Es dauert nur wenige Minuten, bis die Situation, in die sich das junge Paar hineinmanövriert hat, außer Kontrolle gerät. Eine kurze Unachtsamkeit und ein kaputtes Rücklicht führen dazu, dass Ernest (Daniel Kaluuya) und Angela (Jodie Turner-Smith) nach ihrem glücklos verlaufenen ersten Date von einer Polizeistreife angehalten werden. Zunächst bilden der Schuhverkäufer und die Anwältin nur eine defensive Zweckgemeinschaft. Doch ein Wort ergibt das andere, ein Schritt den nächsten, und dann liegt der mit seiner Dienstwaffe erschossene weiße Cop auf der Straße. Und „Queen“ und „Slim“ sind als schwarzes Gangsterpärchen auf der Flucht.
Ab diesem „Point of no Return“, der keine Umkehr, sondern nur
ndern nur noch Ausweichmanöver erlaubt, entwickelt sich Queen & Slim zu einem klassischen Roadmovie – allerdings auf bemerkenswerten Nebenfahrbahnen.Die erste Abzweigung nimmt der Film gleich zu Beginn, nämlich eine von den etablierten Geschlechterrollen: Während sich der unsicher wirkende Ernest stellen möchte („I’m not a criminal“), weiß seine toughe Gefährtin Angela („I’m an excellent lawyer“), dass die US-Justiz bei toten weißen Polizisten mit zweierlei Maß misst. Angela ist nicht nur in dieser Hinsicht die Überlegene. Auch in der Folge wird sie es sein, die zwar nicht immer die Fahrtrichtung, sehr wohl aber die Verhältnisse im Wageninneren bestimmt. Dass sich hier ein afroamerikanisches Paar Richtung Kuba absetzt, ist nur eine von mehreren soziokulturellen Umschreibungen, die die griechischstämmige Musikvideo-Regisseurin Melina Matsoukas in ihrem ersten Spielfilm vornimmt.Wie wird man im amerikanischen Gangsterfilm zum Verfolgten? Oft ist es ein Verbrechen, mitunter das reine Schicksal, manchmal auch die finanzielle Not, was einen in die Enge treibt und zum Gejagten werden lässt. Oder natürlich vorbehaltlose Liebe wie in Terrence Malicks unerreichbarem Badlands. Selten jedoch systematischer Rassismus, so wie er hier die Protagonisten zu Gangstern wider Willen werden lässt.Die Botschaft ist die StärkeQueen & Slim ist in dieser Hinsicht eine Absichtserklärung, deren Eindeutigkeit – eben die offensichtliche Neuformulierung des Roadmovies – man als den Preis betrachten kann, den dieser Film stellvertretend für das endlich im Mainstream angelangte Black Cinema bezahlt. Das kann man gut finden oder nicht. In jedem Fall aber geht es diesem Film darum, als politisches Kino wahrgenommen zu werden; als ein Kino, das die Frage nach dem Verhältnis zwischen Macht und Ohnmacht stellt, beziehungsweise zwischen den systematisch Ermächtigten und Benachteiligten. Wie Jordan Peele, der sich diesbezüglich mit Get Out – mit dem „Slim“ Kaluuya zum internationalen Star avancierte – und Wir das Horrorgenre erfolgreich zunutze machte, verfahren Matsoukas und ihre Autorin Lena Waithe (Master of None) mit ihrem Gängsterpärchen on the road.Nun ist die Idee einer Umformulierung des klassischen Roadmovies keineswegs neu, man denke an Geena Davis und Susan Sarandon in Thelma & Louise, an Whoopie Goldbergs außergewöhnliche Fahrgemeinschaft in Kaffee, Milch und Zucker oder an die Dragqueen-Filme der 90er Jahre wie To Wong Foo und Priscilla – Königin der Wüste. Doch wie in den Arbeiten von Jordan Peele liegt auch bei Queen & Slim die Stärke in der Botschaft, die hier – wie in einem Stationendrama – mit jeder zurückgelegten Meile deutlicher wird.Je weiter Ernest und Angela vom kalten Norden in den heißen Süden, zu Angelas Onkel nach New Orleans und weiter nach Florida, gelangen, desto unübersichtlicher wird auch die Situation, die sich ohne ihr Wissen zuspitzt. Denn als sich ein Video von dem Vorfall in Ohio viral verbreitet, das Ernests Notwehr beweist, werden die beiden bald als die neuen, schwarzen Bonnie und Clyde gepriesen.Den Vergleich mit dem berühmtesten Gangsterpaar der US-amerikanischen Popkultur zieht auch Queen & Slim immer wieder ganz bewusst, wenn sich die Flüchtenden in Rollen gedrängt sehen, die einzunehmen sie niemals vorhatten. Bald finden sich ihre Gesichter auf T-Shirts gedruckt und eine ihrer emblematischen Posen – entstanden als Momentaufnahme in einer Autowerkstatt – auf Plakaten und letztlich auf Hausmauern. Das mag stellenweise zu ausbuchstabiert wirken, und gegen Ende muss man gar eine haarsträubende Parallelmontage, in der ausgelöste Gewalt und erlösender Sex kurzgeschlossen werden, in Kauf nehmen. Doch irgendwie macht man das gerne, weil man diesem Film, der so vieles sein möchte, nachsieht, dass er meint, so vieles sein zu müssen.Und dann gibt es natürlich auch hier die vorgeschriebenen Ruhepausen und Glücksmomente am Straßenrand: Ernests Probegalopp auf einem Pferd, weil sich der weiße Mann, wie es heißt, vor einem schwarzen Reiter am meisten fürchtet. Oder wenn sich Queen und Slim, in einer der besten Szenen des Films, eine Auszeit in einem ausschließlich von Schwarzen besuchten Blues-Club gönnen und die Musik die Zeit anzuhalten scheint. Dann ist für einen Augenblick ein Angekommensein auf einer Reise spürbar, die eigentlich keinen Ausweg zulässt. Und kein weiteres Mal in diesem Film ein Gefühl von Sicherheit.Placeholder infobox-1