De Gaulle mit Hammer und Sichel

Frankreich François Hollande, Präsidentenbewerber der Sozialisten, trifft auf unerwartete Konkurrenz von links. Jean-Luc Mélenchon etabliert sich als ernstzunehmender Widersacher

Für die Überraschung im französischen Präsidentschaftswahlkampf sorgt der gemeinsame Kandidat von Linkspartei (Front de Gauche) und Kommunisten (PCF). Und dies gleich mehrfach. Jean-Luc Mélenchon ist ein begabter Redner und fasziniert sein Publikum. Den Nouvel Observateur erinnert die Wortgewalt gar an de Gaulle in den sechziger Jahren. Zu einer Kundgebung auf der traditionsreichen Place de la Bastille kamen 120.000 Anhänger. Mélenchon konnte sie mit dem Satz beglücken: „Hier versammelt sich das Volk der Revolutionen und Rebellionen.“ Derartige Rhetorik hat Erfolg. Wahlprognosen geben dem Linksbündnis jetzt bis zu 14 Prozent im ersten Wahlgang, was für die Kommunisten einer Sensation gleichkommt, haben sie doch bei der Parlamentswahl 2007 gerade noch zwei Prozent holen können.

Vom medialen Großtheater nach den Attentaten von Montauban und Toulouse ließ sich Mélenchon nicht verwirren. Seine Themen blieben die Finanzkrise, die Armut und „die soziale, weltliche, feministische und ökologische VI. Republik.“ Die Resonanz auf diese Beharrlichkeit lässt den sozialistischen Bewerber François Hollande und seinen Parti Socialiste (PS) nicht ganz ungeschoren. Dass der von Mélenchon erst 2008 gegrün­dete Front de Gauche und der vorschnell abgeschriebene PCF so wirkungsvoll sind, liegt eben auch an der Schwäche der Sozialisten. Wenn Hollande und Mélenchon am 22. April im ersten Wahlgang zwischen 40 und 45 Prozent der Wähler für sich gewinnen, wie das Prognosen andeuten, dann liegt das gewiss kaum an der Ausstrahlung und am Programm von Hollande, was ihn für das Stechen am 6. Mai nicht unbedingt zum Favoriten stempelt. Amtsinhaber Nicolas Sarkozy kennt nicht nur keine Skrupel, Wähler vom rechtsradikalen Rand für sich zu mobilisieren. Er wird wohl auch die Vogelscheuche „Kommunismus“ beleben, um Wähler davon abzuhalten, für Hollande zu stimmen. Es dürfte ausreichen, an jene kurzlebige Linksunion zwischen François Mitterrand und dem damaligen KP-Chef Georges Marchais nach der Wahl von 1981 zu erinnern. Frankreich ist zwar für anti­kommunistische Ressentiments weniger anfällig als Deutschland – aber immun keineswegs.

Mélenchon überzeugt links von der Mitte, wenn er erklärt, kein Regierungsamt anzustreben, sondern einzig und allein Sarkozy ablösen zu wollen. Dazu müsste er seinen Wählern für das Stechen Hollande empfehlen, was logischerweise bisher ausbleibt, um eigene Chancen zu wahren. Zur „präsidialen Mehrheit“ gehöre, erklärt Hollande, wer ihn unterstütze. Das lässt viele Deutungen zu. Über eine bloße Kooperation oder die förmliche Koalition entscheidet indes nicht so sehr das Präsidentenvotum als vielmehr die Parlamentswahl im Spätsommer.

Heikel würde ein Zweckbündnis von Sozialisten und Linksallianz bei der Europa- und Steuerpolitik. Hollande möchte den EU-Fiskalpakt neu verhandeln – Mélenchon lehnt die herkömmliche EU-Politik prinzipiell ab. Er gehörte 2005 – damals noch PS-Mitglied – zu den Gegnern einer Europäischen Verfassung. In der Steuerpolitik kündigt Hollande eine 75-prozentige Abschöpfung von Jahreseinkommen über einer Million Euro an. Mélenchon klingt weniger präzise, aber radikaler: „Ihr Damen und Herren Millionäre – ihr werdet blechen müssen!“

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