Wir wissen nicht, welche Geschäfte zum Abschluss kamen oder welche Partnerschaften sich anbahnten auf der Reise, die Bernd Eichinger 1984 in die USA unternahm. Auf jeden Fall hat sie eine wunderbare Fotoserie hervorgebracht. Karin Rocholl begleitete den Produzenten. Einfühlsam porträtierte sie ihn in dem fremden Land, das zweifelsohne ein Sehnsuchtsort für ihn war. Eichinger erscheint auf den Bildern weder als staunender Tourist noch als eingeschüchterter Pilger. Er nimmt vielmehr die Pose eines Anwärters ein.
Breitbeiniges Auftreten
Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis der deutsche Tycoon in Hollywood ein Büro eröffnen und aus hiesiger Perspektive tatsächlich zu einem Player werden sollte. Aber sein abwartender Gesichtsausdruck kündet
usdruck kündet bereits an, dass er eines Tages Anspruch erheben wird auf einen Anteil an der Traumfabrik. Auf gleich zwei Fotos posiert Eichinger vor einem Plakat, das den Start des Films Against All Odds annonciert. Ihn genierte es offenkundig nicht, dass dies ein sehr flaues Remake des Robert-Mitchum-Klassikers Goldenes Gift ist; schließlich hatte er ein Händchen für die lukrative Wiederverwertung bewährter Stoffe. Er hatte den Symbolcharakter des Bildes im Auge: Die Vorstellung, über alle Widerstände triumphieren zu können, wird seinem Selbstbild entsprochen haben.Ohne die Souveränität von Rocholls Blick infrage zu stellen, darf man Eichinger unterstellen, bei der Inszenierung dieser Bilder nichts dem Zufall überlassen zu haben. Das entsprach dem Berufsverständnis des Produzenten, der einen Film so präzise vorbereitete, dass er die Regie zuversichtlich in die Hände anderer, vorzugsweise charismatischer Handwerker, geben konnte. Es würde unausweichlich ein Eichinger-Film werden. So wie er jede Phase der Filmproduktion kontrollierte, gebot er auch über sein Bild in der Öffentlichkeit. Das mag der Grund sein, weshalb es über diesen Mann, der vier Jahrzehnte deutscher Filmgeschichte mitgeprägt hat, keine kritische Monografie gibt. Wie machtvoll dieser selbstgeschaffene Mythos ist, war noch postum zu spüren: Die Nachrufe in den Feuilletons, mit denen Eichinger ein Wechselspiel aus Argwohn und Kränkung verband, gerieten zu einem weitgehend harmonischen Konzert der Lobeshymnen.Die Rastlosigkeit Eichingers Auch die Ausstellung, die ihm nun das Berliner Filmmuseum widmet, ist wesentlich geprägt von Eichingers Selbstzeugnissen. Die Institution kann mit dem Nachlass prunken, den sie vergangenen Dezember von Eichingers Witwe übernahm. Dass der Produzent zwei Jahre nach seinem Tod schon zur Musealisierung taugen soll, hätte ihn selbst vielleicht am meisten erstaunt. Andererseits entspricht dieses Tempo der Rastlosigkeit Eichingers. Womöglich aber duldete die repräsentative Ausstellung auch deshalb keinen Aufschub, weil nicht abzusehen ist, ob es nach der Bundestagswahl noch einen Staatsminister für Kultur geben wird, der die Verdienste Eichingers um die deutsche Filmindustrie so sehr zu würdigen weiß wie Bernd Neumann.Eichingers Nachlass ist schillernd. Er gewährt Einblick in das durchaus rätselhafte Metier des Produzenten, der Prophet und Zweifler, Verschwender und Geizkragen in einer Person sein muss und die Furcht einflößendste Aufgabe überhaupt im Filmgeschäft hat: Entscheidungen zu treffen. Zugleich ist die Schau fasziniert vom spezifischen Arbeitstemperament Eichingers. Sie zeichnet nach, wie der ehrgeizige Münchner Filmstudent nach einer Zwischenphase als Produzent von Autorenfilmen wie Wim Wenders’ Falsche Bewegung zum risikofreudigen Mogul wurde. In vier Räumen stellt sie thematische und biografische Koordinaten seines Werks dar: Helden, Deutschland, Außenseiter, Amerika.„Breitbeinig“ nannte Tom Tykwer bei der Eröffnung das Auftreten Eichingers, für den er das 20 Jahre lang gehegte Projekt Das Parfüm inszenierte. Eichinger betrieb sein Metier ungeniert machohaft. Dem unerbittlichen Hedonismus, der dem Privatmenschen die beharrliche Anerkennung des Boulevards garantierte, trägt die Schau indes erfreulich dezent Rechnung. Die Produktionsgeschichten seiner Filme waren oft dramatisch, gar spektakulär. Er entsprach so gar nicht dem Klischee vom geschäftstüchtigen Barbaren, der zwar weiß, was er will, es aber nicht buchstabieren kann. Eichinger vertraute auch in Zeiten von Internet und Mobiltelefonen noch auf altmodische, unflüchtige Schriftformen wie den Brief. Überdies war er ein begeisterungsfähiger Leser. Fast jeder seiner Filme beruht auf einer erfolgreichen literarischen Vorlage – gleichviel, ob Roman, Sachbuch oder Comicstrip. Das macht Glanz und Elend seines Werks aus. Nach der brillanten Patricia-Highsmith-Adaption Die gläserne Zelle (Regie: Hans W. Geißendörfer) mussten die Stoffe immer gewichtiger werden: Das Boot, Die unendliche Geschichte usw. In derlei Monumentalität nistet ja gern eine gewisse Leere. Sie hätte womöglich gefüllt werden können, wenn er es zugelassen hätte, sie Autoren und Regisseuren mit eigener Handschrift zu überantworten. Aber dann wären es keine Eichinger-Filme.