Langfristig gibt es nur eine Lösung, nämlich Wege aus der Illegalität heraus zu erschließen. Es gäbe zum Beispiel ganz einfache pragmatische Lösungen, den Weg in die Legalität unter bestimmten Voraussetzungen zu eröffnen. Das könnten zum Beispiel Verpflichtungserklärungen für die Lebensunterhaltssicherung sein oder eine Arbeitsplatzzusage, auch bestimmte Integrationspräferenzen. Wenn das nicht der Fall ist, sollte es einen Weg aus dem Land heraus geben, ohne dass der Betreffende zwangsweise ins Gefängnis muss. Zum anderen muss man die soziale Situation von Illegalen verbessern. Krankenbehandlung muss möglich sein, ohne dass die Helfer kriminalisiert werden.Was halten Sie abseits von den wahltaktischen Überlegungen der Parteien für die grundsätzlich dringenden Fragen der Migration? Ein wesentlicher Aspekt, der ja auch von Politikern lautstark behauptet wird, ist die Förderung der Integration. Das verlangt vor allem, die Gesellschaft ausländerfreundlich zu machen und von dem Bild wegzukommen, dass Ausländer eine potentielle Gefahrenquelle darstellen. Dieses Bild ist in der letzten Zeit eher noch verfestigt worden durch das Anti-Terror-Paket und die dort festgelegten Überwachungsmaßnahmen gegen Ausländer. Ausländer gelten heute unter Rot-Grün als potentielle Terroristen. Das müsste man auflösen und durch verschiedene gesellschaftliche Maßnahmen für ein positives Klima sorgen. Integration fördern heißt beispielsweise die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen, genauso wie die Kommunen, die vor Ort Integrationsmaßnahmen in den Kindergärten und in den Schulen durchführen sollten, und es heißt eben auch, dass die deutsche Gesellschaft in die Verantwortung genommen werden muss. Das jetzige Gesetz nimmt aber nur die Ausländer in die Pflicht.Pro Asyl hat dafür plädiert, erst in der nächsten Legislaturperiode über das Gesetz zu entscheiden. Abgesehen davon, dass noch nicht entschieden ist, wie die Bundestagswahl ausgeht, ist das nicht ein bisschen spät? Wir gehen aufgrund der politischen Situation davon aus, dass Verbesserungen an dem Entwurf jetzt nicht mehr erzielbar sind. Die Debatte wird noch darum gehen, ob zusätzliche Verschlechterungen hingenommen werden. Manche Änderungen sind einfach unausweichlich, das heißt auch eine CDU/ CSU-Regierung wird sich dem stellen müssen. Es ist vernünftiger, weiter zu debattieren, als jetzt in Hektik Änderungen durchzupeitschen, die man überwiegend doch nicht bejahen kann.Das Gespräch führte Connie Uschtrin.Hubert Heinhold ist Rechtsanwalt und Mitglied des Vorstands der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.
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