George Bush Zum erwarteten Comeback der Republikaner bei den Kongresswahlen glänzt eine ihrer Schlüsselfiguren durch Abwesenheit. Der Ex-Präsident fährt Rad und spielt Baseball
Bald sollte sich das Rätsel um das Verschwinden des Ex-Präsidenten lösen. Nach zwei Jahren wird George W. Bush wieder aus der Versenkung treten und am 9. November mit seinen Memoiren Decision Point den ersten öffentlichen Bericht über seine beiden turbulenten Amtszeiten vorlegen. Ihre Veröffentlichung wurde präzise terminiert: Lange genug nach den Wahlen, damit man Bush keine störende Einmischung vorwerfen kann – aber rasch genug danach, um von möglicher republikanischer Euphorie zu profitieren, sollten die Demokraten klar unterliegen.
Interviews mit Oprah Winfrey und in der Sendung NBC Today sollen dem 43. Präsidenten die Aufmerksamkeit sichern, die er streng gemieden hat, seit er am 20. Januar 2009 an Bord des präsidialen Heliko
des präsidialen Helikopters aus Washington verschwand. „Ich habe – nur damit Sie es wissen – null Interesse daran, im Rampenlicht zu stehen“, erklärte er gerade in Chicago bei einem seiner spärlichen Auftritte als Redner.Saddams PistoleDas Buch ist nur ein Element eines umständlich choreographierten Versuchs, Deutungshoheit über das eigene Vermächtnis zu erlangen. Am 16. Oktober wird an der Southern Methodist University in Dallas der Grundstein einer Bibliothek gelegt, die das Zentrum des beinahe 2.000 Quadratmeter großen Bush Centre werden soll. Zu diesem sollen auch ein Konferenzraum und ein Institut zählen, dessen Aufgabe es sein wird, für globale Herausforderungen Lösungen im Stile Bushs zu finden. Als Vorgeschmack auf das, was das Bush-Füllhorn noch bereithält, eröffnete die Universität soeben eine Mini-Ausstellung mit einigen sinnträchtigen Memorabilia seiner Amtszeit.Wie nicht anders zu erwarten war, ist 9/11 prominent vertreten, unter anderem werden die handschriftlichen Originale seiner Presseerklärung am Morgen der Anschläge ausgestellt: „Today we have had a nat’l tragedy. 2 airplanes have crashed into the World Trade Centre ... Terrorism against Amer will not succeed.“Ausgestellt wird auch das Megaphon, das er drei Tage später verwendete, als er auf den Trümmern am Ground Zero stand. „Ich kann euch hören. Der Rest der Welt hört euch“, sagte er. Daneben der Baseball, den er in eben jenem Herbst im Stadion der Yankees zum Auftakt des dritten Spiels der World Series warf. Dazu gibt es Ziegel des Hauses von Taliban-Führer Mullah Omar aus Afghanistan und die Neun-Millimeter-Glock-Pistole, die Saddam bei sich trug, als er Ende 2003 in seinem Erdloch nahe Tikrit aufgefunden wurde.Auch der Brief eines US-Soldaten, der sein Bein im Gefecht verlor, und der Flaggenaufnäher des Soldaten, der als einziger von zehn einen Hinterhalt in Afghanistan überlebte, sind ausgestellt. Und dann ist da noch eine Notiz Condoleezza Rices vom Juni 2004: „Mr. President, Iraq is sovereign“. Bush hat – auch in diesem Fall mit einem Sharpie-Filzstift – darübergekritzelt: „Let FreeDom Reign“.Der Unterton dieser Flut an Bush-Material klingt doch so, als sei man sich der Kritiker bewusst. Das Herz des Bush Center wird das Decision Theatre sein, wo Besuchern Probleme – Afghanistan, Irak, Hurrican Katrina, die Bankenrettung 2008 – präsentiert werden, über die sie ihr Urteil abgeben sollen. Gerade so, als wolle Bush sagen: „Meckern ist schön und gut, aber was hätten Sie an meiner Stelle getan?“ Der Satz, mit dem für seine Memoiren geworben wird, verspricht etwas Ähnliches: „Präsident Bush schreibt ehrlich und direkt über seine Mängel und Fehler sowie über seine Errungenschaften.“Ein gewisses Schwächeeingeständnis kann nur gut sein, da Bush zweifellos viele in Rage brachte, nicht zuletzt manchen aus der eigenen konservativen Basis. In der Tat könnte der explosionsartige Aufstieg der Tea Party als Bushs größtes Vermächtnis angesehen werden, wenn auch keines, das von ihm beabsichtigt war.Bei einer Kundgebung der Tea Party vor den Toren von Dallas äußerten Republikaner des rechten Flügels jedenfalls erstaunlich gemischte Gefühle. Viele lobten seinen Patriotismus: „Er liebt Amerika“, sagte eine. „Nach 9/11 bewies er unglaublichen Charakter und Integrität“, eine andere. Viele jedoch zeigten sich über seine Wirtschaftspolitik – hohe Ausgaben und eine übermächtige Regierung – erbost, und einige stellten in Frage, ob er überhaupt ein Konservativer sei. „Ich bin konservativ, er nicht“, erklärte ein älterer Demonstrant. „Er hat sich selbst als mitfühlenden Konservativen bezeichnet, aber den konservativen Teil konnte ich nicht erkennen.“Michael Tanner vom Thinktank Cato Institute jedenfalls ist überzeugt, dass die Neuausrichtung der Rechten auch eine Gegenreaktion auf Bush ist. „Die Tea Party ist die Rache der Wirtschaftskonservativen, um die Regierung zurecht zu stutzen. Bush glaubte, die Regierung habe durchaus ihren Sinn. Deshalb können ihn viele Wirtschaftskonservative nicht ausstehen.“Digitale Mammut-SammlungWenn die George-W.-Bush-Bibliothek Anfang 2013 ihre Tore öffnet, wird sie die 13. Einrichtung dieser Art in den USA sein. Die erste wurde Herbert Hoover gewidmet. Doch obwohl sie in dieser Tradition stehen wird, repräsentiert sie auch etwas Neues: den Anbruch des digitalen Zeitalters.Experten des Nationalarchivs, das für alle Präsidentenbibliotheken verantwortlich ist, fragen sich, wie sie mit den Bergen an E-Mails und Word-Dokumenten verfahren sollen, die das Weiße Haus in den acht Bush-Jahren ausgespuckt hat. Während Vorgänger Bill Clinton bescheidene vier Millionen Megabyte produzierte, kamen in den Bush-Jahren 80 Millionen zusammen, darunter 200 Millionen E-Mails.Die Herausforderung für die Archivare besteht nun darin, diesen gigantischen digitalen Schatz sinnvoll und verwertbar zu ordnen, und dabei die zahlreichen Datenschutzverordnungen zu respektieren. In einem ersten Schritt wurde mit Hilfe des Technologieunternehmens Lockheed Martin ein elektronisches System entwickelt, das die Konservierung der Dokumente in einer Form ermöglicht, die auch in Zukunft lesbar sein wird, egal wieviele neue Generationen von Software in den kommenden Jahren eingeführt werden.Sie müssen nun einen Weg finden, um die E-Mails so zu redigieren, dass die Namen von Individuen und geheimen Operationen unkenntlich sind, um nicht mit der nationalen Sicherheit, dem Schutz der Privatsphäre oder anderen Vorgaben in Konflikt zu geraten. Dann erst kommt der harte Teil der Arbeit, der darin besteht, das Material durchzugehen und die wichtigsten Passagen auszuwählen, die digital veröffentlicht werden sollen.Ein Team von 17 Archivaren ist auf diese Aufgabe bereits angesetzt. Zunächst soll es sich auf die Schlüsselgebiete der Bush-Regierung wie den „Krieg gegen den Terrorismus“ und die Bildung konzentrieren. „Hier wird es richtig interessant“, sagt Alan Lowe, der Direktor der Bibliothek. „Wie soll man eine solche digitale Mammut-Sammlung intellektuell verstehen?“
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