In einer Szene von Alfred Hitchcocks Die Vögel wartet Tippi Hedren vor einem Schulgebäude auf den Beginn der Pause, während sich auf dem Klettergerüst hinter ihr lautlos die Krähen zusammenrotten. Später werden sie den Ort angreifen. Nur vom Gesang der Schulkinder begleitet, zeigt der Film abwechselnd die Protagonistin und das Gerüst, das schließlich, von ihr immer noch unbemerkt, schwarz von Vögeln ist. Wie fast alle Höhepunkte seiner Filme hat Hitchcock diese Sequenz akribisch aufgezeichnet, bevor sie gedreht wurde. Für ihn, der Wert darauf legte, jede Filmszene vor ihrer Entstehung „im Kopf“ zu haben, war das Storyboard eine unentbehrliche Technik.
Die Sequenz aus Die Vögel ist nur eine von vielen berühmten Szenen der Filmgeschichte, denen man in der Ausstellung Zwischen Film und Kunst im Berliner Museum für Film und Fernsehen begegnen kann. Auf zwei Etagen sind hier Storyboards unter anderem zur Feuersbrunst aus Vom Winde verweht, zum Hubschrauberflug in Apocalypse Now, zur Geburt Oskar Matzeraths in Die Blechtrommel sowie zu den Traumszenen in Hitchcocks Ich kämpfe um dich versammelt. Die Verfasser der Storyboards waren nicht immer die Regisseure. In der Regel wurden sie von eigens dafür angestellten, später „Production Designer“ genannten Zeichnern erstellt, von denen nur wenige, wie Saul Bass oder William Cameron Menzies, noch heute bekannt sind. Eher selten erhielten bildende Künstler einen Auftrag zur Ausarbeitung von Storyboards.
Die Traumszenen aus Ich kämpfe um dich wurden von Salvador Dalí entworfen. Dennoch sind die Storyboards keine eigenständige Kunstform. Wo sie ihre vermittelnde Funktion verlieren, werden sie problematisch. Hitchcock hat denn auch nach Ich kämpfe um dich nie wieder mit Dalí gearbeitet und die Storyboards zu seinen Filmen selbst angefertigt oder von engen Vertrauten entwerfen lassen. Das zeugt nicht nur vom Perfektionismus des Regisseurs, es weist auch auf die generelle Funktion von Storyboards hin.
Grafische Form des Drehbuchs
Obwohl der Vergleich naheliegt, handelt es sich bei ihnen nicht um Vorformen der Graphic Novel, sondern um eine grafische Form von Drehbuch. Storyboards sind die ersten visuellen Entwürfe des Films, in ihnen sind die Handlungsorte, Einstellungen, Perspektiven und Bewegungsabfolgen festgehalten, die dann im fertigen Film, wie stark transformiert auch immer, umgesetzt sind. Sie sind ein wichtiges Kommunikationsmedium, das zwischen Regisseur, Autor, Kameraleuten und Schauspielern vermittelt.
Anhand der Unterschiedlichkeit der Storyboards lassen sich die individuellen Arbeitsweisen der Regisseure sowie verschiedene Traditionen unterscheiden. Eines der frühesten Storyboards, der Entwurf zu Frank Wisbars Im Bann des Eulenspiegels, wirkt mit seinen 75 Metern Länge noch wie eine Rohform des gesamten Films, Martin Scorseses Zeichnungen zu Taxi Driver dagegen sind kaum mehr als improvisierte Skizzen. Die Bilderfolgen zu Vom Winde verweht erscheinen wiederum wie pompöse Tableaus. Indem sie solche Gegensätze herausarbeitet, gelingt es der Schau, den Stellenwert der Storyboards innerhalb des filmischen Produktionsprozesses darzustellen, der immer ein kollektiver ist.
Zwischen Film und Kunst. Storyboards von Hitchcock bis Spielberg Deutsche Kinemathek Berlin, bis 27. November 2011, Katalog 25
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.