Kurz vor der „Bereinigungssitzung“ im Haushaltsausschuss über den kommenden Jahresetat herrscht meist Hochbetrieb in den Büros der zuständigen Abgeordneten im Bundestag. Interessenvertreter oder auch Parteifreunde versuchen auf den letzten Drücker, Geldzuwendungen für ihre Klientel zu ergattern. Die angesprochenen Parlamentarier sind schnell überfordert, schon der ganz normale, detailliert ausgearbeitete Finanzplan für die einzelnen Ressorts umfasst mehrere Hundert Seiten. Beim „Bereinigen“ kommen dann, in Extralisten konkretisiert, weitere Einzelposten hinzu. So wird es nahezu unmöglich, den Durchblick zu behalten. Die Überrumpelung der Kontrollgremien fällt den Lobbyisten leicht – vor allem dann, wenn die dahintersteckenden Anliegen geschickt verborgen sind.
Systematische Täuschung
So auch in der 18-stündigen, bis in die Nacht dauernden Besprechung des Haushaltausschusses am 26. November: Eine übermüdete Opposition passte nicht auf und ließ sich täuschen. Der bayerischen Trennungsväter-Initiative „Forum Soziale Inklusion“ wurden 400.000 Euro zugeschanzt, im Posten 68426 mit dem unverfänglichen Titel „Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Träger und für Aufgaben der Gleichstellungspolitik“. Michael Leutert (Linkspartei) entschuldigte sich dafür im Nachhinein. Bei der zweiten und dritten Lesung des Bundesetats am 10. Dezember kritisierte Leutert, hier würden Gruppen gefördert, „die zwei Namen haben: einen, mit dem sie Geld akquirieren, und einen, mit dem sie in die Öffentlichkeit treten und unsere Institutionen und Werte angreifen“. Ulle Schauws (Grüne) sprach von einem „frauenpolitischen Tiefschlag“.
Florian Oßner, CSU-Politiker aus Landshut, hatte den fragwürdigen Verein auf die Liste der förderungswürdigen Projekte gesetzt. Dass die Profiteure ganz in der Nähe seines Wahlkreises beheimatet sind, scheint kein Zufall. Oßner selbst, Neuling im Haushaltsausschuss und bisher kaum engagiert in Genderfragen, muss gar kein Vorsatz unterstellt werden. Zu vermuten ist eher die Einflussnahme von Parteifreunden oder Lobbyisten im Vorfeld. Zudem ist der maskulinistische Coup das Resultat eines gemeinsamen Antrags der Koalitionsparteien, ein peinlicher Vorgang vor allem für die SPD: Deren im Haushaltausschuss federführende Abgeordnete Svenja Stadler hat sich offensichtlich hinters Licht führen lassen. Ihre Parteifreundin Josephine Ortleb, Fachfrau im inhaltlich zuständigen familienpolitischen Ausschuss, wollte sich auf Anfrage zu dem Vorgang nicht äußern.
Maskulinisten wollen stets den Eindruck erwecken, sie seien in der Mitte der Gesellschaft verankert. Ihre Zusammenschlüsse heißen „Geschlechterpolitische Initiative“ oder „Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechterdemokratie“. Die nur aus wenigen kleinen Gruppen bestehende „IG Jungen, Männer und Väter“, an deren Gründung das „Forum Soziale Inklusion“ wesentlich beteiligt war, ist für Laien – und offenbar auch für politische Profis, die staatliche Mittel verteilen – schwer zu unterscheiden vom auf viel breiterer Basis stehenden, mit dem Deutschen Frauenrat kooperierenden Bundesforum Männer und seinen 31 Mitgliedsverbänden, darunter zahlreiche kirchliche Gruppen, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften. Die gesamte Jahresförderung dieser tatsächlich dialogisch orientierten männerpolitischen Akteure ist ungefähr so hoch wie die jetzt dem „Forum“ zugesagte Summe.
Systematische Täuschung und das Provozieren von Verwechslungen gehören zum männerrechtlichen Kalkül. Die Tarnnamen sollen harmlos wirken, noch besser progressiv und aufklärerisch, obwohl in den Gruppen Antifeministen mitarbeiten. Sie reden von „Freiheit“, „Zivilgesellschaft“ oder gar einer „neuen Bürgerbewegung“, doch Statements im Netz machen den ideologischen Kontext deutlich, in dem sich die Anhänger der Vereinigungen verorten. Wie im Rechtspopulismus deuten sie emanzipatorische Begriffe nur um, was sie vertreten sind oft reaktionäre geschlechterpolitische Konzepte. Das nun mit Steuergeldern bedachte „Forum Soziale Inklusion“ zum Beispiel verfolgt keineswegs das Ziel, die Teilhabe von Kindern mit Handicap im regulären Schulbetrieb zu fördern, wie das dafür gebräuchliche Wort „Inklusion“ nahelegt. Kernanliegen des Vereins ist die Forderung nach mehr Rechten für Scheidungsväter, denen der Zugang zu ihren Kindern erschwert wurde. Im Einzelfall kann sich hinter der so beklagten „Exklusion“ ein persönliches Drama verbergen. Doch viele der Interessenverbände, die in dem Bereich agieren, sind frauenfeindlich und gegen eine angeblich weiblich dominierte Familiengerichtsbarkeit ausgerichtet.
Ausrichtung gegen Frauen
Immer wieder bemühen sich männerrechtliche Verbände um Kooperationen mit etablierten Institutionen. 2018 gelang eine Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung bei einer Tagung in Rheinland-Pfalz. 2015, 2017 und 2019 veranstalteten maskulinistische Gruppen in Nürnberg einen sogenannten „Gender-Kongress“, dessen Vorankündigungen vor Prahlerei und Selbstüberschätzung strotzten. Die an Fake News grenzenden Informationen im Netz, die Dutzende von unterstützenden Organisationen, Tausende Besucher und urbane Messegelände als Treffpunkte versprachen, lösten sich am Ende weitgehend in Luft auf. Immer erging auch eine Einladung an die lokale Politprominenz, wohlwollende Grußworte zu sprechen. Als sich in den angefragten Parteien nach entsprechenden Warnungen herumsprach, dass der Tagungstitel ein Euphemismus ist, es sich also eher um einen „Anti-Gender-Kongress“ handelte, häuften sich die Absagen.
Das nächste Treffen ist für Oktober 2021 in Erfurt anvisiert. Gerd Riedmeier, Vorsitzender des „Forums Soziale Inklusion“, hielt beim ersten „Gender-Kongress“ laut Programm einen Vortrag. Die nun im Bundeshaushalt zugesagten Gelder könnte der Verein vielleicht für das Durchführen der geplanten Veranstaltung beantragen. Ob ein solches Projekt bewilligt wird, hängt jedoch von der Prüfung durch die zuständige Abteilung im Frauen- und Familienministerium ab. Mögliche Zahlungen an die Maskulinisten können also durchaus noch verhindert werden, wenn sie den Förderrichtlinien widersprechen. „Das BMFSFJ sieht die inhaltliche und politische Ausrichtung des Vereins kritisch, insbesondere ist eine antifeministische Haltung nicht mit einer partnerschaftlichen Gleichstellungspolitik zu vereinbaren“, heißt es in der knappen, aber eindeutigen Antwort einer Sprecherin auf schriftlich gestellte Fragen. Zudem betont das Ministerium, es sei „in die Entscheidung des Haushaltausschusses nicht einbezogen“ worden. Und die bewilligte Summe wird in Relation zur Förderung des Bundesforums Männer als „nicht verhältnismäßig“ bezeichnet. Linken-Politiker Leutert glaubt, dass das „trojanische Pferd“ von der Behörde längst als solches erkannt wurde. Er appelliert an Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: „Wir haben in der Haushaltssitzung Fehler gemacht, jetzt erwarten wir von der zuständigen Abteilung, dass die Gelder nicht ausgezahlt werden.“
Während man bei einigen Beteiligten aus CDU/CSU vermuten kann, dass Vorsatz im Spiel war, hat sich der Koalitionspartner SPD offensichtlich täuschen lassen. Es fehlt an Aufklärung unter Entscheidungsträgern: Wer in der Politik, in Stiftungen, Verlagen oder Universitäten mit getarntem Antifeminismus zu tun hat, sollte das Verwirrspiel durchschauen und dem Maskulinismus keine Bühne bieten.
Kommentare 13
Was hat denn das „Forum Soziale Inklusion“ inhaltlich zu bieten? Ich meine, ganz konkret. Sich auch für die Rechte von Scheidungsvätern einzusetzen ist doch kein Verbrechen!
Täuschen und Betrügen - das passt. Geld ergaunern, das dann anderen fehlt.Man mag sich empören aber das ist doch Standard - Lobbyverbände täuschen sehr gerne mit irreführenden Namen. Beispiel? Der "Wirtschaftsrat der CDU" - nein, das ist kein Organ oder Arbeitskreis der CDU, das ist ein Spitzenlobby-Verband der Wirtschaft und auch wieder so eine maskuline Bruderschaft (im 33köpfigen Vorstand gerade mal 6 Frauen - immerhin mehr Feigenblätter als von der Frauenquote gefordert)
Und Herr Merz ist Vizepräsident. Ein Cheflobbyist, der Wirtschaftsminister werden will und ein anerkannter Frauenfeind --- Deutschland ist in guten Händen
Ein entbehrlicher Artikel aus der Giftküche.
"Systematische Täuschung und das Provozieren von Verwechslungen gehören zum männerrechtlichen System." Ach. Schnell mal behauptet. Bei der Frage nach Belegen würde der Autor schnell in Verlegenheit kommen.
Oder beim Blick auf die anderen Chromosomen-Verteilung. Auf die Einrichtung von Männerhäusern warte ich schon seit Jahrzehnten vergeblich. Männliche Gewalt wird - zurecht - bekämpft. Weibliche hingegen ignoriert, schöngeredet, totgeschwiegen.
Scheinheiligkeit in Absurdistan. To be continued.
Mein Dank für die Selbst-Entlarvung in Foto und Untertitel:
Männer ohne Köpfe, angeblich auf dem Weg zu einem Kongress im Oktober 2021 (!!!) in Erfurt. Mit einer Zeitmaschine unterwegs?
Holla, die - feministische - Waldfee.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146053.forum-soziale-inklusion-staatlich-gefoerderte-frauenfeinde.html
Das ND und auch die taz haben sich dazu ebenfalls schon geäußert.
https://archive.is/cnfVD
Der Umstand, dass sich verschiedene Menschen zu etwas äußern, besagt was?
Möglichst viele, um so richtiger?
Dann muss offenbar der Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 die ideale Regierungsform auf deutschem Boden gewesen sein.
https://www.youtube.com/watch?v=1fjFmlE12aQ
Hier erklärt Andreas Kemper - ein ausgewiesener linker Kritiker des Forums Sziale Inklusion - warum das Ganze wenig mit Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit zu tun hat. Aber, der ist - ich schwöre - kein Nationalsozialist. Wirklich nicht.
Gut gebrüllt, Löwin. ^.^
Ich werde mir die Aussagen von Herrn Kemper sorgfältig anhören. So sorgfältig es eigene Begrenztheiten und Reflexe zulassen.
Für mich muss es übrigens noch nicht mal ein linker Kritiker sein. Auch ein rechter Kritiker, der richtig liegt, kann bei mir Gehör finden. Ehrlisch!
Näheres: Max Weber, Gesinnungs- und Verantwortungsethik.
„Systematische Täuschung und das Provozieren von Verwechslungen gehören zum männerrechtlichen Kalkül.“
What a shallow investigation and what a manipulative article.
Wo ist der dramatisierte “Coup”?
Wo ist die “systematische Täuschung”?
Evidently, “Social Inclusion”, a term evolving from Anglophone social science and practice, does not only refer to handicapped people but refers to all in some way disadvantaged groups.
Das deutsche Familienrecht hat eine starke historische Anlehnung an das Mutterbild assoziert mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Besonders im Zusammenhang mit Kindererziehung herrscht noch eine ziemlich ausgeprägte Priorisierung der ‚Mutterrolle‘.
Artikel wie diese machen es den sogenannten Querdenkern einfach, linke oder emanzipatorische Positionen zu dequalifizieren.
https://www.youtube.com/watch?v=UXagZ_wMCe8
Vico Torriani
Geknickt bekenne ich: meine Annäherung an Herrn Kemper, werte Magda, war nicht besonders erfolgreich. Beim ersten Mal bin ich nach etwa 10 Minuten eingenickt (Spuren des Alters) und auch beim zweiten Mal konnte ich keine zweckdienlichen Hinweise vorfinden.
Kempers Ansichten und Haltungen sind deutlich. Aber bei der Evidenz seiner Behauptungen gibt es noch gewissen Nachholbedarf.
Abschließend: mir ist das Thema zZ nicht wichtig genug, um mich weiter in die Materie zu vertiefen. Manchmal reicht auch die Oberfläche (Sprache).
In einer Debatte, wie ich sie im real life gerne geführt habe - und auch wieder führen möchte - spielt ein Begriff wie "Maskulinisten" keine besondere Rolle. Wer aber nicht inhaltlich streiten kann, braucht wohl diese Ebene des Persönlichen.
Gelobt seien die Zeiten, als manfrau sich das gesagt hat, was man wirklich meinte. Heute steckt alles voller Wackelpudding - und wabert vor sich hin. Blubb.
So, jetzt ruft die - heimische - Couch. Zum Schäfchenzählen ...
Ich habe Ihren Artikel gelesen und sofort fiel mir Frau Hänel ein.Sie ist die Gynäkologin, die seit 20Jahren auch auf ihrer Homepage auch über Schwangerschaftsabbruch informierte.Überzogen mit Anzeigen muss sie jetzt weiter prozessieren. Ich bin in diesem meinen Land immer wieder nur verwundert über die Möglichkeiten,Frauen zu disziplinieren und zu bestrafen.Da frage ich jetzt mal nach, wer das Treiben und die Einflussnahmen offenlegt.
Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob es die Gelder nur Anhänger*innen der Genderideologie geben soll, was ja auch nicht mit dem Feminismus gleichzusetzen ist. Es gib Feministinnen, die sich eher an Angela Davis oder Alexandra Kollontai stellen, als an der Genderideologie orientieren. Zudem geht Thomas Gesterkamp recht kurz auf die Problematik der "Scheidungsväter" ein:
Zitat:
"Kernanliegen des Vereins ist die Forderung nach mehr Rechten für Scheidungsväter, denen der Zugang zu ihren Kindern erschwert wurde. Im Einzelfall kann sich hinter der so beklagten „Exklusion“ ein persönliches Drama verbergen."
Dabei müsste es doch eigentlich gar keinen Konflikt zwischen Feminist*innen und Vaterrechtler*innen geben. Das Sternchen soll hier deutlch machen, dass ich beide Positoinen nicht an einem Geschlecht festmache.
Noch in den 1980er Jahren agierten linkte Femistinnen bei und außerhalb der Grünen gegen das Müttermanifest, in dem Realogrüne die Mutterrolle für Frauen aufwerten wollten. Genau das müsste ja auch das Anliegen von emanzipatorischen Vaterrechtler*innen sein. Wenn eben Kindeserziehung nicht mehr an der Frau festgemacht wird, können natürlich auch Väter ihr Recht auf Teilhabe an der Kindererziehung besser begründen. So müssten also Vaterrechtler*innen auch profeministisch sein. Feminist*innen hingegen würden in solchen Vaterrechtler*innen Verbündete im Kampf gegen die Festschreibung der Kindererziehung an der Mutterschaft sehen. Die Gegner*innen wären dann die von Gesterkamp kritierten Maskulinisten, aber auch die Frauen, die die Mütterrolle gegen Väter verteidigen, die ihr Recht auf Teilhabe an der Erziehung der Kinder einfordern und sich eben nicht in die Rolle auf Samenspender reduzieren lassen.
++ So müssten also Vaterrechtler*innen auch profeministisch sein. ++
Die gibt es ja auch, aber die sind eben nicht in diesem Verein. Die organisieren sich im Bundesforum Männer, das aber von diesem Inklusionsverein heftig beschossen wird. Das sind schon ganz massive STellungskämpfe, die natürlich nicht so leicht zu erkennen sind, wenn man die Geschichte nicht verfolgt hat.
https://taz.de/Experte-ueber-Maennerrechtler/!5737741/
Hier ist nochmal der Andreas Kemper dazu.