FREITAG: Im Januar soll es in Berlin, auf Initiative der PDS, zur Gründung einer "Europäischen Linkspartei" kommen. Was erhoffen Sie sich von dieser Parteigründung?
LOTHAR BISKY: Konservative, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale haben sich schon längst zusammengeschlossen, das streben jetzt auch die linkssozialistischen Parteien in Europa an. Persönlich beteilige ich mich schon seit Ende der neunziger Jahre an dieser Debatte. Die PDS bemüht sich, die gemeinsamen Kräfte angesichts der Wahlen zum Europäischen Parlament zu bündeln. Wir haben uns an vielen Konsultationen beteiligt und mit befreundeten Parteien gesprochen. Das Treffen in Berlin soll diesen Vereinigungsprozess beschleunigen.
Wird damit die aus früheren Zeiten bekannte "Internationale" wiederauferstehen?
Nein. Innerhalb der politischen Linken in Europa gibt es eine große Befürchtung: Man möchte unbedingt die Gründung einer Art "Internationale" verhindern und ist bemüht allen Tendenzen entgegenzuwirken, die nur ansatzweise an die "Internationale" erinnern. Das ist der Grund, warum wir uns bisher so schwer getan haben bei der Gründung einer "Europäischen Linkspartei". Inzwischen sind wir aber soweit, dass der Entwurf eines Statuts zur Diskussion steht, und ich bin optimistisch, dass auch in Kürze der Programmentwurf fertig ist. Wir wollen diese Linkspartei bewusst offen gestalten und nicht a priori nur für eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern reservieren. Es gibt ja auch von einigen kommunistischen Parteien Zusammenschlüsse, mit denen wir weder konkurrieren noch uns gegenseitig bekämpfen möchten. Ich gehe davon aus, dass die linkssozialistischen Parteien, mit denen die PDS viele Gemeinsamkeiten hat, für diese Neugründung besonders wichtig sind.
An welche Parteien denken Sie?
Synaspismos in Griechenland, Izquierda Unida in Spanien sowie Rifondazione Comuista in Italien. Die Linksparteien in Skandinavien sind ebenfalls wichtig. Das sind aber nur Beispiele aus einem breiteren Spektrum.
Bisher ist die PDS die einzige Partei im Europäischen Parlament, die aus einem kommunistischen Staat hervorgegangen ist. Sehen Sie, angesichts der bevorstehenden EU-Osterweiterung, die Position der PDS und der anderen linkssozialistischen Parteien in der EU eher gestärkt oder langfristig geschwächt?
Das ist eine schwierige Frage. Die PDS wird auf jeden Fall im Rahmen der Osterweiterung dringend gebraucht, schon aufgrund der Erfahrungen, der persönlichen Kontakte und mannigfaltigen Beziehungen auf den verschiedensten Ebenen. Viele unserer Mitglieder besitzen Sprach-, Kultur- und Landeskenntnisse, die in Westeuropa so nicht vorhanden sind. Außerdem gibt es die gemeinsame Erfahrung der politischen und ökonomischen Transformation. Die PDS muss ihren Teil dazu beitragen, dass nicht einfach das Modell Westeuropas auf den Ostteil des Kontinents übergestülpt wird. Auch im Rahmen der EU muss die Kultur dieser Länder bewahrt werden. Das wäre eine große Bereicherung für den gesamten Kontinent.
Kommen wir auf die Bundespolitik zu sprechen. Wie beurteilen Sie die Ausgangslage der PDS für die Wahlen im kommenden Jahr? Sind Sie pessimistisch?
Nein, ich bin optimistisch. Der Niedergang wurde gestoppt, und die Partei ist dabei, sich zu erholen.
Aber Ihre Partei dümpelt immer noch zwischen drei und vier Prozent.
Ich bemerke bei meinen Reisen ein gewachsenes Zutrauen an der Basis, und seit der neue Bundesvorstand da ist, gibt es in der Berichterstattung keine Möglichkeit mehr, über Querelen in der Partei zu berichten. Man muss sich wieder mit unseren alternativen Politikkonzepten beschäftigen. Bei den kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg 2004 haben wir eine gute Ausgangsbasis und relativ günstige Umfragewerte. Die sind auf Bundesebene übrigens inzwischen auch bei vier bis fünf Prozent. Die Kommunalwahlen in Brandenburg haben auch bestätigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Prozentual hatten wir ein gutes Ergebnis. Nach meiner Einschätzung haben wir den Niedergang in diesem Jahr gestoppt, im Jahr 2004 erleben wir eine Konsolidierungsphase und anschließend sind wir bis zur Bundestagswahl 2006 auf Wachstumskurs. Ich sage allerdings nicht, die PDS ist jetzt schon über den Berg, wir sind noch in einer kritischen Situation, nutzen unsere Chancen aber inzwischen wieder besser.
Wer Wähler gewinnen will, muss glaubwürdig sein. Sie polemisieren einerseits gegen das "Kartell der sozialen Kälte" in der Bundesrepublik, aber andererseits ist die PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ein Bestandteil dieses Kartells. Besonders überzeugend ist das nicht.
Sie haben Recht, die Regierungsbeteiligungen bringen nicht nur Sympathien. Eine Regierungsbeteiligung hat allerdings immer auch eine andere Seite. Es können die alten Feindbilder nicht mehr bedient werden, wie das die CDU immer wieder versucht. Und die PDS hat die Chance, in einer Koalition als solide politische Kraft wahrgenommen zu werden. Langfristig ist dies ein Gewinn für das Erscheinungsbild der Partei.
In Berlin scheinen die Wähler dieser Logik nicht zu folgen. Nach den letzten Umfragen haben Sie ein Drittel verloren.
In Berlin haben wir momentan einen Sonderfall. Die Stadt ist pleite, und wir haben eine rezessive Phase in der Wirtschaft. Angesichts dieser Rahmenbedingungen hätte jede Regierung Schwierigkeiten, die unpopulären, notwendigen Maßnahmen den Wählern zu vermitteln. Außerdem gelingt es der PDS zu wenig, eine echte Vision für die Stadt zu entwickeln. Trotzdem ist diese Regierungsbeteiligung kein Fehler, sondern der richtige Weg, der sich auch langfristig auszahlen wird.
Steht die Westausdehnung noch auf der Tagesordnung oder haben Sie dieses Projekt der PDS ad acta gelegt?
Nein, die Westausdehnung bleibt immer aktuell. Wir sind natürlich erst einmal darum bemüht, unsere alte Stärke im Osten zurückzugewinnen. Dann werden wir auch im Westen wieder anders wahrgenommen. Im Westen geht es für die PDS zunächst vor allem um den Einzug in Kommunalparlamente. Wenn wir das schaffen, können wir uns dort langfristig verankern und etablieren. Durch die Kommunalarbeit lernen uns die Menschen im Westen auch aus der Nähe kennen, und nicht nur durch die mediale Berichterstattung.
Das Gespräch führte Ramon Schack
'; $jahr = '2004
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